Politik

Rechter Kandidat, linker Schattenminister Steinbrück holt Gewerkschafter ins Boot

IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel soll bei Steinbrück fürs Soziale stehen.

IG-Bau-Chef Klaus Wiesehügel soll bei Steinbrück fürs Soziale stehen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Strategie der SPD und ihres Kanzlerkandidaten Steinbrück ist klar: Ein vermeintlich rechter Kandidat soll mit linkem Programm im Herbst so viele Stimmen fangen wie nur möglich, um den gehörigen Abstand zur Union aufzuholen. Helfen soll dabei auch eine neue Annäherung an die Gewerkschaften.

Es ist einmal wieder ein deutliches Zeichen nach links. Peer Steinbrück, eher rechter Kandidat der SPD für den Posten des Kanzlers, ist seit Antritt als sozialdemokratischer Hoffnungsträger um Nähe zum ebenso starken wie mit ihm fremdelnden linken Flügel seiner Partei bemüht. Das Programm mit dem er antritt, enthält viele Zugeständnisse an diese Klientel. Wichtig, um die Reihen zu schließen, war vor allem die schleichende Distanzierung von der Agenda-2010-Politik aus der Regierungszeit Gerhard Schröders ebenso wie das Vorhaben, die Rente mit 67 auszusetzen.

In diese Richtung geht auch eine nun bekannt gewordene Personalie: Im Schattenkabinett Steinbrücks soll Klaus Wiesehügel den Bereich Arbeit und Soziales übernehmen. Das SPD-Mitglied haderte während Rot-Grün massiv mit seiner Partei, zählte als Abgeordneter zwischen 1998 und 2002 zu den schärfsten Kritikern der Arbeitsmarktreformen.  

Seit 1995 steht Wiesehügel der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt - kurz IG Bau - vor. In dieser Funktion wurde er 2002 als Gewerkschaftsvertreter in die Rürup-Kommission berufen. Das Gremium sollte Vorschläge für die Reform der sozialen Sicherungssysteme machen. Einer der beschlossenen Einschnitte: die Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 67. Wiesehügel trug diese Entscheidung nicht mit und gab ein Minderheitsvotum ab. Auch in der Folge bekämpfte die IG Bau unter seiner Führung die Rente ab 67 heftiger als alle anderen DGB-Mitglieder.

Vollbärtiger Ruhrgebietsmalocher

Ein notorischer Quertreiber also? Immerhin ist der Betonbauer seit 1973 Mitglied der SPD, hätte als Fraktionsmitglied eine gewisse Verpflichtung zur Gefolgschaft gehabt. Und schließlich ist die Regierung Schröder in letzter Instanz an der Zerrissenheit, wie sie die Person Wiesehügel symbolisiert, zugrunde gegangen. Doch Wiesehügel war nicht der einzige in der SPD, der damals an der Agenda-Politik schier verzweifelte. Symbolisch wichtig ist: Auch wenn sich die SPD in Wiesehügels Augen noch so weit von ihren Idealen entfernte, von den Verlockungen der damals neuen Linkspartei hielt er sich fern.

Dass Steinbrück nun diesen Mann rekrutieren konnte, könnte ein Trumpf sein. Denn mitentscheidend für einen möglichen Erfolg im Herbst wird es sein, ob der Ex-Finanzminister nach Jahren der Zurückhaltung wieder die Gewerkschaften hinter der SPD vereinen kann. Das Programm von Augsburg war dabei ein wichtiger Schritt, DGB-Chef Michael Sommer ist voll des Lobes. Dieser neue Gewerkschaftsflirt der SPD schlägt sich nun auch im Schattenkabinett nieder. Und einen typischeren Arbeitnehmervertreter als Klaus Wiesehügel hätten sich die Wahlkampfstrategen im Willy-Brandt-Haus kaum ausmalen können, als den Ruhrgebietsmalocher mit Vollbart und dem symbolträchtigen Geburtsdatum: dem 1. Mai 1953, dem Tag der Arbeit.

Quelle: ntv.de

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