Wahlen werden zur Machtprobe Taliban verbreiten Schrecken
19.08.2009, 14:27 UhrKurz vor der Präsidentschaftswahl in Afghanistan haben die Taliban-Rebellen ihre Angriffe fortgesetzt. Die NATO rechnet für den Urnengang mit Anschlägen auf Wahllokale - trotzdem ruft UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Afghanen zu einer regen Wahlbeteiligung auf.
In Kabul überfielen nach Angaben des Taliban-Sprechers Sabihullah Mudschahed vier Aufständische eine Bank. Während eines rund einstündigen Feuergefechts seien drei der Angreifer von Sicherheitskräften getötet worden, sagte ein Polizeisprecher. Der Banküberfall sei Teil einer Serie von geplanten Angriffen, so Mudschahed. "Heute morgen sind 20 Taliban-Kämpfer in verschiedenen Gruppen nach Kabul vorgedrungen", sagte er. Bei ihnen handele es sich um "Kämpfer und Selbstmordattentäter", die auf Anweisungen für Anschläge warteten. Bei der Bank-Besetzung schlug die Polizei mit Gewehrkolben auf Journalisten und Schaulustige ein, um sie zu vertreiben.

Ein Polizist steht vor dem Bankgebäude Wache.
In der nordafghanischen Stadt Kundus schlugen zudem zwei Raketen ein. Nach Angaben der Provinzregierung richteten sie keinen Schaden an. Die Geschosse seien aus dem Unruhedistrikt Char Darah abgefeuert worden. Dort ist derzeit die Bundeswehr im Einsatz, um afghanische Sicherheitskräfte bei der Absicherung der Wahl zu unterstützen.
Die radikal-islamischen Taliban warnten die Bevölkerung erneut vor der Teilnahme an der Abstimmung. Sprecher Sabiullah Mudschahid teilte mit, die Straßen des Landes seien bis Donnerstagabend für den Verkehr gesperrt. Wer dies missachte, trage selbst die Verantwortung, sollte etwas passieren. Zudem drohten die Taliban mit Anschlägen auf Wahllokale. Das Verteidigungsministerium wies die Drohung zurück. "Wir haben die Kontrolle über alle Straßen im Land und schützen sie mit Bodentruppen und Flugzeugen", sagte ein Sprecher.
US-Militär tötet vier Polizisten
Unterdessen sind im Süden des Landes vier afghanische Polizisten bei einem Luftangriff des US-Militärs ums Leben gekommen. Wie ein Regierungssprecher in der Provinz Ghasni mitteilte, hatten Kämpfer der radikal-islamischen Taliban zunächst einen Polizeiposten angegriffen. Die afghanischen Einsatzkräfte hätten daraufhin Luftunterstützung der US-Truppen angefordert. Dabei seien "zahlreiche Aufständische" und "leider auch vier unserer Polizisten" getötet worden, sagte der Sprecher.

Ein Sicherheitsbeamter trägt die Kleidungsstücke eines getöteten Aufständischen aus der Bank.
Nach Angaben der Internationalen Schutztruppe ISAF starben in der südlichen Unruheregion zudem zwei ausländische Soldaten, als ein am Straßenrand versteckter Sprengsatz explodierte. Die US-Armee teilte mit, bei den Opfern handele es sich um Amerikaner. Bei einem weiteren Bombenanschlag in der Provinz Kandahar wurde nach Polizeiangaben zudem der Verwaltungschef eines Distrikts getötet.
Erst am Dienstag waren bei Selbstmordanschlägen in Kabul sowie in der südlichen Provinz Urusgan 17 Menschen ums Leben gekommen, darunter ein NATO-Soldat und zwei afghanische Mitarbeiter der Vereinten Nationen. Unbekannte feuerten zudem zwei Raketen auf den Präsidentenpalast in der afghanischen Hauptstadt.
Anschläge auf Wahllokale befürchtet
Nach Einschätzung der NATO besteht bei weniger als einem Prozent der Wahllokale die Gefahr eines Angriffs. Die durchschnittliche Zahl der Angriffe von Aufständischen sei in den vergangenen Tagen von 32 auf 48 pro Tag gestiegen, sagte NATO-Sprecher Eric Tremblay. Auf dieser Grundlage sei davon auszugehen, dass die Aufständischen weniger als ein Prozent der 6500 Wahllokale angreifen könnten. Nach Angaben der afghanischen Wahlkommission könnte wegen fehlender Sicherheitskräfte jedoch jedes zehnte Wahllokal geschlossen bleiben.
UN-Generalsekretär Ban rief die Afghanen zu einer regen Wahlbeteiligung auf. Dadurch würden sie die demokratischen Institutionen stärken und "frische Kraft in das politische Leben des Landes bringen", erklärte er in New York. Ban forderte zudem alle Kandidaten, deren Anhänger sowie einheimische und ausländische Wahlbeobachter auf, "einen ruhigen und erfolgreichen Wahlverlauf sicherzustellen". Nach Einschätzung von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wollen die Afghanen "trotz erheblicher Risiken" von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Die Menschen seien "hungrig nach Wahlen", sagte Steinmeier dem Fernsehsender n-tv.
Regierung nimmt Einfluss auf Journalisten
Unterdessen geriet die afghanische Regierung wegen des Versuchs, die Wahlberichterstattung zu kontrollieren, in die Kritik. Sie hatte die Medien aufgefordert, am Wahltag nicht über Anschläge zu berichten, um eine hohe Wahlbeteiligung zu ermöglichen. In einer Erklärung in der einheimischen Sprache Dari erklärte das Außenministerium, dass die Berichterstattung über mögliche Anschläge am Donnerstag "strengstens verboten" sei. In der englischsprachigen Übersetzung hieß es, sie sei "nicht erwünscht". Die Regierung drohte bei Nichtbeachtung mit der Ausweisung der Journalisten. Einheimische Medienbetriebe würden dichtgemacht, wenn sie gegen das Verbot verstießen, sagte ein afghanischer Außenamtssprecher.
Die Vereinten Nationen forderten die afghanische Regierung auf, eine speziell für den Wahltag erlassene Nachrichtensperre über Gewalttaten aufzuheben. Die kurzfristig erlassenen Dekrete stünden nicht im Einklang mit der Verfassung, in der Meinungs- und Pressefreiheit garantiert seien, erklärte ein UN-Sprecher in Kabul.
Der Präsident des afghanischen Journalistenverbandes, Rahimullah Samander, bezeichnete das Verbot als verfassungswidrig. Der Wahltag sei ein "sehr wichtiger Tag für unsere Unabhängigkeit", sagte er. "Solch ein Verbot passt nicht zu den demokratischen Grundsätzen." Samander kündigte an, dass sich Journalisten der Anordnung widersetzen würden.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa