Politik

Zuviel Schulden Steuerreform Adieu

Eine breite Steuerentlastung der Bürger rückt wegen der absehbaren Rekordverschuldung des Staates in immer weitere Ferne. Eine große Steuerreform sei für die nächsten zehn Jahre gestorben, sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Wegen der Konjunkturpakete I und II der Regierung werde das Staatsdefizit im kommenden Jahr bei über vier Prozent liegen. Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte im Bundestag die Aufnahme neuer Kredite zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise. In der Koalition wurden Zweifel laut, dass die von Union und SPD verabredete neue Schuldenbremse schnell eingeführt werden kann.

Der SPD-Politiker mahnte in der "Financial Times Deutschland" zu Ehrlichkeit im Bundestagswahlkampf: "Alle, die im Wahlkampf zum Beispiel die Beseitigung des Mittelstandsbauchs im Steuertarif versprechen, werden das nicht durchhalten, wenn sie an der Regierung sind." Eine Korrektur der überproportionalen Belastung mittlerer Einkommen würde 27,5 Milliarden Euro kosten.

"Bauch" bleibt

Die Abflachung des sogenannten Mittelstandsbauchs, der mittlere Einkommen bei der Einkommensteuer überproportional belastet, gehört ebenso wie die Abschaffung der "kalten Progression" zu den wichtigsten Forderungen nach einer großen Steuerreform. Die kalte Progression sorgt dafür, dass die Bürger durch die Inflation immer höhere Steuersätze zahlen müssen. Vor allem bei unteren und mittleren Einkommen steigen die Steuersätze stark an und zehren einen Großteil jeder Lohnerhöhung wieder auf.

Im Konjunkturpaket ist geplant, gegen diese heimliche Steuererhöhung Schritt für Schritt anzugehen: Die Eckwerte in der Steuertarifkurve soll in zwei Stufen verschoben und damit der Anstieg flacher werden. Das deutsche Steuersystem gilt mit seinen diversen Sonderregelungen zudem als eines der kompliziertesten der Welt.

Bei der Wahl im September will die Union mit der Aussicht auf Steuerentlastungen punkten. CDU und CSU hatten in dem 50 Milliarden Euro schweren Konjunkturpaket II für 2009 und 2010 bereits niedrigere Steuern im Gesamtvolumen von neun Milliarden Euro durchgesetzt. Die SPD dringt auf geringere Abgaben und richtet sich damit an die Menschen mit niedrigen Einkommen.

Mit der Seifenkiste zum Mond

Allerdings besteht auch in der CDU Skepsis, dass eine breite Entlastung der Bürger möglich ist, zumindest ohne gleichzeitige Belastungen an anderer Stelle. "Wenn man sagt, wir tun an der Ausgabenseite nichts, dann halte ich eine große Steuerreform so plausibel, als ob man ankündigt, mit einer Seifenkiste zum Mond zu fliegen", sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Steffen Kampeter, bei n-tv. Eine Reform sei nicht unmöglich. Die Konsolidierung der Staatsfinanzen sei aber eine Voraussetzung für niedrigere Steuern.

CDU-Chefin Merkel hatte sich lange gegen die CSU-Forderung nach einer zügigen Steuerentlastung gesträubt, weil sie mit dem Thema im Wahlkampf punkten wollte. Auch die massive Verschuldung zur Stützung der Konjunktur hatte sie zunächst abgelehnt. "Es ist die bisher schwerste innenpolitische Entscheidung, die ich als Bundeskanzlerin zu treffen hatte", sagte sie im Bundestag. Eine aktive Konjunkturpolitik sei aber definitiv geboten. Sonst drohten viele Quellen des künftigen Wohlstandes wegen der Krise zu versiegen, etwa durch die Arbeitslosigkeit von Facharbeitern.

Ende Januar Nachtragshaushalt

"Die Neuverschuldung ist nicht Ausdruck einer falschen Politik, sondern Ausdruck der Krise selbst", sagte Merkel. Die Regierung will Ende Januar einen Nachtragshaushalt für 2009 vorlegen. Experten der Koalition rechnen mit neuen Schulden von 50 bis 60 Milliarden Euro in diesem Jahr. Steinbrück sagte, in diesem Jahr werde die EU-Defizitobergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) "einigermaßen" eingehalten werden können. "Für 2010 werden wir dagegen wohl über vier Prozent liegen", prognostizierte er. 2008 sei mit einer Nettokreditaufnahme von 11,6 Milliarden Euro erfreulich verlaufen - das sind drei Milliarden Euro weniger als geplant. Für 2009 stehen bisher erst 18,5 Milliarden im Plan.

Der rheinland-pfälzische Finanzminister Ingolf Deubel (SPD) bezweifelte, dass die von der Koalition angekündigte neue Schuldenbremse im Grundgesetz zügig umgesetzt werden könne. Sie soll die Verschuldung ab 2015 im Normalfall auf 0,5 Prozent des BIP begrenzen, das sind derzeit zwölf bis 13 Milliarden Euro. Weder die Aufteilung zwischen Bund und Ländern, noch die Frage von Sanktionen seien geklärt, sagte er dem SWR. Über alle diese Punkte herrsche in der Föderalismuskommission noch Uneinigkeit.

Viel wichtiger sei es, über die Tilgung der im zweiten Paket verplanten 50 Milliarden Euro zureden, sagte Deubel. Steinbrück will die Bundesinvestitionen von 15 bis 20 Milliarden Euro in einen Sonder-Tilgungsfonds einbringen. Deubel forderte dagegen einen Tilgungsplan für die gesamten 50 Milliarden Euro.

Quelle: ntv.de

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