Merkel bringt Mut nicht auf Snowden kann nicht auf Asyl hoffen
04.11.2013, 15:41 Uhr
In Deutschland wollen viele Menschen, dass Edward Snowden nach Deutschland kommt.
(Foto: picture alliance / dpa)
Es scheint ausgemacht: Whistleblower Snowden wird in Deutschland weder Asyl noch eine andere Form des Bleiberechts bekommen. Auch wenn die Opposition versucht, die Regierung Merkel in dieser Frage unter Druck zu setzen, war das Linken und Grünen auch schon von vornherein klar.
Regierungssprecher Steffen Seibert spricht das Erwartbare aus: Edward Snowden wird in Deutschland kein Asyl bekommen. Die Voraussetzungen dafür seien nicht erfüllt, schon im Juli habe man dies geprüft. An den Grundlagen dieser Entscheidung habe sich nichts geändert, so Angela Merkels Sprecher, ein Umdenken deswegen nicht nötig. Snowden könne vom Parlament ja in Russland vernommen werden, wo er sich derzeit aufhält.
Tatsächlich hatte die Regierung auf dem Höhepunkt der Odyssee des ehemaligen Mitarbeiters der US-Geheimdienste NSA, CIA und DIA im Sommer schon einmal mit einem solchen Ansinnen Snowdens zu tun. Und auch damals lehnte die Regierung es ab, den Whistleblower aufzunehmen. Asylanträge können nur auf deutschem Boden gestellt werden. Da Snowden im Transitbereich des Moskauer Flughafens festsaß, war Deutschland in dieser Frage fein raus.
Heute ist die Lage eine etwas andere. Snowden befindet sich nicht mehr im staatsfreien Raum. Er genießt temporäres Asyl in Russland, das er offenbar gerne für ein Bleiberecht in einer westlichen Nation, mit Vorliebe Deutschland oder Frankreich, eintauschen möchte. Und dafür setzt er alle seine Trümpfe ein: In Deutschland machte er mit der Enthüllung über das Abhören des Kanzlerinnen-Handys und dem PR-mäßig perfekt inszenierten Besuch des Grünen-Politikers Hans-Christian Ströbele Stimmung. Und auch in Frankreich deckte Snowden gezielt die Überwachung von Köpfen aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung auf. Beides sind Vorgänge, die die Haltung der Öffentlichkeit zu US-Präsident Barack Obama und der Spitzeltätigkeit der NSA noch einmal beeinflusst hat - nicht zum Positiven, versteht sich.
Asylgründe sind nicht erfüllt
Doch Snowdens Kalkül geht nicht auf, Kanzlerin Merkel ließ das ja nun noch einmal über ihren Sprecher ausrichten. Die CDU-Politikerin will den Mut, Snowden gegen den Willen der USA und entgegen eines bestehenden Auslieferungsgesuchs aufzunehmen, nicht aufbringen. Denn der rechtliche Grat, auf dem Deutschland wandern würde, ist zu schmal: Die üblichen Asylgründe - Verfolgung aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung - sind im Fall Snowden tatsächlich nicht erfüllt. Deutschland müsste auf das Konstrukt des Bleiberechts zur "Wahrung politischer Interessen" zurückgreifen.
Die Bundesregierung will ein Zerwürfnis mit den USA wegen Snowden aber nicht riskieren. Seibert warnte: "Das transatlantische Bündnis bleibt für uns Deutsche von überragender Bedeutung." Kaum ein Land habe wie Deutschland von der Freundschaft zu den USA profitiert. Dies sei von großer Bedeutung bei allen Entscheidungen der Bundesregierung.
Opposition macht ihren Job
Indirekt ist das auch eine Mahnung an politische Kräfte im Land, die die Regierung nicht kontrollieren kann: die Opposition. Die Entscheidung, ob der 30-Jährige vor einem Ausschuss des Parlaments aussagen soll, treffen nämlich letztlich der Bundestag und dessen Gremien. Mit Union und SPD ist im Parlament eine Mehrheit auf der Linie Merkels: Snowden zu vernehmen, ist in Ordnung. Jedoch nur in seinem russischen Exil. Nichtsdestotrotz setzen sich Grüne und Linke weiter für freies Geleit und eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland ein - eine bei vielen Deutschen populäre Forderung.
Und so ist die Causa Snowden längst von einer Nagelprobe für die internationale Diplomatie zu einem Spielball der innenpolitischen Auseinandersetzung geworden. Linke und Grüne versuchen, mit einem möglichen Asyl für Snowden Opposition zu machen. Das ist ihr gutes Recht. Die Reaktion der Bundesregierung, nämlich die Ablehnung eines Bleiberechts für den jungen Mann, ist allerdings auch für Linke und Grüne schon von vornherein eins gewesen: erwartbar.
Quelle: ntv.de