Politik

Streit um G36-Nachfolger Sig Sauer kritisiert die Bundeswehr

Standardwaffe für Infanteristen: Die Bundeswehr sucht einen Nachfolger für das Sturmgewehr G36.

Standardwaffe für Infanteristen: Die Bundeswehr sucht einen Nachfolger für das Sturmgewehr G36.

(Foto: dpa)

Bei der Suche nach Ersatz für das deutsche Sturmgewehr G36 gibt es neuen Ärger. Der Hersteller Sig Sauer aus Eckernförde schert wütend aus dem Vergabeverfahren aus - und erhebt schwere Vorwürfe gegen Verteidigungsministerium und Bundeswehr.

Der Jagd- und Militärwaffenspezialist Sig Sauer sieht sich bei der Ausschreibung für einen Nachfolger des Sturmgewehrs G36 systematisch benachteiligt. Wie das Unternehmen mitteilte, zieht sich Sig Sauer aus dem Vergabeverfahren zurück.

Die technischen Anforderungen seien zu eindeutig auf den Wettbewerber und G36-Hersteller Heckler & Koch zugeschnitten, erklärte ein Sprecher. Sig Sauer rechne sich keine Chance auf einen Zuschlag aus und wolle kein Angebot abgeben. Als "reiner Streichkandidat" wolle man seinen guten Ruf nicht aufs Spiel setzen, hieß es. Den Klageweg will sich das Unternehmen nach eigenen Angaben offen halten.

Wer baut die beste Waffe?

Das Verteidigungsministerium wollte dazu "aus vergaberechtlichen Gründen" nicht Stellung nehmen. "Die Veröffentlichung von Unternehmen nehmen wir zur Kenntnis, werden unsererseits allerdings nicht kommentiert", teilte das Ministerium mit. Die vom Beschaffungsamt (BAAINBw) organisierte Ausschreibung befindet sich derzeit in der Angebotsphase.

Die Zeit zur Abgabe eines Angebotes sei zu kurz, um eine wettbewerbsfähige Musterwaffe bereit zu stellen, kritisiert der Waffenhersteller Sig Sauer. Unternehmen, die nicht bereits Lieferanten der Bundeswehr seien, würden dadurch benachteiligt. Ähnliches gelte auch für die nötigen Tests des neuen Gewehrs mit der gewünschten Munition.

Sig Sauer sei der Zugriff auf die Munition mit dem Hinweis verweigert worden, das würde einen Wettbewerbsvorteil darstellen, heißt es. Dabei sei es nur darum gegangen, dass der Hersteller der Geschosse die Erlaubnis erhalte, dass die Waffenhersteller die Munition auf eigene Kosten erwerben dürften.

Polizei bekommt MCX-Gewehre

Der Auftrag zum Bau des neuen Standardsturmgewehrs der Bundeswehr ist mit langfristigen Verträgen, einer hohen Stückzahl und enormen Prestigegewinn innerhalb der Branche verbunden. Das Unternehmen Sig Sauer hatte sich als deutsch-amerikanische Bietergemeinschaft mit dem Gewehr MCX am vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb beteiligt. 522 dieser halbautomatischen Sturmgewehre soll nun die Polizei in Schleswig-Holstein erhalten, wie das Innenministerium des Landes mitteilte. Der Auftrag mit Zubehör habe ein Volumen von 1,2 Millionen Euro, hieß es.

Bei der G36-Nachfolge geht es zunächst um 120.000 Schusswaffen, die einen umfangreichen Anforderungskatalog erfüllen müssen. Sig Sauer wirft dem Verteidigungsministerium zudem eine pauschale Diskriminierung von US-Bietern vor. Eine Bedingung im Ausschreibeverfahren sei, dass das Gewehr nicht auf der ITAR-Liste stehen darf, heißt es. ITAR (International Traffic in Arms Regulations) bezeichnet ein US-Regelwerk zur staatlichen Kontrolle des Handels mit Waffen und Rüstungsgütern. Damit kontrollieren die USA den Export und Verbleib von Waffen.

Um den deutschen Behörden entgegenzukommen, habe Sig Sauer eine rein deutsche Fertigung angeboten und auch mitgeteilt, dass es keine patentrechtlichen US-Vorbehalte gebe, erklärte ein Unternehmenssprecher. Das reiche aber nicht aus. Die Vorgabe sei einseitig gewesen, weil die Bundeswehr bei vielen anderen Rüstungsgütern die US-Vorbehalte und die so genannten ITAR-Regelungen akzeptiere, bei dem neuen Sturmgewehr jedoch nicht.

Standbein im US-Markt

Sig Sauer wertet die Einschränkung als Vorentscheidung für Heckler & Koch. Durch das Ausschlusskriterium würden sämtliche Hersteller mit "nur geringfügigen US-amerikanischen Bezug" aus dem Verfahren ausgeladen, heißt es. Vor der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots sei von diesem K.O.-Kriterium noch keine Rede gewesen.

Beobachter sehen das ähnlich: "Das ganze Gerede um einen ergebnisoffenen Wettbewerb wird ad absurdum geführt, wenn man Kriterien so definiert, dass das Ergebnis schon fast hervorsehbar ist", fasste der Grünen-Verteidigungspolitiker Tobias Lindner die Lage zusammen. Das Ministerium scheine aus vergangenen Ausschreibungen und zu engen Kriterien nichts gelernt zu haben.

Ungenau nach 100 Schuss Dauerfeuer?

Nach der jahrelangen Affäre um vermeintliche Qualitätsprobleme beim Sturmgewehr G36 hatte die Bundeswehr im April das Vergabeverfahren für ein neues Gewehr gestartet. Der Abschluss der Verträge ist für 2019 geplant. Die Ausschreibung sollte ursprünglich bereits 2016 erfolgen, verzögerte sich aber bis April 2017.

Die Auslieferung der neuen Standardwaffe der Heeressoldaten soll 2020 beginnen, ursprünglich war 2019 als Startjahr genannt worden. Große Waffenhersteller hatten sich bereits vor Monaten in Stellung gebracht - neben Heckler & Koch und Sig Sauer zählt zum Beispiel auch Rheinmetall zusammen mit Steyr Mannlicher zu den Bewerbern.

Das Sturmgewehr G36 des baden-württembergischen Herstellers Heckler & Koch gehört seit 1996 zur Standardausrüstung der Bundeswehr. Nachdem in einer umstrittenen Untersuchung Präzisionsprobleme festgestellt worden waren, entschied Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im August 2015, das G36 auszumustern und durch ein neues Standardgewehr zu ersetzen. Eine Klage gegen Heckler & Koch endete mit einer Gerichtsniederlage für die Behörde - laut Urteil hatte die Firma das geliefert, was bestellt worden war.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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