Politik

Spektakuläre Wende Strauss-Kahn auf freiem Fuß

Strauss-Kahn und seine Ehefrau lächeln optimistisch in die Kameras.

Strauss-Kahn und seine Ehefrau lächeln optimistisch in die Kameras.

(Foto: REUTERS)

Sieben Wochen nach dem angeblichen sexuellen Angriff auf ein Zimmermädchen kommt Ex-IWF-Chef Strauss-Kahn frei. Der New Yorker Supreme Court stimmt der Aufhebung des Hausarrests zu. Auch die Kaution wird wieder ausgezahlt. Der Franzose darf die USA aber nicht verlassen – und vor allem: Der Fall ist nicht vom Tisch. Inzwischen sickern aber immer mehr Ungereimtheiten bei der Kronzeugin durch.

Strahlend und mit der rechten Hand auf der Schulter seiner Frau verließ Dominique Strauss-Kahn das Gericht. Zuerst bemühte er sich noch um einen ernsten Gesichtsausdruck, dann lächelte er aber doch. Auch seine Frau Anne Sinclair, zum ersten Mal nicht nur in Schwarz gekleidet, lächelte erleichtert: Nach Haft und verschärftem Hausarrest wegen des Vorwurfs versuchter Vergewaltigung ist der frühere Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) wieder ein freier Mann.

Strauss-Kahns Anwälte Ben Brafman (r) und William Taylor geben sich siegessicher.

Strauss-Kahns Anwälte Ben Brafman (r) und William Taylor geben sich siegessicher.

(Foto: dpa)

Das New Yorker Gericht stimmte zu, den verschärften Hausarrest aufzuheben. Das Land darf Strauss-Kahn, in seiner Heimat kurz auch DSK genannt, zunächst aber nicht verlassen; der Pass wurde einbehalten. Der 62-Jährige lebte unter Hausarrest mit elektronischer Fußfessel, Überwachungskameras und einem bewaffnetem Wachmann. Das soll ihn jeden Monat 250.000 Dollar (172.000 Euro) kosten.

Zuvor hatte die "New York Times" berichtet, auch die Staatsanwaltschaft habe erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des 32-jährigen Zimmermädchens, das den Franzosen der Vergewaltigung beschuldigt hatte.

Laut Bloomberg stimmten die Strafverfolger zu, Strauss-Kahn seine Kaution zurückzuerstatten. Unklar sei aber, ob es um die gesamten sechs Millionen Dollar (4,2 Millionen Euro) geht. Der 62-Jährige hatte eine Million Dollar in bar, den Rest in Bürgschaften hinterlegen müssen. Laut "New York Times"sprach die 32-jährige Frau kurz nach dem Vorfall mit einem Inhaftierten darüber, wie man Geld aus dem Fall schlagen könne.

Wegen der Vergewaltigungsvorwürfe war Strauss-Kahn als Chef des Internationalen Währungsfonds am 19. Mai zurückgetreten. Nachfolgerin ist die bisherige französische Finanzministerin Christine Lagarde.

Der Fall ist nicht ad acta

Der 62-Jährige war bis zu seiner spektakulären Verhaftung am 14. Mai einer der aussichtsreichsten möglichen Kandidaten der Sozialisten (PS) für den Präsidentschaftswahlkampf im kommenden Frühjahr. In Frankreich schlug die Nachricht von der Freilassung wie ein Blitz ein: Nun sehen Parteifreunde Chancen für ein Comeback. Politische Beobachter halten es aber weiter für unwahrscheinlich, dass der 62-Jährige bereits im kommenden Jahr gegen Nicolas Sarkozy ins Rennen geht. Zumal der Fall längst nicht abgeschlossen ist. Die Anklage erklärte bei der kurzfristig angesetzten Gerichtsanhörung, die Ermittlungen würden aber nicht eingestellt. Die nächste Anhörung in dem Fall soll am  18. Juli stattfinden.

"Der Fall ist noch nicht abgeschlossen, wir werden weitermachen, wie es unsere Pflicht ist", sagte Staatsanwalt Cyrus Vance. "Es ist die höchste Pflicht eines US-Staatsanwalts, dass die Rechte derer, die Hilfe bei der Justiz suchen, gewahrt bleiben."

Der Anwalt des angeblichen Opfers von Dominique Strauss-Kahn sieht den Fall der versuchten Vergewaltigung unverändert. "Die Tat hat stattgefunden", betonte Kenneth Thompson in New York unmittelbar nach der Freilassung des früheren Währungsfondschefs. "Dieser Tag hat nichts verändert."

"Science Fiction" oder "Chance"

Sollte die Klage aber doch fallengelassen werden, könnte dies große Auswirkungen auf die französische Politik haben. Strauss-Kahn galt als aussichtsreichster Herausforderer von Sarkozy. Die Linken sind gespalten: Parteichefin Martine Aubry und der ihr in Umfragen überlegene Francois Hollande kämpfen um die Vorherrschaft.

Händedruck mit Präsident Sarkozy. Beobachter halten eine Präsidentschaftskandidatur von Strauss-Kahn aber weiter für hypothetisch.

Händedruck mit Präsident Sarkozy. Beobachter halten eine Präsidentschaftskandidatur von Strauss-Kahn aber weiter für hypothetisch.

(Foto: dpa)

Parteifreunde sehen nun wieder Chancen für eine Rückkehr Strauss-Kahns. Der ehemalige sozialistische Premierminister Lionel Jospin sprach von einem "Donnerschlag". Sollte DSK völlig entlastet werden, sei es an ihm und der Partei, über die Zukunft zu entscheiden. Der frühere Kulturminister Jack Lang erklärte: "Wenn sich die Neuigkeiten aus New York bestätigen, wäre das eine große Freude."

