Romney vor Nominierung Gestatten: Mr. Unbeliebt
27.08.2012, 15:58 Uhr
Mitt Romney möchte bald ins Weiße Haus einziehen.
(Foto: REUTERS)
Beim republikanischen Parteitag in Florida will sich Romney nicht nur den offiziellen Segen seiner Partei abholen. Er will auch die Chance nutzen, sich dem US-amerikanischen Volk neu vorzustellen. Denn so viele Wähler ihm die Kompetenz zum Regieren zutrauen, mögen tun sie ihn nicht.
Verspätungen haben eine ganz besondere Bedeutung für Mitt Romney. Als Macher von Millionen-Deals bei Bain Capital und Olympia-Retter hatte er besonders wenig Verständnis dafür, sie passen nicht zum strengen Arbeitsethos des Workaholics. Als Politiker aber musste sich Romney ans Warten gewöhnen, es ist sogar fast so etwas wie ein Markenzeichen seiner zweiten Karriere geworden. Den Posten als Gouverneur von Massachusetts gewann er erst, nachdem seine Kampagne für den US-Senat gescheitert war. Und für die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner bewirbt sich der fotogene Mormone inzwischen seit gut sechs Jahren.
Am Donnerstag ist es nun endlich soweit: In Tampa, Florida, schicken die US-Konservativen Romney offiziell ins Rennen um das Weiße Haus. Vorbei die Zeit, in der seine Partei verzweifelt eine Alternative nach der anderen ausprobierte: den abgedrehten Herman Cain, den bäuerlichen Rick Perry, den selbstverliebten Newt Gingrich, den missionarischen Rick Santorum. Romney kämpfte sie alle nieder, mal mit staatsmännischer Eleganz, mal mit brutaler Werbemacht. Der Parteitag in Florida ist auch sein Lohn für Geduld und Zähigkeit. Doch natürlich geht auch dieses Mal nicht alles glatt, Tropensturm Isaac wirbelt das Programm von Romneys Krönung durcheinander.
Privilegiert geboren und unbeliebt
Trotzdem ist Mitt Romney nun fast am Ziel der Reise angekommen, für die seine Biografie die Route vorgezeichnet hat: Sohn eines politisch einflussreichen Industriekapitäns, führendes Mitglied einer ambitionierten Glaubensgemeinschaft, fleißiger Elite-Student, begabter Finanzjongleur, solider Gouverneur. Seine nächste Büroadresse soll "1600 Pennsylvania Avenue NW, Washington, DC 20500" lauten, die prominenteste Anschrift der USA. Dort sitzt mit Barack Obama allerdings ein Mann, der all das verkörpert, was Mitt Romney nie war, und doch so gerne wäre.

Ein Mann mit vielen Gesichtern: Romney versucht sich von seiner besten Seite zu zeigen.
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Vor allem beliebt. Fast die gesamte (westliche) Welt fieberte mit, als Obama 2008 in den Präsidentschaftswahlkampf eintrat. Wie ein Messias wurde der junge Senator aus Illinois empfangen, dabei hatte er außer einer faszinierenden Lebensgeschichte und großem rednerischen Talent nur das vage Versprechen von "Hoffnung und Wandel" anzubieten. Versuche der Republikaner, ihn als naiven Träumer als unwählbar hinzustellen, schlugen fehl. Erst jetzt, nach vier Jahren in der Realität politischer Grabenkämpfe, ist viel vom einst glänzenden Lack ab. Doch bei der Beliebtheit schlägt der Mann aus Chicago den Mann aus Boston immer noch um Längen.
Privat ein Pfundskerl
Deswegen öffnet seine Kampagne Stück für Stück auch das Allerheiligste für die Öffentlichkeit: das Privatleben des Kandidaten. Den Zugang bewacht der Mormone Romney so argwöhnisch wie seine Glaubensbrüder den Zugang zum Tempel in Salt Lake City. Dabei ist der private Romney durchaus ein Mann, den man gerne zum Nachbarn haben will.
Erzählt wird die Geschichte eines warmherzigen Patriarchen, der seine Frau Ann vergöttert, für seine Kinder alles tut und auch seine Freunde nicht vergisst. Einmal zwangsrekrutierte er seine Bain-Kollegen für eine Suchaktion, nachdem die Tochter eines Bekannten verschwunden war. Sie fanden das Mädchen später in einem Keller. Als Gouverneur nahm er sich einmal extra frei, um einer Freundin der Familie beim Umzug zu helfen. Und immer wieder zückte Romney das Scheckbuch, wenn ihn Freunde um Geld baten. Vom Hauskredit bis zum Medizinstudium, Mitt war da, wenn man in brauchte. Häufig vergab er Schulden komplett, gerne auch mal per Weihnachtskarte.
Anders als bei Obama glänzte Romneys Vater nicht durch ständige Abwesenheit, im Gegenteil: George Romney legte nicht nur wirtschaftlich das Fundament für Mitts Karriere, er prägte die Ambitionen seines Jüngsten nachhaltig. Von ihm lernte der Sohn die geschäftsmännische Tüchtigkeit und eiserne Disziplin, mit der er sich später selbst zum Millionär machte. Vor allem aber erlebte er hautnah die bittere Niederlage seines Vaters mit, als dieser 1968 Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden wollte, aber gegen Richard Nixon unterlag.
Vater als Leitfigur

Romney und seine Frau Ann.
