Politik

Staaten frieren Gaddafis Milliarden ein "USS Kearsarge" nimmt Kurs auf Libyen

Die USA bewegen Truppen näher an Libyen heran.

Die USA bewegen Truppen näher an Libyen heran.

(Foto: dpa)

Der Widerstand in Libyen wie hier in Nalut bewaffnet sich.

Der Widerstand in Libyen wie hier in Nalut bewaffnet sich.

(Foto: AP)

Die Lage für Gaddafi ist aussichtslos: Staaten rund um die Welt frieren die milliardenschweren Vermögen des libyschen Machthabers ein und die UN-Vollversammlung schließt das Land wegen der Gewalt gegen Demonstranten aus dem Menschenrechtsrat aus. Derweil sollen zwei US-Landungsschiffe mit bis zu 2000 Soldaten an Bord den Suez-Kanal Richtung Mittelmeer passieren.

Das US-Kriegsschiff "Kearsarge" soll in Kürze in den Suezkanal einfahren.

Das US-Kriegsschiff "Kearsarge" soll in Kürze in den Suezkanal einfahren.

(Foto: REUTERS)

Die USA verlegen wegen der Unruhen in Libyen zwei Landungsschiffe und Hunderte Marineinfanteristen ins Mittelmeer. Dort könnten sie falls nötig bei Evakuierungen helfen und humanitäre Hilfe leisten, sagte Verteidigungsminister Robert Gates. Der US-Generalstabschef Admiral Mike Mullen wies darauf hin, dass seine Regierung alle denkbaren Optionen prüfe, aber noch keine Entscheidung getroffen habe.

Ägyptische Behörden teilten mit, die Landungsschiffe "Kearsarge" - mit bis zu 2000 Marineinfanteristen an Bord - und "Ponce" sollten in der Nacht zum Mittwoch in den Suez-Kanal in Richtung Mittelmeer einfahren. Am Montag hatte der Zerstörer "Barry" bereits diese Strecke zurückgelegt.

Die Regierung von Präsident Barack Obama hat angekündigt, Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge näher an Libyen zu verlegen. Experten halten es für unwahrscheinlich, dass die USA militärisch eingreifen, auch wenn die Regierung keine Option ausgeschlossen hat. Nach Erfahrungen wie dem gescheiterten Eingreifen in Somalia in den 1990er Jahren seien die USA vorsichtig geworden, sagte Richard Downie von Zentrum für Strategische und Internationale Studien in Washington. Andererseits dürfe die Entsendung der Kampfschiffe aber auch nicht als leere Drohung betrachtet werden.

Diskussion über Flugverbotszone

Bundesaußenminister Westerwelle schlägt einen UN-Sondergesandten für Libyen vor.

Bundesaußenminister Westerwelle schlägt einen UN-Sondergesandten für Libyen vor.

(Foto: REUTERS)

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) forderte in Berlin, den "Druck" auf den libyschen Staatschef Muammar al-Gaddafi aufrecht zu erhalten. Zurückhaltend zeigte sich Westerwelle jedoch bei der Frage einer Flugverbotszone: Es dürfe nicht der Eindruck einer westlichen Einmischung entstehen, außerdem sei der Luftraum wegen der Größe Libyens nur mit großem Aufwand zu überwachen.

Frankreichs neuer Außenminister Alain Juppé betonte, dass eine Flugverbotszone nur mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrats möglich wäre. Der für Libyen zuständige US-General James Mattis warnte, dass ein Flugverbot erst nach Ausschaltung der libyschen Luftabwehr möglich wäre.

Der britische Premierminister David Cameron hatte dagegen den Ton verschärft. "Wir schließen die Nutzung militärischer Mittel in keiner Weise aus", sagte Cameron, nachdem der libysche Diktator in einem Interview des britischen Senders BBC erneut bestritten hatte, dass es in der Hauptstadt Tripolis Proteste gebe. "Wir dürfen es nicht tolerieren, dass das Regime Militärkräfte gegen das eigene Volk einsetzt", appellierte Cameron an die internationale Staatengemeinschaft.

Cameron beauftragte Regierungsmitarbeiter, Pläne für eine Flugverbotszone über Libyen zu erstellen. Eine Flugverbotszone steht auch international zur Diskussion. Es könne außerdem darüber nachgedacht werden, die Gaddafi-Gegner mit Waffen zu versorgen, sagte Cameron.

China machte erneut seine Abneigung gegen ein militärisches Vorgehen deutlich. China sei besorgt über die Vorschläge einiger Regierungen, Soldaten gegen Libyen einzusetzen, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking. Das gelte auch für eine Flugverbotszone.

Gaddafis Milliarden werden auf Eis gelegt

Im Grenzgebiet zu Tunesien herrschen chaotische Zustände: Tausende Gastarbeiter fliehen aus Libyen.

Im Grenzgebiet zu Tunesien herrschen chaotische Zustände: Tausende Gastarbeiter fliehen aus Libyen.

(Foto: AP)

Inzwischen beginnen die internationalen Sanktionen zu greifen. Deutschland sperrte am Dienstag erstmals ein Konto der Gaddafi-Familie: Einen Tag nach dem Beschluss von EU-weiten Sanktionen ließ die Bundesregierung bei einer deutschen Privatbank zwei Millionen Euro eines Gaddafi-Sohnes sperren. Das Wirtschaftsministerium erklärte, die Sperrung solle sicherstellen, dass das Vermögen nicht vor Inkrafttreten der Sanktionen abfließt. Die USA sperrten bereits am Montag Guthaben des Gaddafi-Clans in Höhe von 30 Milliarden Dollar (knapp 22 Milliarden Euro). Auch Österreich sperrte sämtliche Vermögenswerte der Familie. Nach Angaben der Zentralbank liegen in Österreich mehr als 1,2 Milliarden Euro.

Italien diskutiert mehreren Zeitungsberichten zufolge Möglichkeiten, libysche Beteiligungen an italienischen Konzernen auf Eis zu legen. Die Regierung wolle damit dem Risiko betrügerischer Machenschaften seitens der libyschen Führung entgegentreten, berichtete die Wirtschaftszeitung "Il Sole 24 Ore". Die Anteile von Tripolis bei italienischen Konzernen belaufen sich auf rund 3,6 Milliarden Euro.

Die Schweiz hat Vermögenswerte des libyschen Machthabers Gaddafi und "seines Umfeldes" bereits am 24. Februar gesperrt. Betroffen sind insbesondere seine Ehefrau und seine Kinder, aber auch verschiedene Verwandte, Regierungsmitglieder und hochrangige Wirtschaftsführer. Ob und wie viel Geld Gaddafi in der Schweiz angelegt hat, ist unklar. Größter Vermögenswert in der Schweiz dürfte die Ölfirma Tamoil sein - mit einem Netz von über 300 Tankstellen und einer eigen Raffinerie im Kanton Wallis. Sie gehört zur niederländischen Oilinvest, die wiederum dem Staatsfonds Libyan Investment Authority (LIA) gehört. Der wird vom Gaddafi-Clan kontrolliert.

Der französische Europaminister Laurent Wauquiez forderte von Europa Maßnahmen, die über das Einfrieren der Vermögenswerte hinausgehen. "Sämtliche Finanzkreisläufe" Libyens müssten kontrolliert werden, sagte er im französischen Radio. Erlöse aus Erdöl dürften nicht an Gaddafi gehen. Zudem müsse verhindert werden, dass der Machthaber Anlagewerte verkaufe und damit eine "Armee von Söldnern" finanziere.

Ausschluss aus UN-Menschenrechtsrat

Wegen seiner Gewalt gegen Demonstranten hat die UN-Vollversammlung Libyen aus dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen ausgeschlossen. Die Entscheidung wurde von mehr als zwei Dritteln der 192 Mitgliedsstaaten getragen. Nie zuvor war die Weltorganisation in dieser Form gegen ein aktives Mitglied vorgegangen. Libyen war erst vor einem Jahr nach einer umstrittenen Abstimmung in New York Mitglied des 47-Mitglieder-Gremiums in Genf geworden.

