Neue schwarze Liste geplant Steuerparadiese austrocknen
21.10.2008, 17:20 UhrDie OECD und die Europäische Union wollen die weltweite Finanzkrise nutzen, um Steuerparadiese auszutrocknen und das Bankgeheimnis für Steuerbetrüger zu knacken. Bis zum Sommer 2009 soll die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine neue schwarze Liste der "Sünderstaaten" erarbeiten.
Länder, die eine Zusammenarbeit verweigern, sollen bestraft werden. "Wir müssen nicht nur das Zuckerbrot benutzen, sondern auch die Peitsche", sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) nach einem Ministertreffen gegen Steuerflucht von 17 OECD-Staaten in Paris. Auch die EU-Kommission kündigte an, eine Verordnung über Zinserträge und Quellensteuern rasch zu überarbeiten.
Luxemburg signalisiert Zusammenarbeit
Steinbrück und Frankreichs Budgetminister Eric Woerth hatten die Konferenz gemeinsam geleitet. Beide bedauerten, dass Vertreter der Schweiz, Österreichs und Luxemburgs den Beratungen ferngeblieben waren. Er werde auch ohne Unterstützung "auf drei Ebenen" aktiv werden, sagte Steinbrück. "Ich werde die Finanzmarktaufsicht in diesem Bereich verbessern. Ich werde zweitens steuerrechtliche Maßnahmen ergreifen. Und ich werde drittens die Zusammenarbeit zwischen dem Zoll und der Finanzaufsicht verbessern."
Der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker hat unterdessen erstmals die Zusammenarbeit seines Landes bei Fragen des Bankgeheimnisses in Aussicht gestellt. "Die Vorstellung, dass das weltweite Finanzsystem geändert werden muss und sich in Luxemburg nichts tut, kann ich nicht teilen", sagte Juncker im luxemburgischen Parlament.
Luxemburg werde sein Bankgeheimnis nicht "morgen früh" aufgeben, "aber wir werden an jeder Diskussion teilnehmen, die zu mehr Transparenz auf den Finanzmärkten beiträgt", sagte der Regierungschef. Die Bezeichnung seines Landes als "Steuerparadies" wies er zurück.
Keine weißen Flecken mehr
Die EU will beim Kampf gegen Steuerflucht mit gutem Beispiel vorangehen. Neben Zinseinkünften sollen künftig auch Kapitaleinkünfte von sogenannten Steuerausländern erfasst werden. Dazu gehörten die Einnahmen einzelner Personen ebenso wie diejenigen von "Stiftungen oder Körperschaften". Außerdem dürfe es keine weißen Flecken mehr auf der Landkarte geben, sagte Steinbrück mit Blick auf Steuerparadiese wie Gibraltar oder die britischen Kanalinseln.
Die Minister wollen sich im Sommer 2009 in Berlin erneut treffen, um entsprechende Fortschritte zu überprüfen. Laut OECD gibt es 38 Länder mit einem stark ausgeprägten Bankgeheimnis und niedrigen oder gar keinen Steuern. Aber nur drei stehen bisher auf der Schwarzen Liste der Organisation, weil sie jegliche Information über ihren Finanzsektor verweigern: Andorra, Liechtenstein und Monaco. Allen anderen Staaten und Gebieten wurde bislang "Zusammenarbeit" bei der Abwehr von Steuerflucht und Geldwäsche bescheinigt.
Auch ein gesellschaftliches Problem
Steinbrück und Woerth bedauerten vor allem die Abwesenheit der Schweiz bei den Pariser Gesprächen. Bern liefere nicht die nötigen Informationen, um Steuerflucht nachzuweisen, sagte Steinbrück. "Das ist das Problem." Die Schweiz erklärte ihr Fernbleiben damit, dass sie die OECD nicht als maßgebliche Organisation ansehe. In der Schweiz wird das Bankgeheimnis nur bei Straftaten außer Kraft gesetzt. Einfache Steuerhinterziehung gilt jedoch nicht als Verbrechen, sondern kann lediglich mit Geldbußen geahndet werden.
Dabei ist Steuerflucht laut Steinbrück nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. "Wenn wir nicht aufpassen, verliert unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem Legitimation." Gleichzeitig verlören ehrliche Staaten immer mehr Steuergelder. Woerth schätzte den Einnahmeverlust Frankreichs auf 30 bis 40 Milliarden Euro. Von dieser Summe erhalte der Staat höchstens 50 Millionen Euro über die EU-Regeln zur Quellensteuer zurück.
50 Steuerparadiese
Nach Einschätzung der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International gibt es weltweit rund fünfzig Steuerparadiese. In diesen sind demnach "mehr als 400 Banken, zwei Drittel der 2000 Hedge Fonds und ungefähr zwei Millionen Briefkastenfirmen" ansässig. Rund zehn Billionen Dollar (7,3 Billionen Euro) an Geldern würden dadurch an allen Kontrollen vorbei verwaltet. Dazu gehören nach Angaben der OECD die niederländischen Antillen, die britischen Kanalinseln Guernsey und Jersey sowie Belize, Panama und die Seychellen.
Quelle: ntv.de