Terror aus Schwäche Somalische Schabaab ändern Taktik
10.05.2014, 14:05 Uhr
Gefangengenommene Schabaab-Milizionäre in Mogadischu. Die Organisation wird von der Armee immer mehr zurückgedrängt.
(Foto: dpa)
Die islamistische Al-Schabaab-Miliz verliert Boden in ihrer Heimat Somalia. Doch anstatt vor der Übermacht von Armee und Friedenstruppen aufzugeben, verlegt sie sich auf Einschüchterung und Terrorismus - und sieht sich im globalen Dschihad.

Anschlag in Mogadischu: Anfang Mai sterben bei einem Bombenattentat sechs Menschen. Auf dem Boden liegt ein verletzter Mann.
(Foto: REUTERS)
Fast ein Jahrzehnt dauert der Konflikt in Somalia: Die Regierung und die Streitkräfte der Afrikanischen Union machen nun zusehends Boden gegen die radikalislamische Miliz Al-Schabaab gut. Vom Aufgeben ist die Gruppe aber weit entfernt. "Unsere Krieger werden den Feind bekämpfen, bis unser letztes Blut vergossen ist", sagt ein Mitglied der Deutschen Presse-Agentur am Telefon.
Die Milizen, deren Name auf Arabisch schlicht "Die Jugend" bedeutet, schockierten im vergangenen September die Welt mit ihren Angriff auf ein Einkaufszentrum im kenianischen Nairobi, bei dem fast 70 Menschen getötet wurden. 2009 und 2010 hatten sie große Teile Somalias und der Hauptstadt Mogadischu unter ihrer Kontrolle. Im Folgejahr aber verdrängte sie eine Offensive der neuen Regierung aus wichtigen Städten.
Zum Leben unter Al-Schabaab gezwungen
Die Schabaab verfügen schätzungsweise über 5000 Kämpfer - sie stehen mindestens 8000 somalischen Soldaten und 24.000 Friedenstruppen der Afrikanischen Union gegenüber. "Al-Schabaab wird spürbar schwächer", sagt der Kommandeur der somalischen Armee, Dahir Aden. Aufs Land verdrängt, entwickelt die Terrorgruppe neue Taktiken - wie jene, die Einwohner zu nötigen, die von der Regierung zurückeroberten Städte zu verlassen. "Wir haben den Anwohnern gesagt, sie sollen nicht unterm Feind leben", sagt der Al-Schabaab-Kämpfer, der seinen Namen nicht nennen möchte. Die Gruppe schneidet den Orten die Versorgungszugänge ab und zerstört oder vergiftet Wasserlöcher, um den Druck zu erhöhen. "Al-Schabaab will die Menschen als Schutzschild benutzen", sagt Kommandeur Aden.
Guure Ahmed verließ seine Heimat Bulabarde . Der vierfache Vater zog ins 40 Kilometer entfernte Halgan, das fest in Schabaab-Hand ist. Das Leben im Ort sei einfach unmöglich geworden, sagt er. Die Anwohner hätten Läden, Schulen und Moscheen geschlossen und seien weggezogen. Sie vertrauten nicht darauf, dass die Regierungstruppen den Frieden sichern könnten. In Halgan lebten sie isoliert jenseits der Regierungskontrolle. "Die Preise für Essen, Wasser und andere lebenswichtige Sachen steigen jeden Tag", sagt Ahmed.
Am Anfang waren die Islamisten beliebt
Al-Schabaab entstand als radikaler Ableger der "Union Islamischer Gerichte", die 2006 gegen die somalische Übergangsregierung um die Macht im Land kämpfte, nachdem Somalia zuvor zwei Jahrzehnte lang im Bürgerkriegs-Chaos versunken war. Sie galt während der Militärintervention Äthiopiens gegen Islamisten in Südsomalia 2007 bis 2008 als nationalistische Bewegung, erklärt der Leiter des Heritage Institute for Policy Studies in Mogadischu, Abdi Aynte. Zudem erfreute sich die Gruppe wachsender Beliebtheit, als sie in den von ihr kontrollierten Gegenden für Recht und Gesetz statt Chaos sorgte.
Die Miliz verbietet alle Formen westlicher Kultur wie etwa Popmusik - seit diesem Jahr auch das Internet. Zudem wendet sie archaische Strafen an wie das Handabhacken bei Dieben oder die Steinigung angeblicher Ehebrecherinnen. Aber sie half auch den einheimischen Bauern, indem sie Lebensmittel-Importe verbot und kleinere Entwicklungsprojekte wie das Anlegen von Bohrlöchern oder den Wiederaufbau von Brücken startete, sagt Aynte. Einen Riss erhielt ihre Glaubwürdigkeit, als sie 2011 während der großen Dürre westliche Lebensmittelhilfen abwies und Sufi-Schreine niederbrannte.
Globale Mission
Interne Spaltungen und die Machtübernahme besonders Radikaler haben der Gruppe weiter zugesetzt. 2012 erklärten sie ihr Bündnis mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida. Dessen grausame Praktiken - wie das Köpfen von Christen oder die Hinrichtung von Rivalen - schrecken gemäßigtere somalische Islamisten ab. Unmut kommt auch darüber auf, dass die Miliz Steuern in Form von Geld oder Vieh von Clans und Firmen eintreibt.
Während Al-Schabaab den Kampf gegen die Regierung verliert, verlegt sie sich zunehmend auf Terror-Taktiken wie Selbstmordanschläge, Autobomben und gezielte Tötungen. Nach Meinung von Experten sieht sich die Gruppe zunehmend als dschihadistische Bewegung mit globaler Mission. Auch der Analyst Mohammed Scheich Mohammed ist sich sicher: "Al-Schabaab ist weit davon entfernt, besiegt zu sein. Sie wird weiter ihre Taktik ändern und ihre Angriffe auf die Nachbarländer ausweiten."
Quelle: ntv.de, Mohamed Odowa und Sinikka Tarvainen, dpa