Nach Berlusconi-Votum Schwere Krawalle in Rom
14.12.2010, 16:25 Uhr
Ausnahmezustand in Rom.
(Foto: REUTERS)
Nach dem knappen Sieg von Premier Berlusconi bei einem Misstrauensvotum kommt es in Rom zu schweren Ausschreitungen. Hunderte Demonstranten liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei. Die Krawallmacher setzen Fahrzeuge in Brand und verwüsten Schaufenster. Rund 60 Demonstranten und 57 Polizisten werden verletzt.
Nach dem knappen Sieg des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi hat eine Gruppe von einigen hundert Demonstranten bei Straßenschlachten mit der Polizei Teile des historischen Zentrums der Stadt verwüstet. Wie italienische Medien berichteten, setzten die Randalierer unter anderem ein Fahrzeug der Stadtreinigung und ein Auto der Finanzpolizei in Brand. Mehr als 100 Menschen - 60 Demonstranten und mindestens 57 Polizisten - wurden nach Medienberichten verletzt.
Berlusconi hatte sich einem von der Opposition beantragten Misstrauensvotum stellen müssen. Er gewann die Abstimmung mit nur wenigen Stimmen Vorsprung. Kritiker hatten zuvor von Stimmenkauf und Bestechung gesprochen.
1500 Polizisten im Einsatz
Kurz nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses scherte eine gewalttätige Gruppe aus einer der zahlreichen Kundgebungen in der Innenstadt aus und versuchte, zum Abgeordnetenhaus vorzudringen. Die Polizei setzte Tränengas und Schlagstöcke ein. Demonstranten zündeten drei selbstgebaute Sprengsätze in einer Gasse in der Nähe des Parlaments. Andere bewarfen die Beamten mit Eiern und Farbe. Auf der zentralen Via del Corso gingen zahlreiche Schaufenster zu Bruch.
Das Parlamentsgelände im Zentrum der italienischen Hauptstadt war schon am Morgen von der Polizei abgeriegelt worden. Mehrere Kundgebungen und eine Menschenkette waren angekündigt worden, um gegen die Politik der Regierung Berlusconi zu demonstrieren und den Sturz des Regierungschefs zu fordern. Über 1500 Polizisten wurden aufgeboten, um Übergriffe zu verhindern. Vor allem Schüler und Studenten versammelten sich zu Protesten gegen die Sparpolitik der Regierung.
Berlusconi setzt sich durch
Berlusconi bleibt auch ohne sichere parlamentarische Mehrheit im Amt. Mit nur drei Stimmen Vorsprung wehrte er einen Misstrauensantrag der Opposition äußerst knapp ab. Bei der Abstimmung sprachen ihm in der Abgeordnetenkammer in Rom 311 Parlamentarier das Misstrauen aus, 314 votierten für ihn.
Derweil begrüßten die Anhänger Berlusconis das Abstimmungsergebnis in der Kammer mit donnerndem Applaus. Zahlreiche Abgeordnete schwenkten die italienische Trikolore-Flagge. Andere forderten in Sprechchören den Rücktritt von Abgeordnetenhauspräsident Gianfranco Fini - Berlusconis einstigem Bündnispartner und heute größten Herausforderer. Während der Abstimmung kam es zu einem Handgemenge zwischen aufgebrachten Parlamentariern beider Lager. Fini werde nicht zurücktreten, teilte sein Sprecher Fabrizio Alfano mit.
Im Senat, wo Berlusconi selbst die Vertrauensfrage gestellt hatte, nahm der Regierungschef zuvor mit 162 gegen 135 Stimmen die erste Hürde. Er entging so erneut einem Sturz ins politische Abseits. Noch am Abend will Berlusconi Staatspräsident Giorgio Napolitano im Quirinalpalast über den Abstimmungstag im Parlament und seine Vorstellungen zum weiteren Vorgehen informieren.
Schon lange ohne Mehrheit
Der 74-jährige Berlusconi hat seit dem Bruch mit Fini Ende Juli im Parlament keine Mehrheit mehr. Schon im September gewann er trotzdem eine Vertrauensabstimmung. Doch wie es jetzt weitergehen soll, ist offen. Mit so knapper Mehrheit könne man nicht regieren, meinten Mitglieder der Opposition. Selbst Berlusconis Bündnispartner Umberto Bossi von der rechtspopulistischen Lega Nord hatte mehrfach für Neuwahlen plädiert. Seine Partei könnte nach jüngsten Umfragen bei einem Urnengang deutlich zulegen.
Berlusconi hatte in einer Regierungserklärung am Vortag alle gemäßigten Kräfte des Parlaments zur Zusammenarbeit aufgerufen. Dabei nahm er vor allem die Zentrumspartei UDC von Pier Ferdinando Casini als möglichen Partner für ein breiteres Bündnis ins Visier. Von der Lega Nord gebe es kein Veto gegen die UDC, erklärte Bossi bereits.
Herausforderer Fini hatte Berlusconi wiederholt zum Rücktritt aufgefordert, um damit den Weg für eine neue Mitte-Rechts-Regierung freizumachen. Dies lehnte Berlusconi kategorisch ab. Sollte er das Vertrauen nicht mehr bekommen, werde es Neuwahlen geben, sagte er. Für den 58-jährigen Fini ist der gescheiterte Misstrauensantrag gegen Berlusconi eine äußerst schwere Niederlage. Drei seiner FLI- Abgeordneten schlossen sich dem Votum gegen Berlusconi nicht an.
Quelle: ntv.de, dpa