"Angriff verfassungswidrig" Thierse stützt Powell
02.09.2002, 15:57 UhrEine deutsche Beteiligung an einem Angriff auf den Irak würde nach Auffassung von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) gegen die Verfassung verstoßen. Ein Angriffskrieg sei nach Artikel 26 des Grundgesetzes verfassungswidrig, sagte Thierse am Montag beim Empfang des Friedensgutachtens 2002 der fünf deutschen Friedensforschungsinstitute in Berlin. Dies gelte auch für einen möglichen Angriff gegen den Irak.
Im Mittelpunkt der internationalen Politik müsse vielmehr die Rückkehr der UN-Waffeninspektoren nach Irak stehen. Deutschland solle in dieser Frage US-Außenminister Colin Powell den Rücken stärken, forderte Thierse.
Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) gab dem Bundestagspräsidenten Recht mit seiner Einschätzung. In der n-tv-Sendung "Maischberger" sagte er weiter, ein Vorgehen der USA gegen den Irak ohne UNO-Mandat wäre völkerrechtswidrig.
Struck bekräftigte zudem, dass der Bundesregierung keine Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak vorlägen. Wenn die USA solche Beweise hätten, erwarte er, dass sie diese vorlegten. Dann müsse die Lage neu bewertet werden. Im übrigen gelte die Position der Regierung, dass sich Deutschland nicht am "Abenteuer" eines US-Angriffs beteiligen werde.
Nach Einschätzung Strucks ist US-Außenminister Powell innerhalb seiner eigenen Regierung isoliert: "Dass Powell isoliert ist im wichtigsten Beraterkreis um den Präsidenten, das kann man wohl feststellen."
US-Vizepräsident Dick Cheney hatte dafür plädiert, präventiv gegen den Irak vorzugehen, um zu verhindern, dass der irakische Präsident Saddam Hussein in den Besitz von Atomwaffen gelangt und sie weitergibt. Powell hatte danach erklärt, der erste Schritt in der Irak-Politik müsse sein, die Rückkehr der UN-Waffeninspektoren zu verlangen.
Kein Treffen mit Irak-Gesandten
Die Bundesregierung hat ein Treffen mit irakischen Gesandten zur Erörterung der Krise um das Nahost-Land abgelehnt. Eine entsprechende Anfrage der Regierung in Bagdad sei bereits vor etlichen Tagen negativ beschieden worden, verlautete aus Regierungskreisen in Berlin. Neue Anfragen seien derzeit nicht bekannt.
In Berlin wurde darauf verwiesen, dass es in der Frage der Sanktionen gegen den Irak keinen bilateralen Diskussionsbedarf gebe. Bagdad müsse "ohne Wenn und Aber" die entsprechenden Resolutionen des Weltsicherheitsrats zur Rückkehr der UN-Waffenkontrolleure in das Land erfüllen.
Quelle: ntv.de