Pro Deutschland will US-Film zeigen Streit um Videoverbot entbrannt
17.09.2012, 18:21 Uhr
Bundesinnenminister Friedrich will eine öffentliche Aufführung mit allen rechtlich zulässigen Mitteln verhindern.
(Foto: dapd)
Eine rechtspopulistische Splitterpartei will das umstrittene antiislamische US-Video in Deutschland aufführen. Innenminister Friedrich will das verhindern und stößt eine Diskussion los. Denn was wiegt schwerer: Die Meinungsfreiheit oder der Respekt vor anderen Religionen? Der Zentralrat der Muslime fürchtet derweil Ausschreitungen in Deutschland.
Das islamfeindliche Schmähvideo aus den USA sorgt nun auch in Deutschland für Streit. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich will verhindern, dass der umstrittene Film mit dem Titel "Die Unschuld der Muslime" gezeigt werden darf. Die Meinungen dazu sind allerdings geteilt. Aus der Opposition kam die Warnung, dass es dafür keine rechtliche Grundlage gebe. Der in den USA hergestellte Film hatte in der islamischen Welt schwere Proteste mit mehreren Toten ausgelöst.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach ebenfalls von "guten Gründen" für ein Verbot. Die entscheidende Frage sei, ob durch eine öffentliche Aufführung in Deutschland die Sicherheit gefährdet werde. Diese Prüfung sei aber noch nicht abgeschlossen. Außenminister Guido Westerwelle sagte dem "Bonner General-Anzeiger", die Meinungsfreiheit rechtfertige "nicht die Beleidigung und Verunglimpfung anderer Religionen".
Das Bundesinnenministerium klärt derzeit die rechtliche Handhabe, um eine Aufführung des Films zu verhindern. Zuständig ist aber das Bundesland, in dem das Video gezeigt werden soll. Die rechtspopulistische Splitterpartei Pro Deutschland sucht derzeit nach einem Kino in Berlin, das den Film im November in voller Länge aufführt - bislang jedoch ohne Erfolg. Im Zweifel werde man sich um einen anderen Veranstaltungsort bemühen, sagte der Vorsitzende Manfred Rouhs.
"Es gilt die Meinungs- und Kunstfreiheit"
Die Rechtspartei zeigte auf ihrer Internet-Seite aber zeitweise eine mehr als einstündige Fassung. Nach Informationen der ARD handelte es sich dabei jedoch nur um eine Aneinanderreihung von bereits bekannten Szenen. Pro Deutschland entfernte das Video nach einer Weile wieder. Im Video-Portal Youtube ist es jedoch weiterhin zu sehen. Das von Hass geprägte Video stellt den Propheten Mohammed als Gewalttäter, Frauenhelden und Kinderschänder dar.
Friedrich plädierte dafür, eine Aufführung des Films mit allen rechtlich zulässigen Mitteln zu unterbinden. Das Video selbst sei nicht zu verbieten, sagte der CSU-Politiker am Rande des Festakts zum 40-jährigen Bestehen der Antiterroreinheit GSG 9 in Bonn. "Es gilt die Meinungs- und Kunstfreiheit, das ist unbestritten." Eine andere Sache sei, das Video in einem Berliner Kino zu zeigen. "Das kann nicht in unserem Interesse sein", betonte Friedrich. Zur aktuellen Sicherheitslage sagte der Minister, es gebe keine konkreten Hinweise auf eine Bedrohung.
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach plädierte für ein generelles Verbot und warf "Pro Deutschland" geistige Brandstiftung vor. "Wir haben es hier nicht mit einer Rechtslücke zu tun, denn sowohl die Meinungsfreiheit als auch die Kunstfreiheit gelten nicht schrankenlos", sagte Bosbach dem Bayerischen Rundfunk. Das Video habe eine völlig andere Qualität als die Mohammed-Karikaturen, die sich kritisch mit religiösem Fanatismus auseinandergesetzt hätten. Eine dänische Zeitung hatte die Karikaturen 2005 veröffentlicht, daraufhin war es in zahlreichen moslemischen Ländern zu Unruhen gekommen.
