"Torpediert Booster-Offensive" Spahns Biontech-Deckel verursacht Unmut
20.11.2021, 07:41 Uhr
Moderna können Ärzte unbegrenzt bestellen, Biontech dagegen wird in den kommenden Wochen eher Mangelware.
(Foto: REUTERS)
Mit bis zu 25 Millionen verabreichten Booster-Spritzen bis Weihnachten will die Bundesregierung die vierte Welle ausbremsen. Dass Gesundheitsminister Spahn jetzt die Bestellung von Biontech-Dosen für Ärzte begrenzt, finden Patientenschützer und Gesundheitspolitiker mehr als unglücklich.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorgeworfen, in der Corona-Krise das geplante Hochfahren der Auffrischungsimpfungen zu behindern. Hintergrund ist eine Ankündigung des Spahn-Ministeriums, dass die sogenannten Booster-Impfungen verstärkt mit dem Impfstoff von Moderna anstelle von Biontech vorgenommen werden sollen.
"Während die amtierende Bundeskanzlerin, die Regierungschefs der Länder und der Bundestag die große Booster-Offensive ausrufen, torpediert Jens Spahn das Vorhaben", sagte der Vorstand der Vereinigung, Eugen Brysch. "Denn offensichtlich gibt es nicht genügend frei wählbare Vakzine für die impfwilligen Menschen. Praktisch wird das Angebot ausgebremst."
Das Gesundheitsministerium hat als Ziel 20 bis 25 Millionen Auffrischungsimpfungen bis zum Ende des Jahres genannt. In einem Bericht des Ministeriums hatte es Mitte der Woche geheißen, dass angesichts des stark steigenden Bedarfs in den kommenden Wochen zusätzlich zum Präparat von Biontech auch wieder vermehrt Impfstoff von Moderna dafür eingesetzt werden solle.
Ärzte befürchten erhöhten Beratungsbedarf
Das Bundesgesundheitsministerium betonte am Freitag, dass bis Jahresende genug Impfstoff für solche Booster zur Verfügung stehe. Nachdem das Präparat von Biontech bisher mehr als 90 Prozent der Bestellungen ausmache, solle aber vermehrt Moderna eingesetzt werden. Dies solle sichern, dass kurzfristig ausreichend Impfstoff verfügbar ist. Zudem verfielen eingelagerte Moderna-Dosen ab Mitte des ersten Quartals 2022, was aber vermieden werden müsse.
Für Biontech sollen daher "Höchstbestellmengen" definiert werden, wie es in dem Schreiben heißt. Praxen sollen demnach vorerst maximal 30 Dosen pro Woche bestellen können, Impfzentren und mobile Impfteams 1020 Dosen. Betont wird: "Bestellungen für Moderna-Impfstoff werden keiner Höchstgrenze unterliegen und vollumfänglich beliefert."
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) erklärte nach der Ankündigung, in den Praxen sei wegen der Begrenzung bei Biontech-Bestellungen ab 23. November nun mit deutlich erhöhtem Beratungsbedarf zu rechnen. Beide Impfstoffe seien nach vorliegenden Studiendaten und laut der Ständigen Impfkommission (STIKO) gleichwertig. "Trotzdem wird es hohen Erklärungsbedarf geben, der wertvolle Zeit bindet, die für das Impfen dann fehlt", sagte KBV-Vize Stephan Hofmeister.
Holetschek: "Das muss besprochen und gelöst werden"
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen schrieb am Abend bei Twitter zu dem Vorhaben: "Das sollten wir nicht tun! Wir brauchen alles andere als eine Handbremse beim Impfen. Gerade für junge Menschen ist der Biontech-Impfstoff besonders gut verträglich. Auch die Wahl zwischen verschiedenen Vakzinen spielt bei der Entscheidung für die wichtige Erstimpfung eine Rolle."
FDP-Fraktionsvize Michael Theurer erklärte: "Das muss ein schlechter Scherz sein." Es brauche massenhaft Impfungen, um kurzfristig die Boosterwirkung sicherzustellen und die Impfquote zu erhöhen. "Hier jetzt Höchstmengen zu definieren, ist absolut kontraproduktiv und setzt ein völlig falsches Signal. Alles was verimpft werden kann, muss verimpft werden."
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek protestiert gegen die Begrenzung der Biontech-Auslieferungen. Das sei inakzeptabel, sagte der CSU-Politiker. Holetschek, der auch Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz der Länder ist, will dies nun auf die Tagesordnung der für Montag geplanten Beratungen setzen. "Das muss besprochen und gelöst werden."
Bund und Länder hätten gemeinsam festgelegt, dass es nun eine große, gemeinsame Kraftanstrengung beim Impfen brauche, sagte Holetschek. "Diese werden alle Bundesländer mit aller Kraft in Angriff nehmen." Erst- und Zweitimpfungen seien wichtig, besonders aber auch die Booster-Impfungen. Wenn man nun höre, dass der Biontech-Impfstoff eingeschränkt werden solle, sei das "absolut inakzeptabel und zerstört das notwendige Vertrauen, das die Bürgerinnen und Bürger in dieser hochdramatischen Lage in uns haben müssen". Nicht nur für die Impfzentren sei dies inakzeptabel, sondern vor allem auch für die Ärzteschaft, die darauf sämtliche Planungen ausgerichtet habe.
Quelle: ntv.de, jog/dpa