Schwarz-rote Pläne So bewertet die Welt den Koalitionsvertrag
28.11.2013, 16:48 Uhr
Verhandlungspartner: die Spitzenvertreter von CDU, CSU und SPD.
(Foto: REUTERS)
Frankreich ist voll des Lobes, die Türkei hegt Argwohn. Und die Vertreter einiger Länder verkneifen sich jeglichen Kommentar. Nur eines gilt für alle Staaten: Das Interesse am Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD ist riesig.
Strebt Deutschland weiterhin nur eine privilegierte EU-Partnerschaft der Türkei an? Wird die Bundesregierung zulassen, dass die Ukraine sich auf Druck Russlands von Europa abwendet? Das Interesse an den Plänen von Union und Sozialdemokraten im Ausland ist groß. Das zeigen schon die Fragen der Korrespondenten bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags in Berlin. Am Tag danach erreichen die ersten Bewertungen des 185 Seiten starken Papiers die Republik. Ein Überblick.
Dass sich an der Haltung Deutschlands zum EU-Beitritt in einer Großen Koalition nichts ändert, nimmt Ankara noch hin. Weiterhin wird mit offenem Ausgang verhandelt. Die Beschlüsse zur doppelten Staatsbürgerschaft allerdings betrachtet die Regierung der Türkei mit Argwohn. Vize-Ministerpräsident Bekir Bozdag spricht von einem "positiven, aber halben Schritt" Berlins. Die Türkei fordere, dass Deutschland den eingeschlagenen Weg zu Ende gehe und die generelle Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft beschließe. Union und SPD wollen künftig zwar den Kindern von Zuwanderern, die in Deutschland zur Welt kamen, eine zweite Staatsbürgerschaft gönnen, nicht aber ihren Eltern. Bozdag sieht damit immer noch eine Form der "Diskriminierung" im deutschen Recht.
Auch in der Ukraine hält sich die Begeisterung über den Koalitionsvertrag in Grenzen. Merkel sagte bei der Vorstellung des Papiers zwar: "Wir müssen die letzten Relikte des Kalten Kriegs überwinden." Europa halte die Tür für das Land offen. Im Koalitionsvertrag steht dazu allerdings nichts Konkreteres. Die Sängerin Ruslana, eine Ikone der prowestlichen Revolution in Orange, sagt nun: "Steht der Ukraine bei! Helft uns, eine Chance zu bekommen auf ein besseres Leben". Ruslana fodert mehr Einsatz.
"Teurer Stillstand"
Noch größer als bei den EU-Staaten in spe ist die Skepsis bei den Mitgliedsstaaten. Das zeigt sich vor allem bei den Kommentatoren der Tageszeitungen. "De Standaard" aus Belgien schreibt: "Ein wirklich großes innenpolitisches Projekt, hinter dem alle drei beteiligten Parteien stehen würden, ist in den Absprachen nicht erkennbar."
Ähnlich sehen das die österreichischen Medien: In der "Presse" heißt es: "Es gibt kein Projekt, keine Vision, keine Ideen, die in die Zukunft weisen. (...) Der teure Stillstand setzt die Zukunft aufs Spiel." Und im "Standard": "Im Vertrag fehlt der große Wurf. (...) die wirklich großen Brocken will man nicht anfassen."
Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy bezeichnet den Koalitionsvertrag als "gut für Deutschland und gut für Europa". Die Kommentatoren aus seiner Heimat sehen das allerdings anders. Die Tageszeitung "El País" kritisiert mögliche Finanzierungslücken im Koalitionsvertrag: "Das Abkommen präzisiert nicht, wie man die auf 20 Milliarden Euro bezifferte Erhöhung der öffentlichen Ausgaben finanzieren wird, ohne die Steuern anzutasten oder die gesetzlichen Schuldengrenzen zu überschreiten. Auch nicht, wie man die von der bayerischen CSU in die Vereinbarung aufgenommenen Autobahngebühren für ausländische Fahrzeuge einführen wird, ohne die europäische Gesetzgebung zu verletzen. Und auch nicht, wie man die erneuerbaren Energien fördern will, ohne die Verbraucher noch stärker zu belasten." In Griechenland, wo die deutsche Austeritätspolitik heftig umstritten ist, ersparten Politik und Medien deutschen Parteien Kommentare.
Durchweg positiv schätzt allein Frankreich das Verhandlungsergebnis ein: Die Tageszeitung "Le Figaro" staunt gar angesichts der schieren Möglichkeit einer Großen Koalition. "Die Franzosen haben manchmal einen Traum", heißt es dort. "Die politische Klasse würde ihre Engstirnigkeit zur Seite schieben und Männer mit guten Absichten, links wie rechts, würden sich für das Allgemeinwohl zusammentun. (...) Unvorstellbar in Frankreich, aber selbstverständlich in Deutschland." Präsident François Hollande lobte die Entscheidung für einen gesetzlichen Mindestlohn. Und das Blatt "Dernières Nouvelles d'Alsace" kritisiert lediglich, dass der Mindestlohn erst 2017 kommt.
Jenseits des europäischen Kontinents halten sich Politik und Medien dagegen mit Reaktionen zurück. Weder US-Präsident Barack Obama noch Chinas Präsident Xi Jinping oder Russlands Präsident Wladimir Putin äußerten sich. Medien berichteten zwar detailliert über die Ergebnisse der Verhandlungen. Zu Kommentaren ließen sie sich allerdings nicht hinreißen. Vielleicht allerdings auch, weil der Koalitionsvertrag noch von der Zustimmung der SPD-Mitglieder abhängt. Die russische Tageszeitung "Nesawissimaja Gaseta" lobt zwar Frank-Walter Steinmeier als möglichen neuen Außenminister. "Er muss den Kontakt mit Moskau nicht wiederherstellen, er hat ihn bereits." Ansonsten heißt es aber nur: "Das Regierungsprogramm wird nicht vor dem 17. Dezember verabschiedet. Das heißt: Falls die Mehrheit der Sozialdemokraten ihrer Führung zustimmt, eine neue Koalition mit Angela Merkel an der Spitze auszuprobieren."
Quelle: ntv.de, ieh/dpa/AFP