Politik

"Heuchler" und "linke Schickeria" Steinbach sieht CDU zu weit links

Erika Steinbach und Horst Seehofer beim "Tag der Heimat" in Berlin.

Erika Steinbach und Horst Seehofer beim "Tag der Heimat" in Berlin.

(Foto: dapd)

Die Vertriebenen-Funktionärin und Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach gewährt Einblicke in ihre Sicht der Dinge. Die Merkel-CDU: nicht konservativ genug. Deutschland: von Heuchlern und einer linken Schickeria dominiert. Sie selbst: zunehmend isoliert. Die Hoffnung: eine neue, wirklich konservative Partei.

Die CDU-Politikerin und Vertriebenen-Chefin Erika Steinbach hält die Gründung einer neuen konservativen Partei neben der Union für möglich. Jemand, der sich "mit etwas Charisma und Ausstrahlung auf den Weg begeben würde, eine neue, wirklich konservative Partei zu gründen", könne die Fünf-Prozent-Hürde "spielend überspringen", sagte Steinbach der "Welt am Sonntag".

Auf die Frage, ob sie selbst die Gründung einer konservativen Partei anstrebe, sagte Steinbach: "Ich bin Mitglied der CDU. Und ich versuche meine Parteifreunde davon zu überzeugen, dass ein politischer Kurswechsel nicht verkehrt wäre".

"Ton der linken Schickeria"

CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel warf Steinbach vor, die Partei auf einen strategisch falschen Weg geführt zu haben. Konservative Werte würden nach außen verschleiert, verbrämt und nicht ausgesprochen. Mit Blick auf die Reaktionen aus der Union auf Thilo Sarrazin sagte sie: "Wir können uns als Konservative doch nicht den Ton der linken Schickeria zu eigen machen."

Erika Steinbach, seit 1990 Mitglied des Bundestags, ...

Erika Steinbach, seit 1990 Mitglied des Bundestags, ...

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen hatte nach dem Eklat über ihre Äußerungen zum Zweiten Weltkrieg am Donnerstag erklärt, sich aus der CDU-Spitze zurückziehen zu wollen. Dort stehe sie für das Konservative, sagte sie zu dem Schritt, "aber ich stehe immer mehr allein". Steinbach hatte während einer CDU/CSU-Fraktionsklausur gesagt, sie könne es "leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat".

Seehofer warnt vor neuer Partei

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der beim "Tag der Heimat" des Bundes der Vertriebenen als Gastredner auftrat, warnte vor dem Entstehen einer Partei rechts von CDU und CSU.

Beide Parteien müssten die Ängste und Sorgen der Menschen etwa bei der Integration ernst nehmen und die Probleme lösen, sagte Seehofer. Das sei die beste Prävention gegen politischen Radikalismus. "Wir verhindern nicht eine Partei rechts von uns, indem wir mit Parolen auftreten, das wollen wir nicht", so Seehofer.

"Krötentunnel, Lichterketten oder Aids-Galas"

Steinbach beklagte bei der Veranstaltung mangelnde Unterstützung für die Vertriebenen. "Nichts machen wir uns in Deutschland leicht", schon gar nicht "ein dauerhaftes Gedenken an das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen". Unproblematisch seien nur "Krötentunnel, Lichterketten oder Aids-Galas", so Steinbach in ihrer Rede. Hier wollten fast alle dabei sein, "und sei es in tiefer Heuchelei".

... seit 1994 Mitglied des Bundes der Vertriebenen.

... seit 1994 Mitglied des Bundes der Vertriebenen.

(Foto: dpa)

Erneut verteidigte Steinbach die BdV-Funktionäre Arnold Tölg und Hartmut Saenger, die mit Äußerungen über die Rolle Polens vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs den Eklat im Fraktionsvorstand der Union ins Rollen gebracht hatten. Äußerungen von Tölg und Saenger würden zum Anlass genommen, "diesen beiden und dem Bund der Vertriebenen insgesamt ein revisionistisches Geschichtsbild zu unterstellen und ihnen den Willen zur Versöhnung abzusprechen", sagte sie. Diese "konzertierte Aktion" sei "so durchschaubar wie untauglich".

Der Eklat

Steinbach selbst hatte vor einigen Tagen mit Äußerungen zum Beginn des Zweiten Weltkriegs für einen Eklat gesorgt. Sie sagte während einer CDU/CSU-Fraktionsklausur, sie könne es "leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hat". Dies war von Kritikern als Relativierung der deutschen Kriegsschuld gedeutet worden, auch wenn Steinbach selbst betonte, dies sei nicht ihre Absicht. (Lesen Sie hier: Hat Steinbach recht?)

Steinbach sagte bei der BdV-Veranstaltung zum "Tag der Heimat" in Berlin: "Jeder im Land hier weiß, wer den Zweiten Weltkrieg begonnen hat. Hitler hat die Büchse der Pandora geöffnet." Allerdings dürfe auch keine Barbarei durch eine andere gerechtfertigt werden, sagte sie mit Blick auf die Vertreibung. "Menschenrecht mit zweierlei Maß zu messen ist paradox an sich."

"Immer auch die Partei der Vertriebenen"

Der CSU-Politiker Norbert Geis warnte die Union vor einer Abkehr von den Vertriebenen. "Es wäre gut, wenn diese starke Gruppierung in der Spitze der Partei repräsentiert wäre", sagte er der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung". "Die Union war immer auch die Partei der Vertriebenen, das ist nach wie vor eine wichtige Gruppe in der Bevölkerung." Er bedauere daher Steinbachs Rückzug aus dem CDU-Bundesvorstand. Geis forderte: "Das konservative Element in der CDU muss zum Tragen kommen."

Geis sagte weiter, die großen Volksparteien müssten die Sorgen der Bevölkerung hinsichtlich der Integrationsprobleme mit muslimischen Migranten ernst nehmen. "Denn diese Sorgen werden sich mit dem Abgang von Thilo Sarrazin nicht in Luft auflösen." Unbequeme Diskussion in den eigenen Reihen dürften von den Volksparteien nicht abgewürgt werden. "Sie dürfen sie auf gar keinen Fall radikalen Parteien überlassen", sagte Geis.

Auch Wolfgang Bosbach äußerte sich besorgt, dass die Union ihr konservatives Profil zunehmend verlieren könnte. "Wir müssen verhindern, dass sich immer mehr Konservative in der Union heimatlos fühlen", sagte der CDU-Innenpolitiker dem "Hamburger Abendblatt". Konservative müssten stärker selbst Themen setzen und inhaltlich Position beziehen. Die Gefahr einer neuen Partei rechts von der Union gebe es aber nicht: "Dafür fehlen einfach die politischen Persönlichkeiten, die zum einen genügend Vertrauen genießen und zum anderen ausreichend politische Erfahrung mitbringen."

Seehofer steht hinter Steinbach

CSU-Chef Seehofer stellte beim "Tag der Heimat" hinter den BdV. "Sie sind aufrechte Demokratinnen und Demokraten und keine Revanchisten", sagte er. "Sie stehen auf dem Boden unserer Wirtschafts- und Werteordnung, Sie stehen auf dem Boden des Grundgesetzes."

Seehofer würdigte auch die Leistungen der Vertriebenen beim Aufbau von CDU und CSU. Er versicherte ihnen seine volle Solidarität als Regierungschef in Bayern. "Solange ich Ministerpräsident bin, werden wir als Bayern an der Seite der Heimatvertriebenen stehen." Die SPD hatte Seehofer zuvor aufgefordert, sich klar von Steinbach zu distanzieren.

Quelle: ntv.de, mli/hvo/AFP/dpa/rts

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