Politik

Grünes Licht für "Merkels Bahnhof" Stuttgart 21 wird weiter gebaut

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S21 könnte der teuerste Bahnhof der Welt werden.

(Foto: dpa)

Der Aufsichtsrat der Bahn gibt dem Weiterbau von Stuttgart 21 trotz immenser Mehrkosten seinen Segen. Der Bahnvorstand kann aufatmen, ist aber noch lange nicht über den Berg. Die Bahnmitarbeiter befürchten erhebliche Einschnitte, die Grünen wollen den Bahnhof zum Wahlkampfthema machen und Land und Stadt verweigern zusätzliche Zahlungen an die Bahn.

Die Bahn hat nach Parlamentsbeschlüssen, Gerichtsverfahren und Volksabstimmung mit ihrem Projekt Stuttgart 21 ein weiteres Hindernis genommen. Der Aufsichtsrat der Bahn billigte in Berlin trotz Kostenexplosion den Vorschlag des Vorstands, den Finanzrahmen von 4,5 Milliarden Euro auf 6,5 Milliarden Euro zu erweitern. Damit rutscht das Vorhaben in die roten Zahlen. Dennoch folgte das Gremium der Argumentation der Bahn, dass ein Ausstieg aus Stuttgart 21 noch teurer sei als der Weiterbau.

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Blick auf die Baustelle des Bahnprojekts.

(Foto: dpa)

Mit seinem "Ja" hat das Kontrollgremium dem Vorstand freie Hand für wichtige Bauschritte gegeben, um den Stuttgarter Kopfbahnhof in eine unterirdische Station mit einer Anbindung an die Schnellbahnstrecke nach Ulm umzuwandeln: Die Bauarbeiten für den fast zehn Kilometer lange Fildertunnel sollen Anfang Mai beginnen. Im August wird begonnen, die Baugrube für den geplanten Tiefbahnhof auszuheben. Diese Arbeiten werden wohl endgültig dazu führen, dass das Megaprojekt nicht mehr angehalten werden kann.

Die Aufsichtsräte standen unter enormem politischen Druck. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) hatten sich wenige Tage vor der entscheidenden Sitzung für das Vorhaben stark gemacht - trotz der absehbaren Belastungen für den Steuerzahler.

Eisenbahner befürchten weiteren Druck

Die Lokführergewerkschaft GdL befürchtet nun, dass die Beschäftigten weitere Kostenerhöhungen für Stuttgart 21 mit höherer Rationalisierung und Arbeitsverdichtung bezahlen müssten. Die GDL ist im Aufsichtsrat mit einem Sitz vertreten.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) geht davon aus, dass sich Land und Stadt an den Milliarden-Mehrkosten für Stuttgart 21 beteiligen. Die Bahn werde nun auf Basis der sogenannten Sprechklausel aus dem Finanzierungsvertrag weitere Verhandlungen mit den Projektpartnern führen, sagte Ramsauer in Baden-Baden. Bisher weigern sich die grün-rote Landesregierung und die Stadt Stuttgart, zusätzliche Kosten zu tragen.

Land macht nicht mehr mit

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Kretschmann (r.) und Schmid: das Land hat knapp eine Milliarde zugesagt. Mehr gibt es nicht.

(Foto: dpa)

Das Land sei zwar zu Gesprächen bereit, "allerdings bedeutet dies natürlich keine Verpflichtung zur Übernahme weiterer freiwilliger Finanzierungsbeiträge", sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in Stuttgart. Die Bahn als Bauherrin müsse alle Mehrkosten tragen. "Es ist Aufgabe der Bahn und des Bundes, nicht des Landes, funktionierende Bahnhöfe zu bauen", betonte Kretschmann.

Vertraglich hat das Land 931 Millionen Euro für das Projekt zugesagt. Einer möglichen Klage der Bahn, um mehr Geld vom Land zu erstreiten, sehe er "außerordentlich gelassen entgegen", sagte Kretschmann. "Ich halte das für einigermaßen Säbelrasseln", sagte der Ministerpräsident. "Unsere Rechtsposition ist gut und klar", ergänzte der Landeswirtschaftsminister und SPD-Landeschef Nils Schmid.

Die Berliner Grünen nannten den Beschluss des Bahn-Aufsichtsrates einen Skandal. "Das nun präsentierte Zahlenwerk wird rasch überholt sein", sagte der Vorsitzende des Bundestags- Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter. "Die Kostenrisiken wurden kleingerechnet und die Ausstiegskosten zu hoch angesetzt." Für die Entscheidung trage nun Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verantwortung: "Stuttgart 21 ist Merkels Bahnhof." Auch Linke-Chef Bernd Riexinger sagte: Das ist ein schwarzer Tag für Stuttgart und für die Steuerzahler." Eine Ausstiegsoption müsse auf dem Tisch bleiben.

S21 wird Wahlkampfthema

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, will die Bundestagswahl zur Abstimmung über das Bahnhofsprojekt machen. "Natürlich wird Stuttgart 21 ein Wahlkampfthema, denn das bewegt die Menschen im ganzen Land", sagte Künast der "Bild"-Zeitung. Merkel habe "ja schon mal eine Wahl zur Abstimmung über Stuttgart 21 erklärt - und verloren". Künast spielte damit auf die von der CDU verlorene Landtagswahl 2011 in Baden-Württemberg an.

Künast zeigte sich überzeugt, dass der umstrittene Tiefbahnhof die Bundesregierung Stimmen kosten werde. Überall in Deutschland gebe es marode Straßen, Staus, verspätete Züge - "das nervt die Menschen", sagte sie der "Bild". "Wer wie Frau Merkel unterirdische Bahnhöfe baut, statt echte Probleme zu lösen, bekommt dafür die Quittung."

Bahnhof würde heute nicht mehr gebaut werden

Mit den von der Bahn berechneten Kosten von bis zu 6,5 Milliarden Euro liegt der Bau nun um rund zwei Milliarden Euro über dem vereinbarten Rahmen. Für die Bahn ist Stuttgart 21 damit zwar unwirtschaftlich. Allerdings machten die Kosten für einen Abbruch von mindestens zwei Milliarden Euro den Weiterbau sinnvoll, argumentiert das Unternehmen, selbst wenn Baden-Württemberg nicht mitzahlt.

"Mit dem heutigen Kenntnistand würde man das Projekt nicht beginnen, sehr wohl aber fortführen", heißt es daher in Konzernunterlagen. Der Weiterbau würde demnach aber nur gut 70 Millionen Euro weniger kosten als ein Abbruch.

In Betrieb gehen wird die unterirdische Durchgangsstation frühestens Ende 2022, drei Jahre später als einst vorgesehen und ein Jahr später als zuletzt bekannt. Künftig wird der Aufsichtsrat in jeder Sitzung über den Baufortschritt gesondert informiert. Das Vorhaben insgesamt wird in eine eigene Projektgesellschaft der Bahn ausgegliedert.

Quelle: ntv.de, ppo/dpa/AFP

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