Auch Ägypten warnt Assad Türkei macht Syrien weiter Druck
10.08.2011, 15:36 Uhr
Syrische Panzer am 9. August in der Stadt Deir al-Zor.
(Foto: AP)
Die Türkei drängt den syrischen Präsidenten Assad weiter zu einem Ende des gewaltsamen Vorgehens gegen Regimegegner. Ministerpräsident Erdogan sagt, er erwarte auf kurze Sicht Reformen von Damaskus. Auch Ägypten schlägt einen schärferen Ton gegenüber Assad an und warnt vor ausländischer Einmischung. Trotzdem rollen die Panzer weiter.

Recep Tayyip Erdogan hat nur eine Botschaft für Baschar al-Assad: "Stoppen Sie alle Formen von Gewalt und Blutvergießen".
(Foto: REUTERS)
Die Türkei übt weiter Druck auf die syrische Führung aus. Er erwarte, dass Syrien in den nächsten zehn bis 15 Tagen Reformen einleiten werde, sagte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Der syrische Präsident Baschar al-Assad sei unmissverständlich aufgefordert worden, das Blutvergießen zu beenden.
Zuvor hatte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu am Dienstag in Damaskus vergeblich versucht, Assad in einem zweistündigen Gespräch zu einer Aufgabe seines brutalen Vorgehens gegen die Opposition zu bewegen. Assad reagierte ungehalten und drohte mit Krieg "in der ganzen Region". Seine Regierung werde im Kampf gegen "terroristische Gruppen" nicht nachlassen.
"In Syrien zielt der Staat mit Waffen auf die eigene Bevölkerung", sagte Erdogan. "Die Botschaft der Türkei an Assad ist sehr klar: Stoppen Sie alle Formen von Gewalt und Blutvergießen."
Bundesaußenminister Guido Westerwelle betonte unterdessen die Schlüsselrolle der Türkei bei der Lösung der Syrien-Krise. Der FDP-Politiker habe nach dessen Gespräch mit Assad ein längeres Telefonat mit Davutoglu geführt, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. "Außenminister Westerwelle begrüßt ausdrücklich die führende Rolle der Türkei in der Syrien-Frage und sieht die Türkei in einer Schlüsselrolle in Bezug auf Syrien." Der Minister lege großen Wert auf eine enge Abstimmung mit der Türkei über das weitere Vorgehen.
USA verhängen Sanktionen
Eine Sprecherin des US-Außenministeriums erklärte, es sei sehr bedauerlich, dass Assad den lauter werdenden internationalen Protest ignoriere. Susan Rice, US-Botschafterin bei der UNO ließ verlauten, Assad habe "seine Legitimität zu herrschen verloren und Syrien wäre ein besserer Ort ohne ihn". Eine Sprecherin des französischen Außenministeriums betonte, die Zeit für taktische Spielchen, um Zeit zu gewinnen, sei vorbei.
Washington verhängte angesichts der anhaltenden Welle der Gewalt Sanktionen gegen die größte Privatbank und die größte Mobilfunkgesellschaft Syriens. Beide Unternehmen gehörten zur "finanziellen Infrastruktur", die Staatschef Assad und das Regime in Damaskus unterstützten, teilte das Finanzministerium zur Begründung mit. US-Bürgern ist es damit untersagt, mit diesen Unternehmen zusammenzuarbeiten.
Faktisch trifft dies die Wirtschaftsinteressen des Assad-Cousins Rami Machluf. Dieser hatte zwar vor knapp zwei Monaten den Rückzug aus seinen Unternehmen angekündigt. Von der Opposition wurde dies allerdings mit Vorbehalten aufgenommen.
Ägypten spricht von Einmischung

Ägyptens Außenminister Mohammed Kamel Amr spricht von einer Einmischung des Auslands.
(Foto: picture alliance / dpa)
Auch Ägypten verstärkte den Druck auf den syrischen Präsidenten. Die Situation in Syrien bewege sich auf einen Punkt zu, an dem es keine Umkehr gebe, sagte Außenminister Mohammed Kamel Amr nach einer Meldung der staatlichen Agentur Mena. Nur wenn es nationale Reformen gebe, könne eine ausländische Einmischung vermieden werden.
Bei einem Treffen mit den Vize-Außenministern von Brasilien, Indien und Südafrika habe Assad eine Fortsetzung des Formprozesses versprochen, teilten die drei Staaten mit. Zudem habe er den Sicherheitskräften "einige Fehler" zu Beginn der Proteste bescheinigt. Nach eigenen Angaben rief die Delegation bei ihrem Besuch in Damaskus Assad aber zu einem "sofortigen Ende der Gewalt" auf.
Trotz allen Drucks drangen syrische Panzer und Soldaten nach Augenzeugenberichten in zwei Ortschaften nahe der türkischen Grenze ein. Dabei sei eine Frau getötet und 13 weitere verletzt worden, teilten Menschenrechtler mit. Zudem wurden laut Oppositionsaktivisten im zentralsyrischen Homs mindestens 17 Menschen von Sicherheitskräften erschossen. Aus der Protesthochburg Deir al-Zor war nach Berichten von Einwohnern heftiges Schusswaffen-Feuer zu hören während Truppen in der Stadt Menschen Verhaftungen und Anti-Assad-Slogans von Häuserwänden mit Farbe übersprühten.
Damaskus zieht Soldaten ab
Derweil zog die syrische Armee zehn Tage nach ihrem Einmarsch in Hama zahlreiche Soldaten aus der Stadt im Zentrum des Landes ab. Wie Journalisten auf einer von der Regierung organisierten Pressereise in die Stadt beobachteten, verließen etwa 40 Militärfahrzeuge die Rebellenhochburg. "Mit unserer Seele und unserem Blut opfern wir uns für dich, Baschar", riefen Soldaten zu Ehren von Assad und erhoben ihre Zeige- und Mittelfinger zum Siegeszeichen.
Vor dem Abzug seien "Sicherheit und Stabilität in der Stadt wiederhergestellt worden", erklärte die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana. Der türkische Ministerpräsident Erdogan bezeichnete den Abzug der Truppen aus Hama als "Zeichen dafür, dass unsere Initiative Früchte trägt".
Nach Massenprotesten der Bevölkerung war die syrische Armee am 31. Juli nach Hama einmarschiert. Allein an diesem Tag tötete sie in der Stadt nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten etwa hundert Zivilisten. Während der seitherigen Belagerung Hamas kamen demnach dutzende weitere Menschen ums Leben. Syrische Sicherheitskräfte gehen auch in anderen Städten des Landes seit Monaten mit Gewalt gegen regierungskritische Proteste vor. Laut Aktivisten wurden bislang etwa 1650 Zivilisten und fast 400 Sicherheitskräfte getötet.
Quelle: ntv.de, AFP/rts/dpa