Politische Beobachter bezweifeln allerdings, dass Strauss-Kahn im kommenden Jahr als Kandidat für die Sozialisten antritt. So nannte der Chefredakteur des Magazins "L'Express", Christophe Barbier, eine Kandidatur allenfalls hypothetisch. "Das ist Science Fiction", sagte der Kommentator dem Fernsehsender LCI. Dennoch halten es Experten für möglich, dass der 62-Jährige wieder eine wichtige Rolle in der französischen Politik spielen wird.

Die französische Präsidentenwahl ist für den 22. April 2012 angesetzt. Kandidaten können sich auch noch wenige Wochen davor registrieren lassen. Allerdings müssen die Bewerbungen für die Vorwahlen der Sozialisten bis zum 13. Juli eingegangen sein.

DSK mit Fußfessel

Strauss-Kahn hatte den Sex "einvernehmlich" genannt.

Strauss-Kahn hatte den Sex "einvernehmlich" genannt.

(Foto: dpa)

Die Festnahme von DSK war weltweit mit großer Aufmerksamkeit verfolgt worden.  Strauss-Kahn soll am 14. Mai in seinem Hotelzimmer splitternackt ein Zimmermädchen überfallen und zum Oralsex gezwungen haben. Der Franzose wurde gut vier Stunden nach dem Vorfall in der Erste-Klasse-Kabine seines Paris-Fluges festgenommen. Strauss-Kahn hatte zunächst einige Tage auf der Gefängnisinsel Rikers Island in Einzelhaft gesessen, bevor er in den Hausarrest entlassen wurde und eine Kaution in Millionenhöhe hinterlegen musste.

Die Vorführung des damaligen Chefs des Internationalen Währungsfonds in Handschellen sorgte vor allem in seinem Heimatland für einen Sturm der Entrüstung. Strauss-Kahn hat den Vorwurf der versuchten Vergewaltigung stets von sich gewiesen.

Wie die "New York Times" unter Berufung auf den Ermittlungen nahestehende Kreise berichtete, log das Zimmermädchen mehrfach. Die Staatsanwaltschaft glaube inzwischen weder ihrer Darstellung der Ereignisse noch ihre Angaben zu ihrem persönlichen Hintergrund. Dem Bericht zufolge gibt es etwa Zweifel an ihrem Asylantrag. Sie habe möglicherweise Verbindungen zu Kriminellen, die im Drogenhandel und der Geldwäsche aktiv sein sollen. In den  vergangenen zwei Jahren habe sie insgesamt rund 100.000 Dollar (70. 000 Euro) "von verschiedenen Einzelpersonen" überwiesen bekommen,  berichtete die "NYT".

Die 32-Jährige soll zudem einen Tag nach der Begegnung mit Strauss-Kahn mit einem inhaftierten Mann telefoniert und dabei über die Vorteile einer Klage gegen den damaligen IWF-Chef gesprochen haben.

"Niemand hat nachgeforscht"

Ein in die Ermittlungen Eingeweihter erklärte, die Staatsanwaltschaft habe den Fall zur Anklage gebracht, ohne den Hintergrund des Zimmermädchens hinreichend zu überprüfen: "So ziemlich alles, was über diese Frau berichtet wurde, war von Anfang an falsch. Aber niemand hat nachgeforscht oder wollte etwas anderes glauben."

Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf Justizkreise, gerichtsmedizinische Beweise belegten sexuelle Kontakte zwischen Strauss-Kahn und der Angestellten in dem Manhattaner Hotel. Strauss-Kahn hatte von einvernehmlichen Sex gesprochen.

Es ist noch nicht vorbei

Der Anwalt der Zimmermädchen, Thompson (l), sieht keinerlei Veränderungen zu Gunsten Strauss-Kahns.

Der Anwalt der Zimmermädchen, Thompson (l), sieht keinerlei Veränderungen zu Gunsten Strauss-Kahns.

(Foto: dpa)

Diese "Einvernehmlichkeit" bestreitet der Anwalt des vermeintlichen Opfers aber weiter vehement: "Das ist eine Lüge!" Das Zimmermädchen sei ausschließlich zum Aufräumen in Strauss-Kahns Suite gekommen, der habe sie aber überfallen und verletzt.

Zu den Vorwürfen, die Frau soll in kriminelle Machenschaften verwickelt sein und bei ihrem Asylantrag gelogen haben, sagte Kenneth Thompson, auch das sei eine Lüge. "Sie war nicht an Verbrechen beteiligt."

"Sie ist von sich aus zu den Behörden gekommen, um zu sagen, dass es Unregelmäßigkeiten beim Asylantrag gegeben habe", sagte Thompson. Ihre Glaubwürdigkeit könne deshalb nicht in Zweifel gezogen werden. Nach seinen Angaben ist die 32-Jährige in Afrika von Soldaten vergewaltigt worden. Aus diesem Trauma heraus habe sie beim Asylantrag unrichtige Angaben gemacht, um nicht zurückgeschickt zu werden.

Neue Ungereimtheiten

Doch laut CNN soll die Frau vor ihrer Anzeige wegen versuchter Vergewaltigung erst einmal weiter gearbeitet haben. Das Zimmermädchen habe nach dem angeblichen Angriff und dem erzwungenen Oralsex zunächst eine weitere Hotelsuite aufgeräumt, berichtete der Sender unter Berufung auf ein Dokument der Strafverfolger. Erst als der Franzose das Stockwerk verlassen habe, sei sie zu ihrem Chef gegangen und habe von einer versuchten Vergewaltigung berichtet.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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