Gabriel, Draghi und Monti im Kreuzfeuer Söder lässt das Sticheln nicht
07.08.2012, 08:13 Uhr
Viel viel Zeit bleibt der Euro-Zone, um ein langfristiges Rettungskonzept vorzulegen?
(Foto: dapd)
Keine klare Position könne er derzeit bei EZB-Chef Draghi erkennen, sagt Bayerns Finanzminister Söder und fordert gleichzeitig einen größeren deutschen Einfluss auf die Währungshüter. Auch am Vorstoß von SPD-Chef Gabriel für eine gemeinschaftliche Schulden-Haftung lässt Söder kein gutes Haar. Doch Gabriel bekommt auch Unterstützung.
Bayerns Finanzminister Markus Söder stichelt weiter gegen den Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. Der CSU-Politiker kritisierte in der "Stuttgarter Zeitung" die Entscheidung der EZB, den Kauf von Staatsanleihen klammer Euro-Staaten zu prüfen. "Bei Herrn Draghi kann ich im Moment keine klare Position erkennen", sagte Söder. Er warf dem EZB-Präsidenten mehrfache Kurswechsel vor. "Das macht die EZB-Politik undurchschaubar und löst Skepsis aus." Er vermisse eine klare ordnungspolitische Handschrift des obersten Währungshüters. Die Stabilität der Währung müsse Vorrang vor der Unterstützung einzelner Eurostaaten haben.
Söder machte deutlich, dass die CSU voll hinter Bundesbank-Chef Jens Weidmann stehe, der auf Gefahren aufmerksam mache. Der CSU-Politiker forderte im EZB-Rat einen stärkeren Einfluss der Deutschen Bundesbank. Deutschland sei der größte Zahler der EU und der Eurozone und überdies die stärkste Handelsmacht in der EU. "Gemessen an dieser Bedeutung ist Deutschland in der EZB eindeutig unterrepräsentiert." Das Stimmenverhältnis in der EZB müsse zugunsten Deutschlands neu gewichtet werden. "Es ist schon fast so wie beim European Song Contest: Jeder hat nur eine Stimme, unabhängig von der Größe." Dies müsse sich ändern.
Pro und contra für Gabriel
Scharfe Kritik äußerte Söder auch an SPD-Chef Sigmar Gabriel für dessen Plädoyer für eine langfristig gemeinschaftliche Euro-Schuldenhaftung. "Gabriels Vorschlag ist die Verschleuderung von Volksvermögen", sagte er. "Was Gabriel vorschlägt, bedeutet, dass die Deutschen auf einen Schlag die Schulden der Griechen, Spanier und Italiener übernehmen." Das SPD-Konzept führe dazu, dass die Mittelmeerländer weniger Sparanstrengungen unternehmen, weil andere die Zeche zahlen. "Wir dürfen nicht Schulden teilen, jeder ist für seine Verbindlichkeiten verantwortlich", sagte der CSU-Politiker.
Dagegen warb der CDU-Außenpolitiker Andreas Schockenhoff für eine differenziertere Betrachtung. Im Deutschlandradio Kultur sagte er, einige Äußerungen aus der schwarz-gelben Koalition seien überhaupt nicht hilfreich, weil sie die Märkte verunsicherten. Das könne genau die Reaktionen hervorrufen, die es derzeit zu vermeiden gelte. Schockenhoff sagte, er sehe Fortschritte bei der Entwicklung in Griechenland. Der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras mache sich daran, schwierige Strukturreformen umzusetzen.
Gabriel hatte in der "Berliner Zeitung" für eine offene gemeinschaftliche Haftung für die Schulden aller Euro-Staaten bei gleichzeitiger strenger gemeinsamer Haushaltskontrolle geworben. Er machte sich damit einen Vorschlag der Professoren Jürgen Habermas, Peter Bofinger und Julian Nida-Rümelin zu Eigen, den diese für die Wahlprogrammdiskussion der SPD formuliert haben. Demnach soll ein Verfassungskonvent eine Grundgesetzänderung erarbeiten, über die per Volksabstimmung abgestimmt werden solle.
Gabriels Vorstellungen sind "abenteuerlich"
Zustimmung erhielt Gabriel von den Grünen. "Ich begrüße es, wenn die SPD sich in ihren Überlegungen immer mehr auf grüne Positionen zubewegt", sagte die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth der "Frankfurter Rundschau". Europa müsse jetzt konstruktiv weitergedacht werden. "Zur Rettung des europäischen Projekts ist ein breiter Konsens für ein integriertes, demokratisches und soziales Europa notwendig." Nationale Ressentiments, egal aus welcher Motivation heraus, ließen Europa dagegen gegen die Wand fahren.
Linkspartei-Chef Bernd Riexinger nannte Gabriels Vorstellungen dagegen "abenteuerlich". Er forderte, künftig der Bankenrettung keinen Vorrang mehr einzuräumen. "Wenn eine Bank einem Staat Geld borgt, dann kassiert sie dafür Zinsen. Im Ernstfall muss dann die Bank das Risiko tragen", sagte Riexinger der "Rheinischen Post". Die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, forderte eine Volksabstimmung gegen eine gemeinschaftliche Schuldenhaftung aller Euro-Staaten. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte sie: "Wenn Vereinigte Staaten von Europa heißt, dass die Arbeitnehmer und Rentner in Deutschland für die Bankschulden von halb Europa haften, dann müssen wir das verhindern."
Auch Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt lehnte Gabriels Vorstoß ab. "Eine Vergemeinschaftung der Schulden einzelner Staaten darf es nicht geben", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Vorsichtig zustimmend äußerte sich Hundt zu möglichen Staatsanleihekäufen der Europäischen Zentralbank: "In der Krise sind besondere Maßnahmen der EZB notwendig. Die Risiken von Anleihekäufen dürfen aber nicht aus dem Auge verloren werden." Man müsse darauf bestehen, dass Krisenhilfen nur bei unverändert strikter Einhaltung der Auflagen gezahlt werden. Vorrang müsse immer der Abbau der Staatsschulden haben.
Monti relativiert seine Aussage
Weiter in der Kritik steht auch der italienische Regierungschef Mario Monti wegen seines Vorstoßes, in der Euro-Krise sollten die nationalen Regierungen von ihren Parlamenten unabhängiger werden. "Die Kontrolle der Regierung durch das Parlament zählt zu den Grundfesten unserer Demokratie", sagte der FDP-Vorsitzende und Wirtschaftsminister Philipp Rösler der "Bild"-Zeitung. "Gerade die Mitwirkung des Bundestages in zentralen Fragen der Europapolitik schafft zusätzliche demokratische Legitimation. Eine Schwächung des Parlaments ist mit der FDP nicht zu machen."
Monti hatte dem "Spiegel" gesagt: "Wenn sich Regierungen vollständig durch die Entscheidungen ihrer Parlamente binden ließen, ohne einen eigenen Verhandlungsspielraum zu bewahren, wäre das Auseinanderbrechen Europas wahrscheinlicher als eine engere Integration." Am Montagabend relativierte der Premier seine Äußerung allerdings. In einer offiziellen Mitteilung erklärte er: "Ich habe in keiner Weise beabsichtigt, eine Begrenzung der parlamentarischen Kontrolle über die Regierungen herbeizuwünschen."
Quelle: ntv.de, dpa