Politik

Parteitag der Grünen Spitze will auch mal siegen

Führende Grüne haben zum Auftakt des Parteitags in Nürnberg eindringlich für den Ausbau der rot-grünen Arbeitsmarktreformen zu einer Grundsicherung für Bedürftige geworben. Gleichzeitig warnten sie vor dem von Teilen der Grünen favorisierten Gegenkonzept eines Grundeinkommens für alle.

Scheitert der Vorstand mit seinem Antrag, wird erwartet, dass die Parteichefs Claudia Roth und Reinhard Bütikofer zurücktreten. Es wäre der dritte Parteitag in Folge mit Schlappen für das Duo. Im Gegensatz zum vergangenen Parteitag in Göttingen, als dem Afghanistan-Kurs der Führung eine Absage erteilt wurde, wird der Leitantrag der Parteispitze jetzt allerdings vom gesamten Bundesvorstand vertreten.

Während der Vorstand für die Erhöhung des Hartz-IV-Satzes auf 420 Euro eintritt, verlangen die Gegner ein Grundeinkommen ohne Bedarfsprüfung für alle. Über den Finanzbedarf für das Grundeinkommen kursieren unterschiedliche Versionen.

Zu den vorliegenden Sozial-Anträgen erklärte Roth vor den Delegierten des Parteitags, wichtige Gedanken des Grundeinkommens für alle seien in das Vorstandspapier einbezogen. Ein solcher Satz steht auch im Antrag des Bundesvorstands. Der Deutschen Presse-Agentur hatte Roth jedoch gesagt, sie sehe kaum Kompromisschancen. Dazu seien die aktuell diskutierten Konzepte zu unterschiedlich.

"Grünes Grundeinkommen"

Der wichtigste Gegenentwurf zum Leitantrag des Bundesvorstands kommt vom Landesverband Baden-Württemberg, traditionell Hochburg der "Realos" und pikanterweise politische Heimat von Bütikofer und Fraktionschef Fritz Kuhn. Die Baden-Württemberger fordern ein "grünes Grundeinkommen" und damit einen radikalen Bruch mit dem traditionellen Sozialstaat. Ähnliche Konzepte werden auch in anderen Parteien diskutiert. In der CDU fordert Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus ein "solidarisches Bürgergeld".

Sollte der Parteitag ein Grundeinkommen beschließen, wären die Grünen die erste Partei, die sich ein solches Konzept offiziell auf die Fahnen schreibt. Dass es dazu kommt, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Beobachter gehen davon aus, dass der Antrag des Bundesvorstands "entschärft" wird und dann eine Mehrheit findet. Zum Antrag des Bundesvorstands liegen zahlreiche, aufeinander abgestimmte Änderungsanträge vor.

"Mütchen nicht an der falschen Stelle kühlen"

Bütikofer zeigte sich optimistisch: "In Nürnberg werden wir es besser machen" als in Göttingen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warnte vor einer Wahlschlappe für die Parteiführung. Eine Niederlage "schwächt die Grünen insgesamt", sagte sie und fügte hinzu: "Das wissen die Delegierten. Sie werden ihr Mütchen nicht an der falschen Stelle kühlen."

Pachauri lobt die Grünen als Vorbild

Bevor dieser Streit am Samstag entschieden wird, debattierten die Grünen am Freitagabend über einen radikaleren Klimaschutz. Redner wie der Bremer Umweltsenator Reinhard Loske riefen zur energischen Eindämmung der bereits heute unvermeidbaren Erderwärmung auf. Sie beklagten, dass neue Kohlekraftwerke geplant und statt 40 Prozent CO2-Reduktion bis 2020 nur 30 Prozent erreicht würden.

Der Präsident des Weltklimarats, Rajendra Pachauri, würdigte die Grünen in einer Videobotschaft. Weltweit seien Parteien und Organisationen wie die Grünen notwendig, weil sie nicht nur die Klimakatastrophe beklagten, sondern Lösungen für einen effektiven Klimaschutz anböten, sagte der indische Friedensnobelpreisträger.

Metzger-Rücktritt erwartet

Die Kritik des baden-württembergischen Finanzpolitikers Oswald Metzger an der angestrebten Hartz-IV-Erhöhung wies Bütikofer zurück. Der Landtagsabgeordnete kündigte im Südwestrundfunk an, er werde seinen Verbleib bei den Grünen vom Verlauf des Parteitags abhängig machen und seinen Entschluss am Dienstag verkünden. Eine deutlich höhere Grundsicherung hält Metzger für unrealistisch, ein Grundeinkommen ohne Prüfung des Bedarfs für völlig realitätsfern. Künast sagte der "Thüringer Allgemeinen": "Wenn er gehen will, soll er das tun, und nicht den Parteitag als seine Showbühne missbrauchen."

Unter dem Beifall der Delegierten forderte Parteichefin Roth eine Entschuldigung von Metzger für seine verunglimpfenden Äußerungen über Sozialhilfeempfänger. "Metzger muss sich schämen, und da ist eine richtige Entschuldigung fällig", sagte sie dem "Spiegel". Metzger hatte gesagt, viele Sozialhilfeempfänger würden ihren Lebenssinn darin sehen, "Kohlenhydrate oder Alkohol in sich hineinzustopfen".

Palmer will Führungskrise klären

Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer rief zur raschen Klärung der Führungskrise auf: "Wir müssen schleunigst über die Spitzenkandidatur entscheiden", sagte er der "Berliner Zeitung". Er sei dafür, dies mit Hilfe einer Urabstimmung zu tun - die Basis müsse entscheiden, wer am besten geeignet sei. Kandidaten seien die Partei- und Fraktionsvorsitzenden sowie der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Von einer Doppelspitze riet Palmer ab - sie sei in einer zugespitzten Wahlkampfsituation "nicht ideal".

Palmer warb für 2009 für ein schwarz-grünes Bündnis und zeigte sich überzeugt, dass die Grünen-Basis dies absegnen würde, wenn der Koalitionsvertrag inhaltlich überzeugend sei. Allerdings müsse die Union zuvor Ernst mit ihrer Klimaschutz-Politik machen. In der Sozialpolitik unterstützt der Tübinger OB im Grundsatz den Antrag des Bundesvorstandes für eine Grundsicherung. Allerdings befürwortet Palmer das Grundeinkommen "als Perspektive für den Umbau unseres Sozialstaates", wie er im Deutschlandradio sagte.

Quelle: ntv.de

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