Pannen bei NSU-Ermittlungen Umbaupläne werden konkret
14.09.2012, 13:24 Uhr
Im Untersuchungsausschuss werden die Versäumnisse offenbar.
(Foto: dapd)
Nach dem Bekanntwerden der zahlreichen Ermittlungspannen im Zusammenhang mit den rechtsterroristischen Morden der NSU wurde schnell der Ruf nach der Abschaffung der Geheimdienste laut. Doch nun mehren sich die Stimmen, die davor warnen, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Doch es steht nicht weniger als die Neuerfindung der Sicherheitsdienste an.
Nach der jüngsten Aktenpanne im Zusammenhang mit der Neonazi-Mordserie will das Verteidigungsministerium den Militärischen Abschirmdienst MAD umbauen. Der Bundeswehr-Geheimdienst werde Teil der anstehenden Reformen bei den Sicherheitsbehörden sein, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. Der MAD solle personell schlanker werden.
Außerdem werde darüber nachgedacht, den Dienst mit Blick auf seine Aufgaben optimaler aufzustellen. Das Ministerium halte es aber für richtig, den MAD beizubehalten. Die Forderung nach einer Abschaffung des Militärgeheimdienstes war zuletzt immer lauter geworden.
Erst vor wenigen Tagen war bekanntgeworden, dass der MAD bereits in den 90er Jahren eine Akte über den späteren Rechtsterroristen Uwe Mundlos angelegt hatte. Der NSU-Untersuchungsausschuss reagierte empört darauf, dass die Information nicht früher weitergegeben wurde.
Geheimdienste bleiben nötig
Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD im Bundestag, Thomas Oppermann, sprach sich erneut gegen eine Abschaffung von Verfassungsschutz und MAD aus. "Wir brauchen funktionierende, demokratische Dienste, die Informationen sammeln über gewalttätige Bestrebungen, über antisemitische, antidemokratische Bestrebungen in diesem Land", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Notwendig seien aber durchgreifende Reformen. Das Ausmaß des Vertrauensschadens werde in der Bundesregierung und in den Sicherheitsbehörden unterschätzt.
"Aber was wir auch brauchen sind durchgreifende Reformen", forderte Oppermann. "Wir müssen den Verfassungsschutz wieder auf demokratische Füße stellen. Wir müssen wieder mit geschulten Demokraten dort arbeiten, die ein Gespür haben für die wirklichen Gefahren, die unserer Demokratie von gewalttätigen und menschenrechtsfeindlichen Bestrebungen drohen." Mit einer bloßen Reform an der Oberfläche sei es nicht getan: "Wir werden diese Dienste gleichsam demokratisch neu erfinden müssen."
Personelle Konsequenzen können nach Oppermanns Worten zur Aufklärung der NSU-Verbrechen nur wenig beitragen. "Viele dieser unglaublichen Fehler sind in der Vergangenheit gemacht worden. Da kann man mit personellen Konsequenzen nicht mehr viel ändern", sagte Oppermann.
Sorge um den Rechtsstaat
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) warnte angesichts der immer länger werdenden Pannenliste vor einer Beschädigung des Rechtsstaates. "Das Vertrauen in den Rechtsstaat droht langfristig beschädigt zu werden", sagte die FDP-Politikerin dem "Spiegel". "Die vergangenen Monate haben eindrücklich klargemacht, dass die deutsche Sicherheitsarchitektur grundlegend überarbeitet gehört", so Leutheusser-Schnarrenberger weiter.
Eine Straffung des föderal organisierten Verfassungsschutzes sei überfällig. "Im Gestrüpp der föderalen Zuständigkeiten müssen die Landesverfassungsschutzämter so zusammengelegt werden, dass sie ihre wichtigen Aufgaben wahrnehmen können", sagte die Liberale. Die Landesinnenminister sollten sich strukturellen Reformen nicht länger verweigern.
Die Neonazi-Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" wird für Morde an acht Türken, einem Griechen und einer Polizistin verantwortlich gemacht. Das Neonazi-Trio war im Herbst 2011 aufgeflogen, als zwei mutmaßliche Mitglieder - Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos - nach einem Banküberfall tot in einem Wohnmobil aufgefunden wurden. Die mutmaßliche Dritte im Bunde, Beate Zschäpe, sitzt in Untersuchungshaft. Untersuchungsausschüsse des Bundestages und des Landtages in Thüringen versuchen aufzuklären, warum die NSU so lange unentdeckt bleiben konnte.
Quelle: ntv.de, sba/dpa/rts