Pressestimmen

Fromm nimmt den Hut "Rücktritt ist konsequent"

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Nach einer Serie von Pannen bei den Ermittlungen um die Morde der Neonazi-Zelle NSU zieht Verfassungsschutzpräsident Fromm die Konsequenzen. Er lässt sich zum Monatsende vorzeitig in Rente schicken. Was er hinterlässt, ist ein Geheimdienst, dem die Menschen stärker misstrauen als zuvor schon. Das Urteil in den Zeitungen spiegelt das wider.

So wird die Bild gewohnt deutlich und schreibt: "Im Kampf gegen den 'Nationalsozialistischen Untergrund' haben die Verfassungsschützer kläglich versagt. Unfähigkeit, Schlamperei sowie das Schönreden der rechtsextremen Gefahr haben es der Zwickauer Terrorzelle leicht gemacht, eine Blutspur quer durch Deutschland zu ziehen. Wenn unfähige Mitarbeiter Akten vernichten, dann hat nicht der Amtschef persönlich versagt. Gleichwohl übernimmt Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm mit seinem Rücktritt die politische Verantwortung. Das spricht für ihn und sein Pflichtgefühl. Fromms Rücktritt muss zum Startsignal für eine grundlegende Reform des Dienstes werden. Unsere Verfassung ist ein hohes Gut. Sie muss geschützt werden - von Könnern, nicht von Stümpern."

Heinz Fromm: nur ein Bauernopfer?

Heinz Fromm: nur ein Bauernopfer?

(Foto: dapd)

Die Neue Presse aus Hannover warnt davor, den Skandal nun auf sich beruhen zu lassen: "Ein Jahr vor seiner offiziellen Pensionierung trifft der oberste Verfassungsschützer die Entscheidung, sich als Bauernopfer zur Verfügung zu stellen. Doch mit dem vorzeitigen Ruhestand von Heinz Fromm darf keine Ruhe beim Geheimdienst eintreten. Denn die Behörde selbst ist das Problem. Einem Einzelnen kann man den Skandal um die rechtsextremistische Terrorzelle nicht anhängen - auch wenn es konsequent ist, als Chef die Verantwortung zu übernehmen.

Die Stuttgarter Zeitung glaubt daran, dass noch allerhand über mögliche Verbindungen zwischen rechter Szene und Geheimdienst bekannt werden wird: "Von Anfang an stand der Verdacht im Raum, dass Kumpanei zwischen den Ermittlern und der rechten Szene eine Rolle gespielt haben könnte. Dafür gab es bisher aber keinerlei Beweise. Seit jedoch klar ist, dass wichtige Dokumente im Reißwolf gelandet sind, drängt sich dieser Verdacht mit neuer Wucht auf. Was bisher wie eine wilde Verschwörungstheorie klang, erscheint nun tatsächlich denkbar: Waren die Verfassungsschützer vielleicht gar über das Treiben des Terrortrios informiert? Kannten Sie dessen Aufenthaltsorte im Untergrund? Gab es Spitzel im Umfeld der Neonazimörder? Und wurde jetzt versucht, Fehler oder gar einen politischen Skandal zu vertuschen?"

Für den Kölner Stadt-Anzeiger stellen sich fundamentale Fragen: "Der Imageschaden ist so groß, dass man sich zwangsläufig auch fragt, weshalb sich dieses Land einen Geheimdienst leisten soll, der die Verfassung schützt, wenn dieser Dienst dermaßen versagt? Damit gerät man mitten hinein in ein schwieriges Spannungsfeld: Wo beginnt der Extremismus, wo endet die Meinungspluralität des Grundgesetzes? Einerseits achten wir völlig zu Recht eifersüchtig auf den Schutz der Privatsphäre und geißeln jeden Versuch der Sicherheitsbehörden, mehr Informationen zu erhalten. Andererseits schelten wir eben jene Dienste, wenn sie - wie im Falle NSU - keine oder nicht genügend Informationen haben."

Im Handelsblatt brechen die Kommentatoren eine Lanze für Fromm: "Der Rücktritt von Heinz Fromm ist konsequent. Der honorige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz muss zwar seinen Kopf hinhalten, weil ein Mitarbeiter wohl ohne sein Wissen Akten über die Mordserie der Zwickauer Nazi-Terrorzelle vernichtete. Doch alles andere als die Entlassung Fromms durch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hätte das Ansehen des Amts und vor allem des Rechtsstaats irreparabel beschädigt. Welche weiteren Konsequenzen daraus zu ziehen sind? Auch wenn das Geld knapp ist: Wer beim Kampf gegen Rechtsextremismus spart, spart an der falschen Stelle."

Quelle: ntv.de

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