Strategisch wichtige Rebellenhochburg gefallen Syrische Armee erobert Kusseir zurück
05.06.2013, 12:06 Uhr
Syrische Regierungstruppen feiern die Rückeroberung Kusseirs.
(Foto: REUTERS)
Während syrische Regierungstruppen nach wochenlangen Kämpfen die Kleinstadt Kusseir zurückerobern, verdichten sich die Hinweise auf einen Giftgaseinsatz von Seiten der Regierung. Wann sieht die USA die "rote Linie" überschritten, die ein Eingreifen in den Konflikt rechtfertigt?
Nach wochenlangen Kämpfen haben die syrischen Regierungstruppen mit Unterstützung der libanesischen Hisbollah-Miliz die Stadt Kusseir und die umliegenden Gebiete vollständig unter ihre Kontrolle gebracht. Bei der Einnahme der strategisch wichtigen Kleinstadt seien zahlreiche Rebellen getötet oder festgenommen worden, berichtete das Staatsfernsehen am Mittwoch. Die Opposition bestätigte den Rückzug aus der Stadt, während der Iran der Regierung in Damaskus zum Sieg gratulierte.
Sarin ist ein hochwirksames Nervengift. Schon kleinste Mengen von einem halben Miligramm wirken bei einem erwachsenen Menschen tödlich. Es kann über die Haut oder Atmung aufgenommen werden und dann zur vollständigen Lähmung führen. Da es weder riecht noch sichtbar ist, lassen sich Wasser und Nahrung damit leicht vergiften. Auch kann es als Gas eingesetzt werden, etwa durch die Explosion von entsprechend bestückter Munition.
Traurige Berühmtheit erlangte Sarin, das 1938 von einem deutschen Chemiker der IG-Farben als Insektenvernichtungsmittel entwickelt wurde, im Jahr 1995. Bei ihrem Angriff in der U-Bahn in Tokio nutzte die japanische Aum-Sekte das Gift: 13 Menschen kamen ums Leben, mehr als 6000 wurden verletzt.
Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte die Einnahme der Stadt. Nach einem "intensiven Bombardement" sei es d er Armee und der Hisbollah in der Nacht gelungen, die Stadt zu erobern. Die Rebellen h ätten sich mangels Munition in andere Gebiete zurückgezogen. Demnach dauerten die K ämpfe in den Ortschaften Dabaa und Buweida al-Scharkija an. Auch die oppositionelle Generalkommission der Syrischen Revolution bestätigte auf ihrer Facebook-Seite, dass "diese Runde" des Kampfes "verloren" sei.
Die Kleinstadt Kusseir ist von strategischer Bedeutung, da sie auf dem Weg von Damaskus zu den Küstengebieten liegt, die von den mehrheitlich regierungstreuen Alawiten bewohnt sind. Kusseir war rund ein Jahr von den Rebellen kontrolliert worden. Vor drei Wochen begann dann die Armee eine Offensive zu ihrer Rückeroberung. Die Rebellen leisteten erbitterten Widerstand. Damaskus setzte ungeachtet der Tatsache, dass zehntausende Zivilisten in der Stadt eingeschlossen waren, Kampfflugzeuge, Raketen und Artillerie bei der Belagerung ein.
"Physiologische Beweise" für den Einsatz von Giftgas
Die iranische Regierung, die ein enger Verbündeter von Syriens Staatschef Baschar al-Assad und der Hisbollah ist, gratulierte "der syrischen Armee und dem syrischen Volk" zum Sieg über die "Terroristen". Vize-Außenminister Amir Abdollahian warf ausländischen Staaten vor, weiterhin Waffen nach Syrien zu liefern und damit "terroristische Aktivitäten" zu unterstützen.
Die britische Regierung erklärte unterdessen, "physiologische Beweise" für den Einsatz des Giftgases Sarin in Syrien zu haben. Beim Test von Proben aus Syrien seien Spuren von Sarin festgestellt worden, sagte ein Regierungssprecher in London. Nach Einschätzung Großbritanniens seien die Chemiewaffen "sehr wahrscheinlich" von den Regierungstruppen eingesetzt worden. Dagegen gebe es bisher "keinen Beweis" für einen Einsatz durch die Rebellen. Präsident Baschar al-Assad müsse UN-Ermittlern "sofortigen und unbeschränkten Zugang" gewähren, um die Vorwürfe zu überprüfen.
Frankreich hatte zuvor erklärt, es gebe "keinen Zweifel" mehr daran, dass Sarin in Syrien mindestens ein Mal durch "das Regime und seine Komplizen" eingesetzt worden sei. Außenminister Laurent Fabius berief sich dabei auf Untersuchungsergebnisse französischer Experten. "Alle Optionen sind auf dem Tisch", sagte Fabius. US-Präsident Barack Obama hatte den Einsatz von Chemiewaffen als "rote Linie" bezeichnet, deren Überschreitung ein Eingreifen in den Konflikt rechtfertige. Sein Sprecher Jay Carney forderte allerdings weitergehende Informationen.
Quelle: ntv.de, AFP