Ryan begeistert beim Parteitag der Republikaner Romneys dunkler Prinz
30.08.2012, 11:44 UhrEin Ex-Gouverneur ist ihr Kandidat, ein Abgeordneter aber der Star. Paul Ryan hat sich mit einer umjubelten Rede beim Parteitag zu Romneys konservativem Schatten gemacht. Vor allem sein umstrittenes Sparprogramm wird nun zum Fokus des Wahlkampfes – und setzt Romney unter Druck. Der aber hat das letzte Wort.
Eigentlich könnten die Republikaner in Florida ihre Zelte jetzt abbrechen, es ist alles gesagt, was zu sagen war. Ihr politischer Taktgeber hat Präsident Barack Obama den Fehdehandschuh mit Karacho ins Gesicht geknallt und dafür tosenden Applaus geerntet. Sein Plan, mit dem die Konservativen nach einer Machtübernahme die USA regieren wollen, steht: Steuern kürzen, Obamas Reformen abschaffen und den Staatshaushalt schrumpfen. "Wir werden den harten Themen nicht ausweichen, wir werden vorangehen", hat Paul Ryan in seiner Parteitagsrede am Mittwoch versprochen. Der junge Abgeordnete ist der Mann der Stunde.
Aber eben nicht der eigentliche Präsidentschaftskandidat, sondern nur dessen Vize. Denn eigentlich soll ja Mitt Romney im nächsten Jahr die Regierungsgeschäfte von Obama übernehmen. Die meisten Republikaner haben sich mit dem Gedanken inzwischen angefreundet, wenn auch nach größeren Bedenken. Denn ihre Leidenschaft hat der spröde Ex-Gouverneur mit den wandelbaren Meinungen nicht geweckt. Jedenfalls nicht so wie nun der stramme Ideologe Paul Ryan.
Angriff auf Obama
Der wusste genau, welche Wortwahl beim Parteitag Jubel auslöst. Die Zeit der Demokraten und Obama sei vorbei, so Ryan. Lösungen für die Probleme des Landes hätten sie keine mehr, nur " Angst und Spaltung". Dem Millionenheer der Arbeitslosen habe sich der Präsident nicht angenommen. "Stattdessen bekamen wir einen langen, Alles-oder-nichts-Versuch der Regierung, das Gesundheitswesen zu übernehmen." Fünf Billionen Dollar neue Schulden habe Obama angehäuft, sein Hilfsprogramm für die Wirtschaft aber sei wirkungslos geblieben.
Am schlimmsten aber sei jedoch der Angriff auf "Medicare", das staatliche Versicherungssystem für Rentner. Für "Obamacare", wie die Republikaner Obamas historische Gesundheitsreform abfällig nennen, würden über 700 Milliarden Dollar bei Medicare abgezweigt. Leidtragende wären alte Menschen wie seine Oma Janet, die vor ihrem Tod an Alzheimer erkrankte. "Eine Romney-Ryan-Regierung wird Medicare schützen und stärken, für die Generation meiner Mutter, für meine Generation, für die meiner und eurer Kinder."
Viele offene Fragen
Wie genau das passieren soll, sagte Ryan allerdings nicht. Dabei ist bekannt, dass sein Plan eine Privatisierung von "Medicare" vorsieht und er selbst die gleiche Summe wie Obama kürzen würde, nur an anderen Stellen. Das aber lehnt eine Mehrheit der amerikanischen Wähler ab, so wie viele weitere Punkte von Ryans hartem Sparkurs.
Auch mit Details zu vergangenen Entscheidungen ging der ansonsten übergründliche Budget-Nerd eher knauserig um. Kein Wort über seien Zustimmung zu einigen der kostspieligsten Großprojekte der Bush-Regierung: dem Irakkrieg, der Rettung des kriselnden Bankensystems, einer massiven Steuerkürzung – und ausgerechnet einer Erweiterung des staatlichen Medicare-Programmes.
Kleine Unwahrheiten zwischendurch
Mit einigen Aussagen ging Ryan so kreativ um, dass die Faktenprüfer vieler Redaktionen noch einen langen Arbeitstag hatten. So zum Beispiel die Geschichte einer General Motors Fabrik in seiner Heimatstadt Janesville, Wisconsin: Der habe Obama 2008 angeblich zugesichert, sie würde es "noch weitere einhundert Jahre geben", trotz der Krise des Autobauers. "Nun, wie sich herausgestellt hat, schaffte sie es kein weiteres Jahr", sagte Ryan. Tatsächlich schloss die Fabrik jedoch schon vor dem Amtsantritt des Demokraten seine Tore, wie mehrere US-Medien berichten.
Auch, dass Ryan einst selbst um Gelder aus Obamas Hilfspaket für die kriselnde Wirtschaft bat, erwähnte er nicht. Und sein Vorwurf, der Präsident habe die Vorschläge seines eigenen Sonderkomitees zum Schuldenabbau ignoriert, klingt hohl: Schließlich war Ryan selbst Mitglied der Expertengruppe und lehnte deren Ergebnis später ab.
Romneys Schachzug?
Für die Republikaner in Tampa aber machte das keinen Unterschied. Für sie ist der 42-Jährige mit der hübschen Familie und der klaren politischen Linie zur neuen Symbolfigur der Partei geworden. Dass er sich für Inspiration vor allem an der Wirtschaftsphilosophie der Reagan-Jahre orientiert, macht ihn doppelt wertvoll: Ryan ist der personifizierte Brückenschlag zwischen dem erz-konservativen Ex-Präsidenten aus Kalifornien und der neuen republikanischen Politiker-Generation.
Das letzte Wort aber hat nun Mitt Romney, und nicht nur beim diesjährigen Parteitag. Denn ob Ryans Haushaltsplan tatsächlich zum Kompass einer Romney-Regierung werden würde, steht noch gar nicht fest. Schon kurz nachdem Ryans Ernennung zur Nummer 2 bekannt wurde, versuchte die Kampagne von Romney, einen Puffer zwischen den beiden Männern aufzubauen. Romney habe eigene Pläne, teilten seine Sprecher in diversen politischen Talkshows mit. Wie viel davon deckungsgleich mit dem von Ryan ist, ließen sie hingegen offen.
Möglich also, dass Romney mit Ryans Ernennung zum Vize auch ein wenig Selbstschutz betrieben hat. Sollte er ins Weiße Haus einziehen, wäre der smarte Budget-Guru Ryan vor allem seinem Chef verpflichtet, nicht den Republikanern im US-Kongress. Die müssten sich dann einen neuen Anführer suchen. Der aktuell beste Mann säße dann ein paar Straßen weiter.
Quelle: ntv.de