Opposition kritisiert "Trickserei" Schwarz-Gelb weicht Ausstieg auf
01.06.2011, 07:59 Uhr
Zustimmung aus Rheinland-Pfalz nicht sicher: Ministerpräsident Kurt Beck (SPD).
(Foto: dpa)
Kaum hat sich die Bundesregierung auf den Atomausstieg geeinigt, kommen zweifelhafte Details ans Licht: So sollen Unternehmen anders als bislang vorgesehen Strommengen aus insgesamt sieben alten AKW auf neuere Kraftwerke übertragen dürfen. Die Opposition spricht von Trickserei und sagt: "Wir sind noch weit von einem Konsens entfernt". Der Konzern RWE warnt vor den Folgen des Ausstiegs.
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) sieht nur geringe Chancen für einen parteiübergreifenden Atomkonsens. "Ich will jetzt noch nicht Nein sagen. Aber ich bin sehr skeptisch, ob wir das mittragen können", sagte Beck der "Stuttgarter Zeitung" zur Haltung der SPD-geführten Länder zum Ausstiegskonzept der schwarz-gelben Bundesregierung.
Kurz vor dem Treffen der Ministerpräsidenten mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Freitag verlangte Beck einen verbindlichen Ausstiegszeitplan für jeden einzelnen Meiler. "Die Trickserei mit den Laufzeiten, die wir in der Vergangenheit erlebt haben, muss ein Ende haben", sagte der SPD-Politiker. "Angesichts der Debatten über Kaltreserven, Sicherheitspuffer und eine Überprüfungsklausel bis 2018 haben wir die Sorge, dass hier heimlich eine Art Revisionsklausel eingebaut wurde."
Strommengen sollen übertragen werden
Nach Informationen der "SZ" will die Bundesregierung den Energiekonzernen beim Atomausstieg weiter entgegenkommen als bislang bekannt. So sollten die AKW-Betreiber auch die Stromkontingente der sieben vom sofortigen Aus betroffenen Altmeiler auf jüngere Kraftwerke übertragen dürfen, heißt es demnach im Entwurf für die Novelle des Atomgesetzes. Ursprünglich war eine solche Regelung nur für die Strommengen des stillgelegten Reaktors Mülheim-Kärlich sowie des Pannenmeilers Krümmel vorgesehen. Nach Berechnungen des unabhängigen Öko-Instituts dürften damit alle verbleibenden neun Kernkraftwerke erst zwischen 2021 und 2022 vom Netz gehen, heißt es.
Die Grünen kritisierten dies scharf. Der Atomausstieg entpuppe sich als "Laufzeitgarantie für Atomkraftwerke", sagte Fraktionschef Jürgen Trittin. "Der Kampf um den endgültigen Ausstieg aus der Atomkraft wird damit nur vertagt." Auch Grünen-Chefin Claudia Roth forderte einen Abschaltplan für jedes einzelne Atomkraftwerk. "Von einem gesellschaftlichen Konsens sind wir bislang leider noch weit entfernt", sagte sie den Zeitungen der WAZ-Gruppe.
Die Regierungskoalition in Berlin hatte sich darauf geeinigt, den Großteil der deutschen Meiler bis 2021 vom Netz zu nehmen. Falls es Probleme bei der Energiewende gibt, sollen die letzten drei Meiler jedoch erst 2022 abgeschaltet werden. Diese Anlagen werden als eine Art "Sicherheitspuffer" angesehen.
Unternehmen wehren sich
RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann warnte vor den Folgen des schwarz-gelben Atomausstiegs. "Wir machen Experimente mit der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft - mit ungewissem Ausgang", sagte er der "Bild"-Zeitung. Darüber mache nicht nur er sich Sorgen. "Die Frage nach der Berechenbarkeit muss man bei dieser Bundesregierung nicht nur in Energiethemen stellen", sagte Großmann. Der Stromkonzern Eon hatte zuvor wegen der Verkürzung der Laufzeiten Klage gegen die Brennelementesteuer angekündigt.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sprach sich unterdessen dafür aus, die Endlager-Suche auf den Süden Deutschlands auszuweiten. Der Standort in Gorleben müsse "ergebnisoffen zu Ende erkundet werden", sagte Brüderle dem "Hamburger Abendblatt". Wenn Bayern und Baden-Württemberg aber nun bereit seien, auch bei sich nach geeigneten Standorten suchen zu lassen, "sollten wir das Angebot annehmen".
Quelle: ntv.de, dpa/AFP