Wer steckt hinter dem Peerblog? Steinbrücks neues Problem
06.02.2013, 09:20 Uhr
In der aktuellen Forsa-Umfrage liegt die SPD bei 25 Prozent. Kann Steinbrück das Rennen noch für sich entscheiden?
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Neustart scheint geglückt. Die SPD gewinnt in Niedersachsen, die Skandale um Rainer Brüderle und Annette Schavan beschäftigen die Nation. Peer Steinbrück scheint rehabilitiert. Doch jetzt gibt es neuen Ärger. Auslöser ist diesmal ein "unabhängiger" Internetblog für den SPD-Kanzlerkandidaten.
Die Kritik-Karawane ist vorerst weitergezogen. Zunächst zu FDP-Spitzenmann Rainer Brüderle, anschließend zu Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Seit dem rot-grünen Wahlsieg in Niedersachsen ist Peer Steinbrück vorerst aus der Schusslinie. Nach den Debatten um seine Nebeneinkünfte und seinen Äußerungen zum Kanzlergehalt hat er offenbar verstanden, dass die Worte desjenigen, der Bundeskanzler werden will, eine andere Resonanz haben. Der SPD-Kanzlerkandidat ist vorsichtiger geworden, aber auch entspannter.
Doch nun muss Steinbrück, der in diesen Tagen verschiedene Politiker im Ausland trifft, eine ganz neue Erfahrung machen. Angenehm ist sie nicht: Denn manchmal muss man selbst offenbar gar nichts sagen, um für den nächsten Ärger zu sorgen. Hintergrund ist ein Internetblog, mit dem mehrere Unternehmer den Kanzlerkandidaten bis zur Bundestagswahl unterstützen wollen. Peerblog.de war am Wochenende und nach der Zustimmung Steinbrücks ins Netz gestellt worden.
Eine fünfköpfige Redaktion unter Führung des früheren "Focus"-Redakteurs Karl-Heinz Steinkühler liefert die Texte. Der Blog selbst sieht seine Vorbilder in den USA, wo Unternehmer für Kandidaten Millionen spenden. Laut Steinkühler soll die Webseite die öffentliche Wahrnehmung des Kandidaten positiv verändern, aber unabhängig vom SPD-Wahlkampfteam operieren. Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) erklärte Steinkühler, es gebe "auf keiner Ebene eine Zusammenarbeit mit dem Willy-Brandt-Haus". Keine Informationen, keine Fotos, kein Geld.
Anonyme Sponsoren
Doch die Internetseite ist noch nicht mal eine Woche online, da gibt es schon Probleme. Dass die sechsstelligen Kosten des Blogs von fünf Unternehmern getragen werden, die vorerst anonym bleiben wollen, sorgt für Kritik. Aus ungewohnter Richtung. Denn ausgerechnet die Grünen, mit denen die SPD im Herbst die schwarz-gelbe Bundesregierung ablösen will, wagen sich nun aus der Deckung.
Steinbrück müsse die Unterstützer der Webseite nennen, sagte der Grünen-Netzexperte Konstantin von Notz "Handelsblatt Online". "Den Mangel an Transparenz bei der Finanzierung des Projekts Peerblog sehe ich kritisch", sagte von Notz. Wenn es sich tatsächlich um einen sechsstelligen Betrag handele, den das Blog koste, sei das eine "ganz erhebliche Einflussnahme" auf den Wahlkampf.
Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck plädierte dafür, die Regeln zur Parteienfinanzierung zu verschärfen, um mehr Transparenz beim Sponsoring und bei Spenden für Parteien zu erreichen. Seine Fraktion habe ein "Transparenzgesetz" in den Bundestag eingebracht, das die schwarz-gelbe Koalition aber "pauschal abgelehnt" habe, sagte Beck dem "Handelsblatt ". Transparenzregeln seien nicht nur für Steinbrücks Blog, sondern etwa auch für Parallelveranstaltungen wie die Wählerinitiative für Bundestagspräsident Norbert Lammert erforderlich, sagte Beck.