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Doch es gibt auch noch den "anderen Mitt". Und der erinnert kaum noch an den moderaten, bodenständigen George Romney, der sich als Wohnungsbauminister einst gegen die Rassentrennung stemmte und Schwarze aus ihren Innenstadt-Ghettos holen wollte. Eher an den Film-Fiesling Gordon Gecko aus "Wall Street": Ein von der wirtschaftlichen Realität normaler Menschen losgelöster Finanzhai, der seinen eigenen Erfolg zum Maßstab macht und Sozialprogramme der Regierung als Schmarotzersubvention verteufelt – weil Leute wie er sie nicht brauchen, aber dafür mit ihren Steuern zahlen. Dass er nun den knallharten Sparer Paul Ryan zu seinem Vize gemacht hat, ist mehr als nur die Verneigung vor dem rechten Flügel der Republikaner.
Freiheit in Amerika, sagt Romney, ist die Möglichkeit, ungezügelt dem Erfolg nachzujagen. Dass er selbst mit einem Vorsprung ins Rennen ging, vergisst Romney dabei des Öfteren. Bei seinesgleichen kommt er damit freilich sehr gut an: Romneys Leidenschaft fürs Geschäftemachen gipfelte in der Aussage, dass "Firmen auch Menschen sind". Deswegen sollten sie auch uneingeschränkt Geld für Wahlkampf ausgeben dürfen. Die konservative Mehrheit der Obersten Verfassungsrichter sah das genauso. Jetzt sammelt Romney erfolgreicher als Obama Spenden – vor allem von Konzernen und Bankern an der Wall Street.
Distanziert, aber effizient
Er ist eben keiner, der mit Geschichten über seine alleinerziehende Mutter berührt, um danach aus dem Handgelenk Drei-Punkte-Würfe zu versenken, der Kinder mit Grimassen zum Lachen unterhält, beim Gala-Dinner Witze reißt oder mit authentischer Coolness über seine Drogenerfahrungen spricht. Eher ein smarter Problemlöser, ein verschwiegener Spaß-Asket. Gelegentliche Humor-Vorstöße Romneys enden schon mal im Fiasko. Unvergessen seine Wette um 10.000 Dollar mit Parteikollege Rick Perry bei einer der vielen Vorwahl-Debatten. Oder sein jüngster Ausrutscher, als er vor Wählern in Michigan witzelte, dass ihn "niemand jemals nach seiner Geburtsurkunde gefragt" habe. Er wollte witzig sein, doch gelacht haben nur jene Amerikaner, die Obama noch immer für einen muslimischen Kenianer halten.
Eher traut man Romney zu, die Kontrolle über ein schwächelndes Unternehmen an sich zu reißen und effizienter zu machen – emotionslos, geleitet nur von der Menge an Daten, die er zuvor akribisch hat sammeln lassen. So wie damals bei Bain Capital, als er neue oder angeschlagene Firmen kaufte, um sie mit analytischem Verstand auf die Erfolgsspur setzte. Zum Beispiel die heute erfolgreiche Bürobedarf-Kette Staples. Oder die er in den Bankrott schickte, so wie GTS Steel in Kansas. Rund 700 Angestellte verloren ihre Jobs.
Harter Kirchenmann
"Wer mich anheuerte, war am Ende auch zufrieden mit mir", sagte Romney jetzt dem konservativen "Wall Street Journal". Bei Bain Capital würden sie das auf jeden Fall unterschreiben, die Firma holte ihren Ex-Chef sogar noch einmal zurück, nachdem dieser die Olympischen Spiele in Salt Lake City vor dem Ruin bewahrt hatte. Doch die Demokraten fanden zuletzt viele Menschen, deren Leben durch Romney nicht unbedingt verbessert wurde.
Nicht nur wirtschaftliche Narben hat Romney hinterlassen. Als Bischof der Mormonen in Boston bewies er sich als tüchtiger Gemeindevorsteher, aber auch als kompromissloser Theologe. Einer allein erziehenden Mutter von drei Kindern drohte er einst mit Exkommunikation, falls sie ihr Neugeborenes nicht zur Adoption freigeben würde. Eine unverheiratete Frau ist in den Augen der mormonischen Kirche kein geeignetes Umfeld für ein Kind, so der junge Bischof.
Konstant wandelbar
Keine Anekdoten, die zu Herzen gehen. Dabei möchte Romney so gerne gemocht werden. Deswegen änderte er im Laufe seines politischen Aufstieges auch regelmäßiges seine Meinung, um sich dem Trend seiner Partei anzupassen. Die rückte nach rechts, und Romney rückte mit. Von seiner eigenen Gesundheitsreform spricht er inzwischen nur noch sehr selektiv, schließlich war sie das Vorbild für Obamas historisches Gesetzespaket. Abtreibung, Einwanderung, Steuererhöhungen, Waffengesetze, Ronald Reagen: Bei fast allen Themen, die den Republikanern heute wichtig sind, hatte Romney schon einmal ganz andere Positionen eingenommen – solche, die ihn heute für seine Partei unwählbar machen würden. Im Vorwahlkampf umwarb er die ultra-konservative Tea Party mit dem Versprechen, Steuern für alle Amerikaner zu senken, auch für die Wohlhabenden wie sich selbst. Dass er seit Jahren einen geringeren Teil seiner Einkünfte abführt als die meisten Bürger, kann man nur vermuten. Denn seine Steuerunterlagen bleiben größtenteils verschlossen.
Sein Vater George war da anders, er legte seine Bücher offen, als er US-Präsident werden wollte. Doch er galt auch als zu wenig konservativ, ein Label, dass Sohn Mitt nun tunlichst vermeiden will. Bis zum November wird er dennoch versuchen, wenigstens sein Image ein wenig zu glätten und ansprechender zu machen. Amerika wird mehr vom privaten Mitt hören, weniger vom offiziellen Mitt. Tampa ist also auch ein großes Kennenlern-Fest. Und mit der Nominierung ist Mitt Romney seinem legendären Vater zumindest in einer Hinsicht schon mal weit voraus.
Quelle: ntv.de