Politik

Vier Jahre Opposition Trittin legt schwarz-grüne Latte hoch

Jürgen Trittin hatte den Wahlkampf für die Grünen entworfen. An ihm entlädt sich jetzt die Enttäuschung über das Ergebnis.

Jürgen Trittin hatte den Wahlkampf für die Grünen entworfen. An ihm entlädt sich jetzt die Enttäuschung über das Ergebnis.

(Foto: AP)

Jürgen Trittin legt sich fest: "Ohne höhere Steuern gibt es keine Spielräume. Und ohne Spielräume gibt es keinen grünen Wandel." Für diese Art der politischen Kommunikation hatte er auf dem kleinen Parteitag der Grünen am Samstag heftige Kritik kassiert. Doch Schwarz-Grün ist bei den Grünen derzeit kaum ein Thema.

Der ehemalige Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin hat bezweifelt, dass schwarz-grüne Sondierungsgespräche erfolgreich sein würden. Er sei "nicht sehr optimistisch, dass dabei etwas herauskommt", sagte er dem "Spiegel". Zu Sondierungen seien die Grünen bereit. "Aber wir sind sehr, sehr skeptisch, ob es dafür eine stabile politische Grundlage gibt."

Seinen Rückzug vom Amt des Fraktionschefs begründete er mit dem sich abzeichnenden Gang der Grünen in die Opposition. "Ich hatte nie vor, die Grünen wieder in den Wahlkampf zu führen", sagte er. "Und da wir nun wahrscheinlich die nächsten vier Jahre in der Opposition verbringen, ist es konsequent, die Vorbereitung auf die Wahl 2017 jüngeren Kräften zu überlassen."

Von führenden Grünen aus dem Realo-Lager war Trittin für die Wahlschlappe verantwortlich gemacht worden. "Man muss auch offen sein, sich einmal belehren zu lassen und nicht selber zu belehren", sagte etwa der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Samstag auf einem kleinen Parteitag der Grünen in Berlin. "Deshalb, lieber Jürgen, darf das Hauptwort nicht mehr Angriff sein."

"Ohne höhere Steuern gibt es keinen grünen Wandel"

Für den Fall einer schwarz-grünen Regierung forderte Trittin im "Spiegel"-Interview "zehn Milliarden Euro mehr für Bildung und eine klare Ansage, wie diese Summe gegenfinanziert wird - da kommt man um die Abschaffung des Betreuungsgeldes nicht herum". Auch die von den Grünen geplanten Steuererhöhungen für Spitzenverdiener stehen weiter auf Trittins Liste: "Ohne höhere Steuern gibt es keine Spielräume. Und ohne Spielräume gibt es keinen grünen Wandel."

CSU-Chef Horst Seehofer hatte Steuererhöhungen erst gerade kategorisch ausgeschlossen. Wenn beide Seiten bei ihrem Wort bleiben, ist Schwarz-Grün damit so gut wie vom Tisch. Allerdings wurde auf dem kleinen Parteitag deutlich, dass Schwarz-Grün bei den Grünen derzeit ohnehin kaum ein Thema ist - zu sehr ist die Partei mit der Selbstfindung beschäftigt.

Außerdem verlangte Trittin "die notwendigen Schritte zur Rettung der Energiewende", die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und den Einstieg in eine Bürgerversicherung. Auf dem kleinen Parteitag der Grünen am Samstag hatten viele Redner gerade daran deutliche Kritik geübt, dass die Grünen ihren Weg - sprich: die Steuererhöhungen - wichtiger nähmen als das Ziel einer ökologischen Erneuerung.

"Ich bleibe ein Grüner"

Dem baden-württembergischen Regierungschef Kretschmann schob Trittin eine Mitverantwortung für das Wahlprogramm zu, das jetzt für die Niederlage verantwortlich gemacht wird. "Das Steuerkonzept, das erstmals 2011 auf dem Parteitag in Kiel beschlossen wurde, war sehr eng mit der Stuttgarter Staatskanzlei abgestimmt."

In dem Interview vermittelt Trittin einen ähnlichen Eindruck wie auf dem kleinen Parteitag am Samstag: Er verteidigt seinen Kurs als richtig, weist darauf hin, dass er von der Partei insgesamt getragen wurde und suggeriert, dass die Gesellschaft einfach noch nicht so weit sei wie die Grünen. Auch für diese Haltung hatte Trittin am Samstag heftige Kritik einstecken müssen. "Wollen wir die Gesellschaft mitnehmen oder belehren?", hatte der schleswig-holsteinische Energiewende-Minister Robert Habeck rhetorisch gefragt.

Bei allem Streit plant Trittin offenbar keinen Bruch mit den Grünen, wie ihn der frühere Außenminister Joschka Fischer nach seinem Abgang de facto vollzogen hat. "Ob jemand sich als Statesman versteht, bleibt ihm überlassen", sagte er dem "Spiegel" auf die Frage, ob er jetzt wie Fischer "Younger Elder Statesman" werden wolle. "Ich bin ein Grüner, und das werde ich bleiben."

Derweil scheint alles auf eine Große Koalition hinauszulaufen. Die SPD hatte am Freitagabend auf einem Parteikonvent beschlossen, in Sondierungsgespräche mit der Union zu gehen. CSU-Chef Seehofer sagte der "Bild am Sonntag", seine Partei habe "eine klare Präferenz" für die Große Koalition. CDU-Vizechefin Julia Klöckner wiederholte in der "Welt am Sonntag" ihre Formulierung: "Mein Bauch sagt: Schwarz-Grün. Mein Kopf sagt: Schwarz-Rot." Am Ende werde es wohl eine Große Koalition.

Quelle: ntv.de, hvo

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