Bundestag stimmt über EFSF ab Steinmeier greift Merkel an
24.10.2011, 22:55 Uhr
Steinmeier greift Merkel an.
(Foto: dapd)
SPD-Fraktionschef Steinmeier kritisiert das Krisenmanagement der Bundesregierung in der Euro-Krise scharf. Die Politik der kleinen Schritte zahle sich nicht aus, so Steinmeier. "Das hat manche Krisenlösung teurer gemacht." Die Opposition lässt zudem offen, wie sie im Bundestag über die Ausgestaltung des Euro-Rettungsschirms EFSF stimmt.
Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel will für den entscheidenden EU-Gipfel zur Euro-Rettung nun doch ein Mandat des gesamten Bundestages. Wie nach einer Unterrichtung der Partei- und Fraktionsvorsitzenden durch Merkel bekannt wurde, soll das Parlament an diesem Mittwoch erneut über die Ausgestaltung des Rettungsschirms EFSF abstimmen. SPD, Grüne und Linke ließen ihr Abstimmungsverhalten zunächst offen. Die Sozialdemokraten pochten darauf, dass Merkel eine Kanzlermehrheit erreichen müsse.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier bezeichnete das Euro-Krisenmanagement der Bundesregierung als "gescheitert". In der ARD sagte er, die bisherige Politik der kleinen Schritte zahle sich nicht aus. Denn diese bedeute, dass die Politik "der Entwicklung auf den Märkten hinterherrennt". Dies zahle sich nicht aus. "Das hat manche Krisenlösung teurer gemacht, als sie hätte sein müssen", sagte Steinmeier.
SPD-Parteichef Sigmar Gabriel griff derweil die europäischen Staats- und Regierungschefs wegen ihres Krisenmanagements an: Sie hätten zu lange gebraucht, um Wege aus der Krise zu finden, sagte er dem NDR. "Jetzt haben wir keine Wahl mehr zwischen guten und schlechten Lösungen, sondern nur noch zwischen schlechten und ganz schlechten Lösungen."
SPD-Haushaltspolitiker Carsten Schneider sagte dem "Tagesspiegel": "Für eine Hebelung des Volumens muss Frau Merkel (...) eine eigene Kanzlermehrheit auf die Waage bringen. Andernfalls ist sie politisch gescheitert." Beim ersten Durchgang im Parlament Ende September hatten SPD und Grüne schon vorher ihre Zustimmung zugesichert.
Zwei Optionen auf dem EU-Gipfel
Eine deutliche Stärkung des EFSF soll derweil mittels einer Teilabsicherung von neuen Anleihen aus Risikoländern und/oder durch einen Kredit-Sondertopf unter Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds (IWF) gelingen. Das geht aus einem Entwurf für Leitlinien hervor, die dem Bundestag aus Brüssel übermittelt wurden. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte nach der Unterrichtung bei Merkel, es werde eine Hebelung des EFSF geben, die "jenseits einer Billion Euro" liegen dürfte.

Auch bei der Occupy-Frankfurt-Bewegung wurde gegen die Ausheblung der demokratischen Kontrolle protestiert.
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Zur Abstimmung im Bundestag sagte Steinmeier, erst die Befassung durch das gesamte Plenum eröffne eine "Chance auf eine breite Mehrheit im Bundestag". Für die SPD gelte, dass das deutsche Risiko den 211-Milliarden-Euro-Anteil an den EFSF-Garantien nicht übersteigen dürfe. Die Koalition hatte zunächst nicht den gesamten Bundestag über das Paket abstimmen lassen wollen, sondern die Zustimmung des Haushaltsausschusses als ausreichend angesehen.
Die deutsche Parlamentsbeteiligung stößt bei europäischen Partnern allerdings auf Kritik. Unter anderem hatte Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker kritisiert, das Organisationstempo in Berlin sei langsamer als in anderen Hauptstädten. Der Bundestag könne nicht alles bis ins Detail vorher beschließen. Der EFSF-Fonds kann bis zu 440 Milliarden Euro Notkredite an Krisenländer vergeben. Die Euro-Länder sichern den Fonds mit Garantien von 780 Milliarden Euro ab.
Kauder: Garantierahmen bleibt unangetastet
Der Bundestag soll am Mittwoch nach der für 12.00 Uhr geplanten Regierungserklärung Merkels zur Euro-Rettung über die Eckpunkte zum EFSF entscheiden. Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagte, die öffentliche Diskussion über einen Hebel und seine Risiken sei so intensiv gewesen, dass die Plenumsbefassung angemessen sei. Er versichert, der Garantierahmen bleibe unangetastet. Trittin bekräftigte jedoch, die Risiken stiegen bei einer Hebelung.
Trittin sagte, Merkel habe einen Schuldenschnitt für Griechenland zwischen 50 und 60 Prozent angekündigt. Deutschlands Landes- und Förderbanken warnten vor einer Erhöhung des Schuldenschnitts ohne Weiterentwicklung des Euro-Raumes. Die europäischen Banken sollen laut Trittins Darstellung aus dem Gespräch bei Merkel mit einer besseren Kapitaldecke ausgestattet werden. Diese Rekapitalisierung umfasse in Europa etwa 100 Milliarden Euro, in Deutschland rund 5,5 Milliarden. Künftig solle eine Kapitalquote von neun Prozent gelten. Banken wären dann nicht mehr so "systemrelevant".
Im Dezember wird laut Trittin über zusätzliche Hilfen für Griechenland entschieden. Grüne wie SPD plädierten darüber hinaus erneut für eine Steuer auf Finanzgeschäfte. Steinmeier und Trittin bedauerten das Fehlen nennenswerter Fortschritte bei dem Thema.
FDP zieht rote Linien
Skeptisch äußerte sich CSU-Chef Horst Seehofer über einen Hebel. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte dazu, es sei "die erklärte Überzeugung der gesamten Bundesregierung", den EFSF optimal einzusetzen. Zudem sei klar, dass die deutsche Haftungsgrenze nicht ausgeweitet werden dürfe.
Die FDP beschloss derweil rote Linien für die künftige Euro-Rettung. Der Bundesvorstand verabschiedete einen Gegenantrag für den Mitgliederentscheid über den künftigen Euro-Schirm ESM, den die "Euro-Rebellen" in der Partei angestrengt haben. FDP-Chef Philipp Rösler sagte, die deutsche Haftungsobergrenze beim EFSF dürfe nicht erhöht werden: "Es muss bei 211 Milliarden Euro bleiben."
Die CDU forderte unterdessen eine tiefere europäische Integration hin zu einer "Politischen Union". In einem vom Vorstand beschlossenen Europa-Leitantrag für den CDU-Parteitag Mitte November tritt die CDU dazu für Vertragsänderungen ein.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP