Politik

Aufklärungsmission geht weiter UN-Team besucht syrische Krankenhäuser

Das UN-Team sprach mit Ärzten, Zeugen und Überlebenden.

Das UN-Team sprach mit Ärzten, Zeugen und Überlebenden.

(Foto: REUTERS)

Noch immer ist die Attacke mit hunderten Todesopfern in Syrien nicht aufgeklärt. Da greifen Heckenschützen UN-Experten an, die klären sollen, ob Giftgas zum Einsatz kam. Aufhalten können sie das Team der Vereinten Nationen aber nicht.

Nach dem mutmaßlichen Giftangriff in Syrien hat ein Experten-Team der Vereinten Nationen eine erste Untersuchung durchgeführt. Die Experten inspizierten einen Vorort von Damaskus, wie UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mitteilte. "Sie besuchten zwei Krankenhäuser, sie interviewten Zeugen, Überlebende und Ärzte und sie sammelten auch Proben."

Das Team um den schwedischen Wissenschaftler Ake Sellström will untersuchen, ob bei der Attacke am vergangenen Mittwoch Giftgas eingesetzt wurde. Laut Ärzte ohne Grenzen sind in von der Organisation betreuten Krankenhäusern 3600 Menschen mit Symptomen von Nervengift behandelt worden. Von ihnen seien 355 gestorben. Die UN-Überprüfung soll bis zu 14 Tage dauern. Das syrische Regime hatte ihr erst am Sonntag überraschend zugestimmt.

Das Team war am Morgen in das Gebiet östlich von Damaskus aufgebrochen, als ihr Fahrzeug  von unbekannten Heckenschützen mehrmals beschossen wurde. Die Experten überstanden den Angriff unverletzt. Weil ihr Wagen aber nicht mehr fahrtüchtig war, mussten sie nach Damaskus zurückkehren. In einem Ersatzwagen konnte sie schließlich doch noch aufbrechen.

Jede Stunde zählt

Der UN-Generalsekretär kündigte an, er werde sich bei der syrischen Regierung und bei den oppositionellen Kräften beschweren. Dies dürfe nie wieder geschehen. Die Sicherheit der Untersuchungsteams müsse in Zukunft garantiert sein.

Wer für den Angriff verantwortlich ist, blieb unklar. Regimegegner berichteten, regierungstreue Milizen hätten vom Messe-Militärflughafen aus das Feuer auf das UN-Team eröffnet. "Sie wollen verhindern, dass die Inspekteure zu uns kommen", sagte ein Revolutionär, der nach eigenen Angaben am Ortseingang von Moadhamijat al-Scham auf die Ankunft der UN-Mitarbeiter wartete. Die oppositionelle Nationale Syrische Allianz verurteilte den Angriff und beschuldigte "Milizionäre der Volkskomitees des Assad-Regimes". Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete dagegen, "bewaffnete Terrorgruppen" hätten die Inspekteure angegriffen.

Zuvor hatte Ban bereits gewarnt, bei der Aufklärung der Attacke zähle jede Stunde. "Wir können uns keine weiteren Zeitverzögerungen leisten." Die internationale Gemeinschaft schulde es den Familien der Opfer, zu handeln. Alle Beteiligten müssten es der UN-Mission ermöglichen, ihre Arbeit zu tun, forderte er. "Das Team muss in der Lage sein, ungehindert eine vollständige und gründliche Untersuchung durchzuführen."

Ein Einsatz von Chemiewaffen wäre eine schwere Verletzung des Völkerrechts, sagte der UN-Generalsekretär weiter. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass diese in Syrien angewendet worden seien, dürfe ein solch schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht ungestraft bleiben. Gleichzeitig rief er alle kämpfenden Parteien im Syrien-Konflikt zu einer Waffenruhe auf.

Westlicher Militärschlag wird immer wahrscheinlicher

International haben die Berichte Entsetzen ausgelöst und einen westlichen Militärschlag wahrscheinlicher gemacht. Die USA bereiten sich auf ein Eingreifen vor, haben aber offiziell noch keine Entscheidung gefällt. "Bevor alle Fakten auf dem Tisch liegen und wir absolut sicher wissen, was in Syrien passiert ist, werde ich nichts zu möglichen Konsequenzen sagen", sagte US-Verteidigungsminister Chuck. Eine mögliche Reaktion werde aber immer mit der internationalen Gemeinschaft abgestimmt sein. Außenminister John Kerry kündigte eine Stellungnahme an.

Großbritanniens Außenminister William Hague sagte, ein militärisches Eingreifen wäre auch ohne einstimmiges Votum des Weltsicherheitsrates legitim. Premierminister David Cameron bricht wegen der Krise in Syrien seinen Urlaub ab und kehrt an diesem Dienstag nach London zurück. Er soll eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates leiten.

Auch Frankreich rechnet mit einer raschen Entscheidung. "Alles wird sich in dieser Woche abspielen", sagte Präsident François Hollande am Montag der Zeitung "Le Parisien". Es seien mehrere Optionen auf dem Tisch - "von einer Verstärkung der internationalen Sanktionen über Luftangriffe bis zur Bewaffnung der Rebellen". Die Türkei erklärte sich zur Teilnahme an einem Militärbündnis bereit.

Russland warnt USA vor Einmischung

Die UN-Vetomacht Russland, ein enger Verbündeter Syriens, warnte die USA vor einer militärischen Einmischung. Eine Intervention würde die Friedensbemühungen zerstören, sagte Außenminister Sergej Lawrow laut Mitteilung in einem Telefonat mit seinem US-Amtskollegen John Kerry. "Wir werden gegen niemanden kämpfen", fügte er vor Journalisten in Moskau hinzu. Die geplante neue Syrienkonferenz in Genf wird seiner Ansicht nach nicht vor Oktober stattfinden. Kremlchef Wladimir Putin telefonierte am frühen Abend mit Cameron.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte in Berlin: "Wenn sich ein solcher Einsatz bestätigen sollte, muss die Weltgemeinschaft handeln. Dann wird Deutschland zu denen gehören, die Konsequenzen für richtig halten." Ziel müsse aber eine politische Lösung bleiben. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, ein Giftgas-Angriff dürfte "nicht folgenlos bleiben".

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton wollte sich zu den Spekulationen über einen Militärschlag nicht äußern. Die Nato zeigte sich "sehr besorgt" über die Lage in Syrien.

Präsident Baschar al-Assad warnte, eine Intervention werde islamistische Terrorgruppen stärken. In einem Interview mit der russischen Zeitung "Iswestija" wies er die Giftgas-Vorwürfe als "Nonsens" zurück. In Moskau wurde Assad zudem mit den Worten zitiert: "Auf die USA wartet ein Fehlschlag wie in allen von ihnen entfesselten Kriegen seit dem Vietnamkrieg bis heute."

Quelle: ntv.de, hah/dpa

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