Teilweise lautstarke Sondierungsrunde Schwarze und Rote schenken sich nichts
15.10.2013, 04:24 Uhr
SPD-Chef Sigmar Gabriel schaut nach dem Sondierungsmarathon sehr ernst.
(Foto: REUTERS)
Es ist ein Geduldsspiel in der Woche der Entscheidung: Mit wem die Union am Donnerstag in eine dritte Sondierungsrunde geht, soll erst am Mittwoch endgültig entschieden werden. Vorher wird noch mit den Grünen gesprochen. Das Gespräch mit der SPD verläuft sehr zäh.
Union und SPD haben auch in ihrer zweiten Sondierungsrunde wesentliche Differenzen auf dem Weg zu einer großen Koalition nicht ausgeräumt. Nach mehr als achtstündigen Beratungen fasste die Union am frühen Morgen weitere Verhandlungen an diesem Donnerstag ins Auge. Eine dritte Runde mit der SPD hängt jedoch vom Ausgang der für diesen Dienstagabend geplanten Gespräche mit den Grünen ab. Bei den Grünen sind die Bedenken gegenüber Schwarz-Grün allerdings noch gewachsen.
Bei SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles war nach dem Ende der Beratungen mit der Union deutliche Skepsis spürbar. Beim SPD-Kernthema Mindestlohn habe es keine konkreten Fortschritte gegeben. Verabredungen seien nicht getroffen worden. "Wir haben bei einigen Themen Schnittmengen erkennen können und bei anderen die Differenzen - wie bei Mindestlohn und Steuern", sagte sie. Das Gespräch habe jedenfalls mehr Klarheit gebracht, "wo wir stehen". Jetzt müsse man mal darüber schlafen. Die SPD warte nun das Treffen der Union mit den Grünen ab. "Wir würden uns weiteren Gesprächen nicht verweigern."
Auch nach Angaben von CDU und CSU gab es noch keine konkreten inhaltlichen Ergebnisse. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte, es seien sehr intensive, sachliche Gespräche gewesen, die Gemeinsames, aber auch Trennendes offenbart hätten. Es seien viele Details zu Europa, Finanzpolitik, Energiewende, Zukunftsinvestitionen und Mindestlohn besprochen worden. Er werde aber keine Wasserstandsmeldungen zu Annäherungen oder Unterschieden liefern. Konkrete Vereinbarungen gehörten in Koalitionsverhandlungen.
Belastbarkeit getestet
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und Nahles bestätig ten, es sei zum Teil heftig und lautstark zur Sache gegangen. Dobrindt sagte, es sei über die Finanzierung von Projekten und den Haushalt gesprochen worden. Bei den Gesprächen sei auch die Belastbarkeit einer möglichen Zusammenarbeit mit der SPD getestet worden. In Richtung SPD machte er deutlich, dass es keine vorzeitigen Zugeständnisse der Union geben werde, nur weil die Sozialdemokraten am Sonntag ihren skeptischen Parteikonvent überzeugen müssten. "Es gibt keine vorherigen Vereinbarungen in Einzelfragen. Am Ende von Koalitionsverhandlungen wird über alles entschieden."
Nach dpa-Informationen gab es jedoch weitgehende Übereinstimmung in der Europapolitik. Die "Rheinische Post" berichtete ebenfalls unter Berufung auf Teilnehmerkreise, SPD-Politiker hätten sich bei diesem Thema für einen Reformkurs in den Krisenländern und gegen eine isolierte Vergemeinschaftung der Schulden ausgesprochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble hätten stärkere Wachstumsimpulse für südeuropäische Länder, ein Festhalten an einer Finanztransaktionssteuer sowie eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte in Aussicht gestellt, schrieb die Zeitung. Offen sei lediglich geblieben, ob der europäische Rettungsfonds ESM künftig auch Banken direkt finanzieren soll.
Druck von der Basis
CSU-Chef Horst Seehofer äußerte sich zurückhaltend zum Verlauf des Gesprächs mit der SPD. Die Koalitionsfrage sei weiter offen: "Das ist kein Taktieren, wir - jedenfalls die CSU - wollen mit beiden ernsthaft reden", sagte er mit Blick auf die Grünen. Ein weiteres Treffen müsse mit dem Partner stattfinden, mit dem man verhandeln wolle. Sowohl die Grünen als auch die SPD müssten bei ihrem Parteitag beziehungsweise Parteikonvent der Basis etwas sagen können.
Zum strittigen Punkt der Finanzierung möglicher Regierungsprojekte mit der SPD sagte Seehofer: "Die Finanzwelt ist immer begrenzt, die Bedürfniswelt ist unbegrenzt, und dieses Grundgesetz wird keine Regierung aufheben können."
Im Parteirat der Grünen war man sich am Montag laut Teilnehmern weitgehend einig, dass es nicht nach Schwarz-Grün aussieht. "Vielleicht überrascht uns die Bundeskanzlerin, vielleicht überrascht uns Herr Seehofer mit irgendetwas", sagte Özdemir.
Die Grünen wollen ihre Sondierungsgespräche mit CDU und CSU nach den Worten von NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann "sehr ernsthaft und gewissenhaft" fortsetzen. "Wir müssen zweierlei herausfinden, erstens, ob es einen hinreichenden Vorrat an inhaltlichen Gemeinsamkeiten gibt, und zweitens, ob es Vertrauen für eine gemeinsame Basis gibt, die stark genug für eine vierjährige gemeinsame Regierungszeit ist", sagte Löhrmann der "Rheinischen Post". Sie gehört zur Verhandlungsdelegation ihrer Partei.
Ähnlich äußerte sich Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: "Ich bin neugierig auf die zweite Runde und natürlich offen für mögliche Überraschungen", sagte sie "Spiegel Online". Für Göring-Eckardt ist die Sondierungsrunde mit der Union "keine Alibi-Veranstaltung".
Zwei von drei Wahlberechtigten (62 Prozent) rechnen mit der Bildung einer Großen Koalition - aber nur jeder Dritte (32 Prozent) wünscht sie sich. Das ist das Ergebnis des aktuellen Insa-Meinungstrends im Auftrag der "Bild"-Zeitung. Demnach geben 54 Prozent der Unionswähler und 42 Prozent der SPD-Anhänger Schwarz-Rot den Vorzug. Für eine Koalition von Union und Grünen sprechen sich 22 Prozent der Unionsanhänger und 33 Prozent der Grünen-Wähler aus. Befragt wurden knapp 2000 Wahlberechtigte vom 11. bis 14. Oktober.
Quelle: ntv.de, wne/dpa/rts/AFP