"Nichts Anrüchiges"
Inzwischen untersucht sogar die Bundestagsverwaltung, ob es sich bei dem Internetportal um eine verdeckte Form der Parteienfinanzierung handelt. Sollte die Verwaltung den Verdacht bejahen, müsste Bundestagspräsident Norbert Lammert über mögliche Sanktionen entscheiden. Parteispenden müssen in Deutschland ab einem Betrag von 10.000 Euro im Rechenschaftsbericht der Parteien veröffentlicht werden. Für die Unterstützer des Blogs gilt diese Regel nicht - so lange die Unabhängigkeit gewahrt bleibt.
Die neue Debatte um seine Person erreichte Steinbrück schnell."Ich kenne die Investoren nicht", sagte er "Spiegel Online". Er kenne Steinkühler und einige der Autoren des Blogs, aber nicht die Financiers. "Ich kann daran nicht ansatzweise etwas Anrüchiges erkennen." Steinkühler erklärte gegenüber der SZ, er könne die Namen der Unternehmer nicht nennen. "Sie unterliegen dem Geschäftsgeheimnis zwischen Agentur und Auftraggebern." Das sei "in allen meinen Kundenbeziehungen so".
Auch auf der Facebook-Seite des Blogs ist die Debatte um die Finanzierung der Webseite längst entbrannt. "Die Anonymisierung der zahlungskräftigen Spender hat angesichts der steinbrückschen Nebeneinkunftsjonglage ein Geschmäckle", schreibt ein Nutzer. Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim ist der Ansicht, dass Steinbrück die Namen der Unterstützer des Blogs dennoch nennen müsse: "Es besteht ein großer politischer Druck. Es gibt ein hohes öffentliches Interesse, zu erfahren, wer die Geldgeber sind", sagte Arnim der "Rhein-Zeitung".
"Theobald Tiger" ist zurück
Steinbrück steckt auch aus einem anderen Grund in einem neuen Dilemma. Denn es gibt einen Zusammenhang zwischen dem umstritten Internetblog und der 20-seitigen Liste, die der SPD-Politiker zu seinen Nebeneinkünften veröffentlich hatte. Unter den 83 Vorträgen findet sich hier auch eine Veranstaltung, die auf den 15. November 2010 datiert ist. Damals nahm Steinbrück für ein Honorar von 15.000 Euro am "MainGespräch" der Société Générale in Frankfurt teil. Auftraggeber war eine Agentur aus Düsseldorf. Ihr Inhaber heißt: Karl-Heinz Steinkühler.
Auch die Transparenzorganisation abgeordentenwatch.de kritisiert die Verbindung zwischen dem SPD-Kanzlerkandidaten und dem früheren "Focus"-Journalisten. Steinkühler habe in der Vergangenheit mit einem schnellen Zugang zu politischen Entscheidungsträgern und der Positionierung von Unternehmern und Vorständen in Ministerien geworben. "Es besteht der Verdacht, dass eine PR-Agentur einen Spitzenkandidaten unterstützt, um später einen privilegierten Zugang ins Kanzleramt zu haben", sagt Martin Reyher, Sprecher von abgeordnetenwatch.de, "solche Kontakte sind interessant für Kunden aus der Privatwirtschaft".
Steinkühler ist kein unbeschriebenes Blatt. So soll er unter dem Pseudonym "Theobald Tiger" 2010 zu den Autoren gehört haben, die in dem Enthüllungsblog "Wir in NRW" maßgeblich zum Sturz des damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und damit zum Wahlsieg von Rot-Grün beigetragen hatten. Anschließend gründete Steinkühler eine Kommunikationsagentur, die zwischen 2010 und 2012 Aufträge für Broschüren und andere Öffentlichkeitsinitiativen im Wert von 300.000 Euro erhielt. Auftraggeber: das Familienministerium der rot-grünen Landesregierung.
Quelle: ntv.de