Politik

Kräftemessen um Julia Timoschenko Straßburg rügt Kiew - und nun?

Am Ende bleibt es eine politische Entscheidung von Präsident Janukowitsch, wie es mit Julia Timoschenko weitergeht.

Am Ende bleibt es eine politische Entscheidung von Präsident Janukowitsch, wie es mit Julia Timoschenko weitergeht.

(Foto: dpa)

Hoffnungsschimmer für Julia Timoschenko: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rügt die Ukraine wegen der Inhaftierung der früheren Regierungschefin. Ob sich jedoch etwas an der Situation der Galionsfigur der Opposition ändert, wird sich erst noch zeigen. Am Ende bleibt es eine politische Entscheidung von Präsident Janukowitsch.

Die Rüge des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gegen die Ukraine ist zu begrüßen, an der Situation der inhaftierten Ikone der prowestlichen Revolution ändert sich damit aber faktisch erst einmal nichts. Denn ob Julia Timoschenko nach mehr als eineinhalbjähriger Haft wieder auf freien Fuß kommen wird, steht auf einem ganz anderen Papier. Die Entscheidung über ihr Schicksal fällt im Präsidentenpalast in Kiew, nicht in Straßburg. Am Ende zählt nur das Votum des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch.

Die Straßburger Richter hatten festgestellt, dass die Anführerin der Orangen Revolution willkürlich in Haft gehalten worden sei. Die Inhaftierung verstoße gegen die Menschenrechte. Dennoch führt dieses Urteil nicht zwangsläufig zu einer Freilassung Timoschenkos, denn die Umsetzung des Richterspruchs ist Sache der Ukraine. Der Menschengerichtshof hat zudem keine Sanktionsmöglichkeiten gegen Länder, die nicht kooperieren. Dass sich Janukowitsch nicht von Brüssel oder Straßburg in die inneren Angelegenheiten der Ukraine hineinreden lässt, hat er oft genug demonstriert. So scherte er sich herzlich wenig darum, als Bundespräsident Joachim Gauck und andere westliche Staatsoberhäupter ein Gipfeltreffen in Jalta aus Protest absagten.

Experten in der Ex-Sowjetrepublik verwiesen jedoch schon vor der Urteilsverkündung darauf, dass Janukowitsch nach einer Rüge aus Straßburg nur noch sehr schwer begründen kann, warum er seine Erzrivalin nicht amnestiert. Vor allem, da der Präsident erst vor kurzem Timoschenkos politischen Weggefährten, den Ex-Innenminister Juri Luzenko, aus ebenfalls umstrittener Haft entließ. Außerdem soll an diesem Freitag in Brüssel ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen paraphiert werden, über das beide Seiten seit längerem verhandeln. Die EU macht ihre Unterschrift auch von Timoschenkos Freiheit abhängig. Eine Inkraftsetzung des Abkommens werde es nur geben, wenn die ukrainische Justiz aufhöre, gegen die frühere Ministerpräsidentin und andere Oppositionspolitiker vorzugehen, hieß es in Brüssel.

Begnadigung unwahrscheinlich

Dennoch scheint eine Begnadigung Timoschenkos unwahrscheinlich. Kiew treibt seit Wochen Vorbereitungen für einen zweiten Prozess voran, der Timoschenkos Haft auf lebenslänglich verlängern könnte. Die Staatsanwaltschaft will die 52-Jährige wegen Anstiftung zum Mord an dem Abgeordneten Jewgeni Schtscherban vor mehr als 16 Jahren anklagen. Laut Generalstaatsanwalt zeigten die Ermittlungen, dass Timoschenko den Mord gemeinsam mit Ex-Regierungschef Pawlo Lasarenko in Auftrag gegeben habe. Zudem muss sich Timoschenko bereits in einem weiteren Verfahren wegen Veruntreuung und Steuerhinterziehung vor Gericht verantworten. Wegen dieser beiden Verfahren gegen Timoschenko empfahl eine staatliche Kommission erst vor wenigen Tagen, eine Amnestie abzulehnen. "Solange die Gerichtsverfahren gegen Timoschenko nicht abgeschlossen sind, ist eine Begnadigung nicht möglich", ließ das Staatsoberhaupt wissen. Höchstens "humanitäre Gründe" könnten eine Entlassung rechtfertigten.

Obwohl sich die Vereinte Opposition hoffnungsvoll gibt, glauben Experten zudem, dass in der Ukraine der Einfluss Timoschenkos längst nicht mehr so groß ist. Zwar kürte man sie bereits jetzt zu ihrer Kandidatin für die Präsidentenwahl 2015, aber mit ihrer rechtzeitigen Freilassung bis dahin rechnet offensichtlich niemand. Die charismatische Politikerin wäre als Konkurrentin zu gefährlich für Amtsinhaber Janukowitsch, heißt es. Währenddessen positionieren sich Timoschenkos mögliche Nachfolger. So hat sich der Box-Weltmeister Vitali Klitschko längst zum neuen starken Mann gemausert.

Die Ukraine will den Urteilsspruch "analysieren". Bis dahin könne man nichts kommentieren, sagte der ukrainische Vertreter beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Nasar Kultschizki, kurz nach Bekanntwerden des Straßburger Urteils. Er schloss nicht aus, dass die Regierung in Kiew Berufung einlegen werde. Sollte dies der Fall sein, würden weitere Wochen und Monate verstreichen. Zeit, in der die einstige Revolutions-Ikone weiter an Einfluss verlieren könnte.

Quelle: ntv.de

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