Wiki-Leck in Israel? Türkei sieht Enthüllungsgewinner
02.12.2010, 13:27 UhrDie politische Spitze der Türkei kommt in den aktuellen Wikileaks-Enthüllungen nicht eben gut davon. Islamistische Phantasien, heikle Waffengeschäfte, angebliche Auslandskontonten des Ministerpräsidenten und eine gute Portion Verschwörungstheorien kennzeichneten die Politik in Ankara. Die türkische Seite kann sich die Herkunft der Informationen genau erklären.
Die Wikileaks-Enthüllungen der vergangenen Tage haben in der Türkei Spekulationen über die Rolle Israels bei den Veröffentlichungen ausgelöst. Wenn man sich anschaue, wem die Dokumente nützten und wem sie schadeten, dann sehe alles danach aus, als ob die Entwicklung günstig für Israel sei, sagte Innenminister Besir Atalay in Ankara. US-Diplomaten in Ankara hatten in mehreren über Wikileaks veröffentlichten Memos islamistische Tendenzen in der Türkei beklagt.
Der stellvertretende Vorsitzende der religiös-konservativen Regierungspartei AKP, Hüseyin Celik, verwies darauf, dass sich Israel über die Veröffentlichungen von Wikileaks freue und teilweise die Enthüllungen bereits kommentiere, bevor sie überhaupt von Wikileaks publik gemacht würden. Staatspräsident Abdullah Gül sagte Journalisten während seines Besuches beim OSZE-Gipfel in Kasachstan, er vermute ein "Ziel" hinter den Wikileaks-Memos und frage sich, was wohl über Israel zu lesen sein werde.
Die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel sind seit langem gespannt und befinden sich seit dem israelischen Angriff auf türkische Schiffe mit Hilfsgütern für Gaza Ende Mai in einer tiefen Krise. Die israelische Regierung macht die türkische Führung für die Verschlechterung verantwortlich. Laut Wikileaks stellten israelische Vertreter in Gesprächen mit US-Diplomaten in den vergangenen Jahren die Frage, wie lange sich die strikt säkularistische Armee den Machtzuwachs von Islamisten in der Türkei untätig anschauen werde. Die türkischen Generäle haben seit 1960 vier Regierungen aus dem Amt gedrängt.
Handel und Überzeugungen
Ein geheimes Schreiben vom Februar dieses Jahres befasst sich mit Bemühungen türkischer Firmen, Waffengeschäfte mit dem benachbarten Iran ungeachtet des Atomstreits abzuschließen. In den US-Unterlagen finden sich dazu genaue Angaben, die von türkischer Seite allerdings inzwischen bestritten wurden.
Die Autoren der Berichte zeichnen ein Bild der Türkei, in dem islamistische Berater und Wirtschaftsleute zunehmenden Einfluss bekommen. Erdogan selbst informiere sich nur aus einer islamistisch geprägten Presse, kabelte die Botschaft. Er verlasse sich auf "Charisma, Instinkt und die gefilterten Informationen von Beratern, die Verschwörungstheorien aus dem Netz ziehen oder sich neo-osmanischen, islamistischen Fantasien hingeben".
Erdogan will klagen
Regierungschef Recep Tayyip Erdogan reagiert zunehmend gereizt auf die Wikileaks-Enthüllungen und erwägt nun gerichtliche Schritte. Ihm reiche eine Entschuldigung der US-Regierung für die von Wikileaks veröffentlichten kritischen Analysen zur Türkei nicht mehr aus, hieß es in den türkischen Medien. Erdogan fordere eine Strafverfolgung von US-Diplomaten, die in ihren Berichten geschrieben hatten. Erdogan berate sich mit dem türkischen Justizministerium. Dies wurde als politisches Signal verstanden, auch wenn Aussichten auf eine Anklage verschwindend gering seien.
Erdogan hatte am Vortag erklärt, die Berichte der US-Botschaft in Ankara über ihn und die Politik seiner Regierung seien voller Lügen und Fehlinterpretationen. Er bestritt insbesondere, Geld auf Konten in der Schweiz zu haben.
Quelle: ntv.de, AFP