EU-Sondergipfel zu Libyen

Die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder werden Ende kommender Woche bei einem Sondergipfel über die Situation in Libyen und Nordafrika beraten. Der ständige Ratspräsident Herman Van Rompuy will bei dem Treffen am 11. März Vorschläge machen, wie die EU auf die Entwicklungen in der Region reagieren kann. Es gehe um die strategischen Linien, ließ der Belgier mitteilen.

Der EU war in den vergangenen Wochen ein zögerliches Handeln im Hinblick auf die Unruhen in Nordafrika vorgeworfen worden. So konnten sich die 27 Staaten erst nach mehreren Tagen auf Sanktionen einigen. In der Flüchtlingsfrage, die besonders Italien und Malta bewegt, gibt es bis heute keine gemeinsame Linie.

Bislang haben die EU-Staaten ein Waffenembargo verhängt sowie Reisebeschränkungen und Kontosperrungen erlassen. Wirtschaftssanktionen gelten mittlerweile als überflüssig, weil ein Großteil der wichtigen Öl- und Gasvorräte des Landes inzwischen von Regimegegnern kontrolliert wird.

Gaddafi zieht die ihm noch ergebenen Truppen zusammen.

Gaddafi zieht die ihm noch ergebenen Truppen zusammen.

(Foto: AP)

Deutschland macht sich inzwischen für die Ernennung eines UN-Sondergesandten für Libyen stark. Der Sonderbeauftragte solle für die Koordinierung von Hilfsleistungen für das nordafrikanische Land zuständig sein, sagte Außenminister Westerwelle. Für die Vereinten Nationen sei aber auch wichtig, "in Libyen Gesicht zu zeigen". Die Entscheidung wird innerhalb der nächsten Tage erwartet. Namen wurden zunächst nicht bekannt. Der Sonderbeauftragte soll jedoch nicht aus Deutschland kommen.

Gaddafi verliert immer mehr an Boden

Zu Beginn der dritten Woche des Volksaufstandes kontrollierte Gaddafi nur noch die Hauptstadt Tripolis und einen Teil Westlibyens. Seine Macht ist ernsthaft bedroht, seitdem die Aufständischen auch die Ölfelder unter ihre Kontrolle gebracht haben.

In Bengasi absolvieren neu rekrutierte Rebellen ihre militärische Ausbildung.

In Bengasi absolvieren neu rekrutierte Rebellen ihre militärische Ausbildung.

(Foto: AP)

In der Küstenmetropole Bengasi gründeten die Aufständischen einen Militärrat, der die militärischen Kräfte gegen Gaddafi organisieren soll und Freiwillige nach Tripolis schickt, um dort den Volksaufstand zu unterstützen. Von einem Marsch auf die Hauptstadt nahm die Militärführung der Opposition jedoch Abstand. In Misrata sollen Gaddafi-Anhänger mindestens zwei Menschen erschossen haben, während die Aufständischen in Sawijah offenbar einen Gegenangriff regierungstreuer Truppen verhinderten.

Chaotische Zustände im Grenzgebiet

Nach der Flucht zehntausender Menschen ins benachbarte Tunesien warnte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR vor einer humanitären Katastrophe an der Grenze. Die Situation habe "den Krisenpunkt erreicht". Allein am Montag seien 14.000 Menschen nach Tunesien geflohen. Wie Augenzeugen berichteten, verstärkten regierungstreue Soldaten am Dienstag ihre Präsenz an der Grenze, von der sie sich am Sonntag zurückgezogen hatten.

Vorbereitungen zur Flucht

Gaddafi und seine Familie bereiten möglicherweise ihre Flucht nach Weißrussland vor. Darauf deuten nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes Sipri mindestens zwei Flüge von Gaddafis Privatjet von Tripolis zu einem weißrussischen Flugplatz in den letzten sieben Tagen hin. Das weißrussische Außenministerium wies die Angaben zurück. Der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko gilt als letzter Diktator Europas.

Der Sipri-Experte Hugh Griffiths sagte im schwedischen Rundfunksender SR, es sei auch erwiesen, dass Weißrussland in den vergangenen Wochen 40 Tonnen Waffen an Libyen geliefert habe. Als Zahlungsmittel habe Gaddafi mit seinem Privatjet wahrscheinlich Diamanten in das hoch verschuldete Weißrussland schaffen lassen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/ rts

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