Politik

"Mit Fernrohr Allah suchen" Schily glaubt Kurnaz nicht

Der frühere Bundesinnenminister Otto Schily hält den ehemaligen Guantnamo-Häftling Murat Kurnaz für unglaubwürdig und lehnt eine Entschuldigung bei dem aus Bremen stammenden Türken ab. "Wer sich kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 einen Kampfanzug, ein Fernglas und Schnürstiefel kauft und, ohne sich von seiner Familie zu verabschieden, nach Pakistan reist, will dort ja wohl nicht mit dem Fernrohr Allah suchen", sagte Schily in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview der Wochenzeitung "Die Zeit". "Ich bleibe dabei: Die Aussagen des Herrn Kurnaz zum Ziel seiner Pakistanreise sind nach wie vor unglaubwürdig."

Der SPD-Politiker verteidigte die Haltung der damaligen rot-grünen Bundesregierung, Kurnaz aus Sicherheitsgründen eine Einreise nach Deutschland zu verweigern. "Stellen Sie sich vor, wir hätten ihn nach Deutschland gelassen und er hätte dann einen Anschlag vorbereitet", sagte Schily. "Alle Beteiligten haben völlig korrekt entschieden." Daher sehe er keinerlei Anlass für eine Entschuldigung. "Das sähe ja so aus, als hätten wir eine Art Mitverantwortung für Guantnamo. Vielleicht sollte eher Herr Kurnaz seinerseits bedauern, dass er unter sehr merkwürdigen Voraussetzungen nach Pakistan gereist ist."

Ein konkretes Angebot der US-Behörden zur Freilassung des Guantnamo-Häftlings habe es ohnehin nicht gegeben. "Dies ist eine Legende." Die deutsche Seite habe einer Haftentlassung nichts in den Weg gelegt. Als türkischer Staatsangehöriger habe Kurnaz jederzeit in die Türkei einreisen können, sagte Schily.

Der Fall des in Bremen geborenen Türken hatte in den vergangenen Wochen vor allem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier unter Druck gebracht. Die Opposition wirft dem SPD-Politiker vor, er habe als Kanzleramtschef der rot-grünen Regierung eine frühere Freilassung von Kurnaz aus dem US-Lager auf Kuba verhindert, obwohl dessen Unschuld klar gewesen sei. Steinmeier bestreitet dagegen, dass es im Jahr 2002 ein offizielles Angebot der USA zur Freilassung gegeben habe. Er argumentiert, die frühere Regierung habe sich angesichts der damaligen Sicherheitslage ein Jahr nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA für Kurnaz' Ausreise in die Türkei eingesetzt.

Strittig ist in dem Fall, der zwei Untersuchungsausschüsse des Bundestags beschäftigt, ob die USA von Kurnaz' Harmlosigkeit überzeugt waren. Offenbar gab es beim Umgang mit ihm innerhalb der US-Sicherheitsbehörden und der Regierung unterschiedliche Auffassungen. Kurnaz war Ende 2001 in Pakistan festgenommen worden, wo er nach eigenen Angaben den Koran studieren wollte. Er wurde über Afghanistan nach Guantnamo gebracht und nach eigenen Angaben in der Gefangenschaft gefoltert. Er kam erst im Jahr 2006 frei.

Quelle: ntv.de

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