Politik

Nach brutalem Polizeieinsatz in Kiew USA erwägen Sanktionen gegen Ukraine

Bild mit Symbolcharakter: Ein einzelner Demonstrant steht mit einer EU-Flagge den Polizisten gegenüber.

Bild mit Symbolcharakter: Ein einzelner Demonstrant steht mit einer EU-Flagge den Polizisten gegenüber.

(Foto: imago stock&people)

Die pro-westlichen Demonstrationen in der Ukraine stoßen auf offene Ohren in der EU und den USA. Washington überlegt nun sogar, Sanktionen gegen die Janukowitsch-Regierung zu erlassen. Die Fronten verhärten sich, die Opposition um Vitali Klitschko sieht kaum noch Chancen auf eine Einigung mit dem Präsidenten.

Die USA erwägen angesichts der Gewalt gegen Demonstranten in der Ukraine Sanktionen gegen die Regierung in Kiew. Derzeit würden alle politischen Möglichkeiten geprüft, teilte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Jen Psaki, mit. Eine Entscheidung sei noch nicht gefallen. Psaki ging nicht näher darauf ein, über welche Maßnahmen nachgedacht wird. In der vorangegangenen Nacht hatte die Bereitschaftspolizei in Kiew Straßen in der Nähe eines Protestlagers geräumt, Zelte dem Erdboden gleichgemacht und sich Auseinandersetzungen mit Regierungsgegnern geliefert. Die USA hatten das gewaltsame Vorgehen heftig kritisiert.

Rund 5000 Regierungsgegner wappneten sich am Abend auf dem Maidan genannten Platz für einen weiteren Polizeieinsatz. Mit Schaufeln schütteten sie Schnee zu neuen Barrikaden auf und verstärkten die Bollwerke mit Sandsäcken, Metallstangen und Ästen. "Ich habe keine Angst, wir sind viele", sagte ein 25-jähriger Demonstrant. "Der Präsident hat dagegen große Angst."

Die Demonstranten wehren sich gegen den von Präsident Viktor Janukowitsch eingeschlagenen Weg, sich wieder stärker an Russland zu binden. Dieser schlug nun Gespräche aller Parteien vor. Bei der Opposition scheint dies nicht zu ziehen. Die Oppositionsführer fordern den Rücktritt von Janukowitsch, die Freilassung politischer Gefangener und eine Bestrafung der Bereitschaftspolizei.

Proteste im Westen

Der Einsatz der Polizei hatte in westlichen Ländern einen Proteststurm ausgelöst. US-Außenminister John Kerry erklärte, dies sei nicht akzeptabel und diene nicht der Demokratie. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sagte, sie beobachte mit Trauer, wie die Polizei Gewalt gegen friedliche Menschen einsetze. Bundesaußenminister Guido Westerwelle appellierte an die Regierung, die friedlichen Proteste nicht nur zuzulassen, sondern auch zu schützen. Es sei das gute Recht der Menschen, sich zu Europa zu bekennen. In Polen wurde der ukrainische Botschafter ins Außenministerium einbestellt, um die Sorgen über die Entwicklung im Nachbarland zu unterstreichen.

Nachdem Janukowitsch im November überraschend eine über Jahre ausgehandelte stärkere Anbindung seines Landes an die EU abgelehnt hatte, bot Ministerpräsident Mikola Asarow nun an, gegen einen Kredit von 20 Milliarden Euro die Verträge doch noch zu unterzeichnen. Mit dem Geld könne der Einnahmeausfall durch den dann nicht mehr erreichbaren russischen Markt ausgeglichen werden. In Deutschland stieß er damit auf Ablehnung: "Mit dieser Forderung scheint die ukrainische Führung von ihrer alleinigen Verantwortung für die aktuelle und politische Lage ablenken zu wollen", erklärte Regierungssprecher Georg Streiter.

Asarow wies Befürchtungen der Opposition zurück, die Ukraine könne sich in Kürze der von Russland geleiteten Zollunion anschließen. Dies stehe nicht auf der Tagesordnung eines für den 17. Dezember geplanten Treffens mit Vertretern der russischen Regierung.

Friedliche Lösung wird unwahrscheinlicher

Kompromisslos: Vitali Klitschko im Streit mit der Staatsmacht

Kompromisslos: Vitali Klitschko im Streit mit der Staatsmacht

(Foto: REUTERS)

Im Konflikt zwischen der ukrainischen Regierung und der Opposition schwinden derweil die Aussichten auf eine friedliche Lösung. Nach einem Polizeieinsatz gegen Demonstranten in der Nacht sieht der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko keinen Spielraum für eine Einigung mehr. Die Polizei war gegen Tausende Regierungsgegner vorgerückt und hatte Barrikaden weggeräumt. In den Morgenstunden wurden die Einsatzkräfte zurückgezogen.

Staatsführung und Opposition streiten sich seit Wochen darüber, ob sich die Ukraine enger an die EU oder Russland binden sollte. Die Regierung erklärte, sie könne das Assoziierungs- und Freihandelsabkommen mit der EU doch noch unterzeichnen, wenn sie als Gegenleistung einen Kredit über 20 Milliarden Euro erhalten würde.

Boxprofi Klitschko sagte in Kiew, eigentlich seien Gespräche mit Präsident Viktor Janukowitsch geplant gewesen. Dieser wolle aber nicht mit dem Volk sprechen und verstehe nur die Sprache der Gewalt, mit der er gegen Demonstranten vorgehe. "Mit dem, was in der vergangenen Nacht passiert ist, hat Janukowitsch den Weg zu jeder Art von Kompromissen versperrt."

Verletzte bei Rangeleien

Die Einsatzkräfte drängten die Demonstranten in der Nacht von den Zufahrtstraßen zum Unabhängigkeitsplatz ab, dem Sammelpunkt der Oppositionellen. Die mit Metallschildern, Helmen und Schlagstöcken ausgerüsteten Polizisten rückten langsam vor und schoben die Demonstranten beiseite. Nur vereinzelt kam es zu Rangeleien. Trotzdem wurden Dutzende Beamte und Oppositionelle verletzt.

Die Einsatzkräfte setzten auch zum Sturm auf das besetzte Kiewer Rathaus an, für dessen Räumung die Behörden eine Frist gesetzt hatten. Bei Temperaturen von minus acht Grad Celsius spritzten die Besetzer mit Wasserschläuchen auf die Polizisten. Den Beamten gelang es dennoch, in das Rathaus einzudringen. Der Sturm des Gebäudes, in dem die Demonstranten ein provisorisches Lazarett eingerichtet haben, blieb jedoch aus. Auf dem Unabhängigkeitsplatz hielten einige Menschen beleuchtete Mobiltelefone wie Kerzen in die Höhe und sangen im Angesicht von Hunderten Bereitschaftspolizisten die Nationalhymne.

Was zunächst wie der Beginn der Zerschlagung der Proteste aussah, endete in den Morgenstunden. Die Polizei zog sich aus der unmittelbaren Nähe der Demonstranten zurück. Auch die Stellungen vor besetzten Regierungsgebäuden wurden aufgegeben. Innenminister Vitali Sachartschenko versicherte, der Unabhängigkeitsplatz solle nicht geräumt werden. "Ich möchte, dass jeder Ruhe bewahrt", rief er die Demonstranten auf. "Niemand wird ihr Recht auf friedliche Proteste verletzen."

Quelle: ntv.de, vpe/jve/rts/AFP

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