Gabriels teure Kohle-Abwrackprämie Stromkunden zahlen für Atomausstieg
25.10.2015, 18:51 Uhr
Durch Gabriels Einigung mit der Braunkohlelobby könnte das Klimaziel 2020 noch schwerer zu erreichen sein, kritisiert der BUND.
(Foto: picture alliance / dpa)
Einst wollte Wirtschaftsminister Gabriel Stromkonzerne im Zuge des Klimaschutzes zu Strafzahlungen auf alte Kohlemeiler verdonnern. Nun sind es die Verbraucher, die für den den Braunkohle-Ausstieg in die Tasche greifen müssen.
Manchmal holen einen alte Sprüche ein. Im Sommer letzten Jahres legte sich Sigmar Gabriel mit den Strombossen an. "Hartz IV" für Kraftwerke werde es mit ihm nicht geben: "Nicht arbeiten, aber Geld verdienen", das könne es ja wohl nicht sein, tönte der SPD-Chef. Bei der großen Reform des Strommarktes, die gerade auf die Zielgerade einbiegt, hält sich Gabriel daran. Bei der Braunkohle ist er eingeknickt.
Am Wochenende verkündete er eine Einigung mit den Stromkonzernen, die besonders die gebeutelten Aktionäre des zweitgrößten deutschen Versorgers RWE freuen dürfte. Dazu gehören im SPD-regierten Nordrhein-Westfalen viele klamme Kommunen, die es ihrem Parteichef danken werden. RWE, Vattenfall und Mibrag müssen für den Klimaschutz bis 2020 nun schrittweise 13 Prozent der deutschen Braunkohle-Kapazitäten stilllegen - dafür gibt es über sieben Jahre je 230 Millionen Euro. Macht zusammen 1,61 Milliarden Euro.
Mehrkosten werden sich läppern

RWE wird nun viel Geld für einzelne Kohlemeiler bekommen, die der Essener Konzern ohnehin abschalten wollte.
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Zahlen müssen das die Stromkunden. Das sind bei den Netzentgelten derzeit zwar nur 1,75 Euro im Jahr. Mit der im nächsten Jahr auf Rekordhöhe anziehenden Ökostrom-Umlage, einer höheren Umlage für Anlagen, die Strom und Wärme erzeugen (KWK), sowie weiteren Maßnahmen läppern sich die Belastungen aber. Im kommenden Jahr werden etwa 22,88 Milliarden Euro an Förderkosten für Solaranlagen, Windparks und Biomassekraftwerke über die Strompreise in Deutschland gewälzt. Der Anteil des Grünstroms an der Stromerzeugung liegt schon bei über 27 Prozent - aber warum haut das mit dem Klimaschutz nicht hin?
Die Erfolge der Energiewende sind klimapolitisch bislang weitgehend verpufft, weil die Braunkohle-Verstromung boomt. Deren Anteil an der Erzeugung sank 2014 gegenüber dem Vorjahr nur minimal auf 24,9 Prozent - 2013 waren es 25,2 Prozent. Der Preis für CO2-Verschmutzungsrechte im EU-Emissionshandel ist im Keller, was dazu führt, dass Braunkohle-Turbinen klimafreundlichere Gaskraftwerke aus dem Markt gedrängt haben.
Das Ergebnis: Deutschland als selbst ernannter Klimaschutz-Vorreiter bekommt seine Treibhausgasemissionen nicht in den Griff. Bis 2020 soll der CO2-Ausstoß gegenüber 1990 um 40 Prozent sinken, hat die Kanzlerin versprochen. Angela Merkel will bei der Weltklimakonferenz im Dezember in Paris glänzen.
RWE siecht vor sich hin
So wurde im Sommer eilig ein Milliardenpaket geschnürt, um zusätzlich 22 Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Für Gabriel bitter: Nicht nur die Kanzlerin ließ ihn bei der Kohlestrafabgabe hängen, auch Gewerkschaften und seine eigenen SPD-Leute in den Bergbaurevieren im Westen und Osten gingen auf die Barrikaden. Triumphierend verkündet Gewerkschaftschef Michael Vassiliades, der mit SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi liiert ist, am Wochenende, die Politik habe am Ende die Braunkohlelösung der Gewerkschaften übernommen. Grüne und Klimaschützer schimpfen über eine "teure Abwrackprämie", die das Siechtum von RWE & Co. nur verlängere. Tina Löffelsend vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sieht einen "schmutzigen Deal" von Gabriel mit der Braunkohlelobby.
Die Einigung sei skandalös, weil RWE nun viel Geld für einzelne Kohlemeiler bekomme, die der Essener Versorger ohnehin habe abschalten wollen: "Durch diese Doppelbuchungen wird das Klimaziel 2020 noch schwerer zu verwirklichen sein." Auch Christoph Bals von Germanwatch regt sich darüber auf. Dennoch sei die Einigung von Gabriel mit den Konzernen eine Zäsur, die langfristig gut für den Klimaschutz sein könnte: "Diese Einigung ist der Anfang vom Ende der Braunkohleverstromung", glaubt Bals. "Jetzt müssen die Regeln für einen sozialverträglichen Strukturwandel festgelegt werden."
Quelle: ntv.de, Tim Braune, André Stahl, dpa