Koalitionsvertrag quergelesen Union, SPD und das Bienenmonitoring
27.11.2013, 20:12 UhrAlle reden über Mindestlohn, Maut, Milliarden. Aber was steht sonst noch im Koalitionsvertrag? Zwischen sperrigen Begriffen und unzähligen Allgemeinplätzen finden sich Perlen wie das gemeinsame Bekenntnis zur "lebenslauforientierten Zeitpolitik".
Es hat am Schluss noch einmal 17 Stunden am Stück gedauert - dann war der Koalitionsvertrag beschlossene Sache. Was sich die reichlich übernächtigten Großkoalitionäre da ausgedacht haben - es sollte auf keinem Nachttisch fehlen. 185 Seiten Koalitionsvertrag sind Erbauungsliteratur pur, ein Meisterwerk der populären Gattung "Bürokratie-Prosa".
Ganze 169 Mal, das Inhaltsverzeichnis nicht mitgezählt, kommen die Worte "stärken", "verstärken" oder "bestärken" vor. Ja, die duale Ausbildung wollen Union und SPD stärken (wie genau, das wird man schon noch sehen). Ja, die Beratungsstrukturen müssen verstärkt werden (Beratung für was, ist ja beinahe egal). Und ja, bestärkt gehören natürlich die Handwerkskammern (in ihrer Dienstleistungsfunktion und überhaupt).
Immerhin 93 Mal muss der geneigte Leser erfahren, dass Union und SPD etwas verbessern wollen (Rahmenbedingungen für Investoren, die Schienenverkehrsanbindungen nach Polen und Tschechien sowie natürlich auch die Förderleistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz).
Das ist sprachlicher Hochgenuss
Wer derartige Wortungetüme liebt oder sie sich ausschneiden und in ein Album kleben möchte, wird große Freude an diesem Koalitionsvertrag haben. Da wären etwa die "EU-Meeresstrategierahmenrichtlinie", die natürlich umgesetzt wird. Da wird auch die "Klärschlammausbringung zu Düngezwecken" ganz klar abgelehnt. Für all das ist dann ein "Durchführungsübereinkommen" zu schließen, natürlich "bedarfsgerecht".
So viel aber nur zu den sprachlichen Höhepunkten. Schaut man sich einmal die Themen abseits der großen politischen Baustellen an, kommen einem ganz tolle Dinge unter. Eine eigene Zwischenüberschrift auf Seite 124 hat etwa das Deutsche Bienenmonitoring verdient, das mit einem mehrjährigen Untersuchungsprogramm weitergeführt werden soll. Die Vermutung liegt nahe: Um diesen Punkt wurde in den Verhandlungen zwischen Union und SPD nicht allzu lang gerungen.
... und die Winzer nicht vergessen
Obwohl Rainer Brüderle nachweislich nicht mit am Tisch saß, werden auch die deutschen Winzer mit einem eigenen Absatz bedacht. Denn unbedingt muss für die nächsten vier Regierungsjahre vertraglich auf Seite 122 festgehalten werden: "Der deutsche Weinbau hat eine wichtige Rolle für die Erhaltung einer typischen Kulturlandschaft."
Mindestens ebenso wichtig wie die Grundversorgung mit qualitativ hochwertigem Alkohol aus bester Hanglage ist die Zeit mit der Familie. Im Zusammenspiel von Beruf und Privatleben bekennen sich die Koalitionspartner auf Seite 98 zu einer "lebenslauforientierten Zeitpolitik". Man darf gespannt sein, was da in den kommenden Jahren auf Deutschland zukommt.
Quelle: ntv.de