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann warnte dagegen vor Eingriffen in die Grundrechte. Der Staat dürfe niemals auf Extremisten reagieren, indem er Grundrechte wie die Meinungs- oder Religionsfreiheit antaste. "Das ist ja genau das, was die Extremisten wollen", sagte der CDU-Politiker dem NDR.
"Dämlichkeit ohne strafbaren Inhalt"
Auch aus der Opposition kamen Einwände gegen ein Aufführungsverbot. "Eine bloße außenpolitische Rücksichtnahme reicht nicht aus, die Grundrechte zu beeinträchtigen", sagte der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz der "Tageszeitung". Verbote könnten nur das letzte Mittel sein. Grünen-Geschäftsführer Volker Beck sieht für ein Verbot ebenfalls keine Grundlage: "Nach dem, was ich gesehen habe, ist der Film eine geschmacklose Dämlichkeit, aber ohne strafbaren Inhalt."
Auch Baden-Württembergs Integrationsministerin Bilkay Öney hält ein Vorführverbot für wenig hilfreich. "Im Internetzeitalter wird der Film vermutlich ein breites Publikum erreichen", sagte die SPD-Politikerin in Stuttgart. Sie appellierte aber an Muslime, nicht auf diese bösartige Provokation einzugehen. Sie sollten den Film als das bewerten, was er sei - "ein hetzerisch schlechtes Trash-Movie". SPD-Parteivize Aydan Özoguz begrüßte den von Friedrich angekündigten Widerstand gegen den Film.
Polizeigewerkschafter äußerten sich ebenfalls zurückhaltend zu einem Verbot. "Wir haben in Deutschland ein sehr hohes Recht auf freie Meinungsäußerung", sagte der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Bernhard Witthaut, im RBB. Gerade bei religiösen Themen lasse sich ein Ausstrahlungsverbot umso schwieriger erwirken. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, warnte bei n-tv aber vor den Folgen, sollte Pro Deutschland seine Ankündigung wahr machen und den Film in Deutschland aufführen. "Das kann gefährlich werden." Auch in Deutschland gebe es ausgesprochen aggressive Islamisten. Man müsse damit rechnen, dass ein kleiner Funke genüge und "es explodiert gleich an verschiedenen Stellen". Ausdrücklich lobte Wendt die Arbeit der muslimischen Gemeinden, die die deutsche Haltung zu dem Konflikt verstanden hätten und dies auch intensiv mit ihren Mitgliedern erörtern würden.
Gewalt in Deutschland befürchtet
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland befürchtet gewaltsame Übergriffe auch in Deutschland, falls das islamfeindliche Video hierzulande ausgestrahlt wird. "Es ist zu befürchten, dass Extremisten auf beiden Seiten vor Gewaltanwendung nicht zurückschrecken werden. Damit hätten die Macher dieses Filmes ihr Ziel erreicht", sagte Generalsekretärin Nurhan Soykan in Köln. Der Verband ist in Sorge, dass rassistische Übergriffe auf Muslime zunehmen werden.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, erklärte, ein Video, "das Unruhen, Hass und Gewalt sät, hat keinen Platz in unserem Land". Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sagte der "Passauer Neuen Presse", eine solche Filmvorführung wäre eine "inakzeptable und sinnlose Provokation, die letztlich den Frieden und die Christen weltweit gefährdet".
An anderer Stelle hat die Bundesregierung bereits eingegriffen: Gegen den christlichen US-Prediger Terry Jones, der den Film in Deutschland vorstellen wollte, wurde am Wochenende ein Einreiseverbot verhängt. Merkel verteidigte die Entscheidung mit den Worten: "Wir sind ein Land, in dem die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, aber auch Schranken kennt." Zugleich mahnte sie alle Seiten zu Mäßigung.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts