Die Kolumne zur US-Wahl Nicht geheime Geheimnisse
15.06.2012, 10:52 UhrWas der US-Geheimdienst macht, ist streng geheim. Eigentlich. Immer wieder gelangen jedoch vertrauliche Informationen zur Sicherheit der USA an die Öffentlichkeit. Die Republikaner wittern Wahlkampftaktik. Obama ist beleidigt.
Überraschend haben die Amerikaner von vertraulichen Informationen erfahren, die die nationale Sicherheit betreffen - ein verblüffendes Geheimnis jagt das nächste. Die Republikaner sehen darin ein Wahlkampfmanöver der Demokraten, um Obama zur Wiederwahl zu verhelfen. Die Wahl findet in fünf Monaten statt und Obama liegt in einigen Umfragen mit seinem Herausforderer Mitt Romney gleichauf. Der Republikaner Romney hat sich als der größere Experte in Wirtschaftsfragen präsentiert, doch in den letzten Wochen quellen Bücher, Magazine und Zeitungen über mit fesselnden Beiträgen und Reportagen über erfolgreiche Spionage-Aktionen und Machenschaften der Regierung Obama.
Die Wähler erfuhren Einzelheiten über streng geheime Operationen, zum Beispiel über die Cyberattacken auf das iranische Atomprogramm. Ebenfalls wurde publik, dass es den Amerikanern gemeinsam mit anderen Staaten gelungen ist, im Jemen einen Maulwurf im Terrornetzwerk von Al Kaida einzuschleusen. Ein Journalist der "New York Times" hat ein großartiges Buch mit dem Titel "Confront and Conceal" ("Konfrontieren und Verbergen") geschrieben; ein geheimnisumwitterter Bericht über Obamas Außenpolitik, in dem der Präsident als ein informierter, engagierter und kühner Oberbefehlshaber porträtiert wird, den auch Hollywood nicht schöner erfinden könnte.
"Beleidigend und falsch"

Jonathan Mann, CNN.
Der riskante Angriff auf Osama Bin Ladens geheime Wohnanlage im letzten Jahr gilt als großer Coup der Regierung. Für sämtliche Informationen hinsichtlich der Tötung des Terrorführers gilt die höchste Geheimhaltungsstufe. Kürzlich wurde allerdings bekannt, dass diese eventuell verletzt wurde und Regisseuren, die einen Film drehen wollen, Details zugänglich gemacht wurden. "Das ist eine Beleidigung für alle, die im Geheimdienst tätig sind und dort unvorstellbar schwierige Arbeit verrichten", meinte der republikanische Senator John McCain. "Nach Einschätzung vieler Experten handelt es sich um die schwersten Verstöße aller Zeiten." Einige führende Demokraten zeigen sich verärgert über die undichten Stellen, doch sie schreiben diese nicht dem Wahlkampf zu. Die Republikaner sind wesentlich wütender, und das nicht nur über die Preisgabe von Staatsgeheimnissen. Ihrer Meinung nach ließ die Regierung zu viel Zeit verstreichen, bis sie den Vorfall einer ordentlichen Untersuchung unterziehen wollte.
Ein paar Republikaner, die bereits zuvor Kritiker von Obamas Justizminister Eric Holder waren, fordern nun sogar seine Entlassung. Holder hat zwei Sonderermittler ernannt, die herausfinden sollen, wie die Geheimnisse nach außen dringen konnten. Bei einer Pressekonferenz in dieser Woche sagte Obama, ihn kränke die Unterstellung, man ließe aus wahltaktischen Gründen vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen.
"Die Auffassung, dass mein Weißes Haus absichtlich geheime, die nationale Sicherheit betreffende Informationen herausgegeben hat, ist beleidigend", sagte Obama. "Und sie ist falsch." Auf der ganzen Welt gibt es Leute, die glauben, Washington sei ein Ort unzähliger, nicht gelüfteter Verschwörungen. Das wäre möglich. Doch in letzter Zeit deuten die Beweise eher auf das Gegenteil hin: Washington ist genau der Ort, von dem aus die allerbesten Geheimnisse früher oder später auf dem Titelblatt landen.
Quelle: ntv.de