Politik

Geheime Irak-Akten Söldner verschlimmern Chaos

Mehr Söldner als Soldaten im Irak

Mehr Söldner als Soldaten im Irak

(Foto: dpa)

Folter, Missbrauch und Barbarei: Die Situation im Irak ist für die US-Administrative und ihr Militär noch verheerender als bisher angenommen. Gestern veröffentlichte die Internetplattform WikiLeaks knapp 400.000 Dokumente, die ein grausames Bild in irakischen Gefängnissen aufzeigen. Ein weiteres Chaos offenbart der Blick auf den Einsatz von privaten Sicherheitskräften.

Der Einsatz privater Sicherheitsfirmen im Irak hat das Kriegschaos erheblich verschärft. Das geht laut "New York Times" aus den geheimen Militärakten hervor, die die Internetplattform WikiLeaks veröffentlicht hatte. Es habe an Koordinierung mit den Streitkräften gemangelt, berichtete die Zeitung, die neben anderen Medien die knapp 400.000 Dokumente gesichtet hatte. Die Söldner "schossen oft ohne große Unterschiede zu machen auf unbewaffnete irakische Zivilisten, irakische Sicherheitskräfte, US-Soldaten und sogar auf andere private Sicherheitsleute - mit wenig oder gar keinen Konsequenzen".

Aber sogar jetzt könne das Militär auf die Söldnertrupps nicht verzichten, schreibt die Zeitung - obwohl die Militärakten umfangreich grundlose Schießereien dokumentierten und wenige Fälle, in den zur Rechenschaft gezogen wurde.

Bericht: Mehr tote Zivilisten

Amerikanische Soldaten haben zudem offenbar während des Irak-Krieges allein an US-Kontrollposten über 680 Zivilisten erschossen. Das geht laut der Londoner Zeitung "Sunday Times" aus den veröffentlichten Dokumenten hervor.

Die Zahl der getöteten Zivilisten sei sechs Mal höher als die der getöteten Aufständischen, denen die Schüsse eigentlich gegolten hätten. Die US-Posten hätten unter anderem geschossen, wenn etwa ein sich näherndes Auto ein Stopp- Signal nicht befolgt habe. In einem Fall wurde demnach ein dreijähriger Junge erschossen. Die Mutter ließ anschließend ihre eigenen Schusswunden nicht versorgen, um ihren Sohn noch beerdigen zu können.

Mehr Söldnertrupps als Soldaten

Eine Studie der unabhängigen Forschungsstelle des US-Kongresses (CRS) hatte bereits im Juli berichtet, dass private Sicherheitsunternehmen im Irak und in Afghanistan mit fast einem Fünftel mehr Personal dort vertreten sind als das US-Verteidigungsministeriums mit uniformierten Kräften: 207.000 Wachleute und 175.000 Mann in Uniform.

Die durch die Veröffentlichung auf der Internetplattform ans Licht gekommenen Feldberichte schildern unter anderem auch die Brutalität, die in irakischen Gefängnissen herrschte. Oft ignorierten die US-Streitkräfte die Barbarei.

Bagdad sagt Aufklärung zu

In irakischen Gefängnissen soll es zu schweren Misshandlungen - bis hin zu Vergewaltigungen und Mord - durch einheimische Polizisten und Soldaten gekommen sein.

In irakischen Gefängnissen soll es zu schweren Misshandlungen - bis hin zu Vergewaltigungen und Mord - durch einheimische Polizisten und Soldaten gekommen sein.

(Foto: REUTERS)

Die Regierung in Bagdad kündigte die entschlossene Aufklärung der Misshandlungsvorwürfe an. Gleichzeitig kritisierte Ministerpräsident Nuri al-Maliki den Zeitpunkt der Veröffentlichung. Sein Büro sprach am Samstag angesichts der laufenden Regierungsbildung von einem verdächtigen Vorgang.

"Wenn es um die Rechte unserer Bürger geht, wird die Regierung keine Nachsicht zeigen", hieß es in einer Erklärung Al-Malikis. Darin wird namentlich nicht genannten Medien vorgeworfen, die Dokumente zu einem Angriff auf die scheidende, von Schiiten geführte Regierung nutzen zu wollen. Sieben Monate nach der Wahl laufen im Irak weiter Koalitionsverhandlungen. Al-Maliki kämpft dabei um eine weitere Amtszeit.

Zuvor hatte schon Iraks Innenminister Dschawad al-Bolani erklärt, ein Ausschuss werde sich mit den Vorwürfen beschäftigen. "Von dem was ich gehört habe, sind einige dieser Berichte alt", sagte er jedoch. Im Innenministerium waren zum Höhepunkt der Gewalt 2006-2007 tausende Beamte entlassen worden. Hintergrund waren Enthüllungen über Misshandlungen von Sunniten in irakischen Geheimgefängnissen. Das Innenministerium war zu dieser Zeit von schiitischen Milizionären unterwandert, die Todesschwadronen bildeten und Jagd auf die früher herrschenden Sunniten machten.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hatte zuvor die irakische Regierung aufgefordert, Berichte über die systematische Folter von Häftlingen durch irakische Sicherheitskräfte zu prüfen. Auch die USA müssten prüfen, ob die US-Armee internationales Recht gebrochen habe, indem tausende Häftlinge an die irakischen Behörden übergeben worden seien, obwohl das Risiko der Folter bestanden habe, forderte Human Rights Watch.

Clegg fordert Aufklärung

US-Generalstabschef Mike Mullen übte scharfe Kritik an WikiLeaks. Diese "unverantwortliche Veröffentlichung gestohlener geheimer Dokumente gefährdet Leben und gibt Feinden wertvolle Informationen", schrieb Mullen in einer über das Kurznachrichtenportal Twitter verbreiteten Nachricht. Zuvor hatten bereits Pentagon-Sprecher Geoff Morrell und US-Außenministerin Hillary Clinton die Veröffentlichung der fast 400.000 Dokumente im Internet heftig kritisiert.

Nach Ansicht des stellvertretenden britischen Premierministers Nick Clegg dürfen die Enthüllungen nicht ignoriert werden. Das auch Mitgliedern der britischen Armee vorgeworfene Fehlverhalten, darunter Mord, Vergewaltigung und Folter, müsse ordentlich untersucht werden, sagte der Liberaldemokrat. Das Verteidigungsministerium in London hatte die Veröffentlichung zuvor verurteilt. Clegg galt vor seinem Eintritt in die Regierungskoalition des konservativen Premierministers David Cameron als erklärter Gegner einer britischen Beteiligung am Irak-Krieg.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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