"Der Abend wird noch lang" Union jubelt, FDP am Boden
22.09.2013, 18:46 Uhr
Jubel im Konrad-Adenauer-Haus.
(Foto: REUTERS)
Noch ist nichts entschieden, noch sind die Stimmen nicht ausgezählt. Klar ist jedoch, wie die Stimmungen verteilt sind: Begeisterung bei der Union, Depressionen bei den Liberalen. SPD und Grüne sind enttäuscht - noch ist offen, ob sie bereit sein werden, Angela Merkel zur Kanzlerin zu wählen.
Die Prognose schlug ein wie eine Bombe: Rund 42 Prozent für die Union, FDP möglicherweise nicht mehr im Bundestag vertreten, AfD ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Sollte sich dieses Ergebnis bestätigen, liegen CDU und CSU allein in der Nähe der absoluten Mehrheit.
Entsprechend gut gelaunt war Bundeskanzlerin Angela Merkel, als sie vor ihre Anhänger trat. "Das ist ein Superergebnis", sagte die strahlende CDU-Chefin unter dem Jubel ihrer Anhänger. "Wir werden damit verantwortungsvoll und sorgsam umgehen." Neben den CDU-Mitgliedern bedankte sich Merkel besonders bei der CSU und ihrem Vorsitzenden Horst Seehofer vor die Unterstützung.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt freute sich vor allem über das schlechte Abschneiden der grünen "Verbotspartei", wie er sagte. Über Koalitionen wollte er nicht spekulieren. "Der Abend wird noch lang, und zum Schluss wird zusammengezählt."
Begeistert zeigte sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. "Das ist fantastisch. So deutlich über 40 Prozent, das haben wir seit über 20 Jahren nicht geschafft", sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende. "Wir hoffen sehr für die FDP, dass die Zahlen im Laufe des Abends noch steigen." Zu einer möglichen Großen Koalition wollte sich von der Leyen nicht äußern.
SPD will noch nicht über Koalitionen sprechen
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und Parteichef Sigmar Gabriel begrüßten die Zugewinne der SPD, räumten zugleich aber ein, dass die SPD ihr Wahlziel verfehlt hat, die Führung der nächsten Bundesregierung zu übernehmen. Steinbrück und Gabriel gratulierten auch Merkel als Wahlsiegerin.
"Wir haben nicht das Ergebnis erzielt, das wir wollten", sagte Steinbrück. Zugleich bot er an, auch künftig für die Sozialdemokraten Verantwortung zu übernehmen: "Ich werde auch in Zukunft für diese SPD immer bereit sein." Mit Blick auf die noch unklaren Mehrheitsverhältnisse warnte Steinbrück vor verfrühten Koalitionsspekulationen: "Das ist noch so spannend, dass sich niemand jetzt festlegen sollte." Für die SPD werde entscheidend sein, "welche Inhalte wir für die Menschen durchsetzen können". "Das wird der Maßstab sein", hob Steinbrück hervor.
"Ja, wir haben zugelegt, aber wir hatten mehr erwartet", sagte Gabriel. Er räumte ein, das Wahlergebnis sei "ein großer Erfolg für die CDU/CSU und für Frau Merkel". "Wir sind fair und gratulieren dazu", sagte er weiter. Zudem dankte er Steinbrück für "diesen phantastischen Wahlkampf". "Das ist deine Partei und du bist ihr Kandidat - du bist ein Pfundskerl", rief er Steinbrück unter großem Beifall zu. Die SPD sei mit Steinbrück stärker geworden, wenn auch "nicht genug".
FDP am Boden
FDP-Chef Philipp Rösler kündigte politische Konsequenzen an. "Das ist die bitterste, die traurigste Stunde in der Geschichte dieser Freien Demokratischen Partei", sagte Rösler. Es sei ihm trotz einiger Erfolge bei Landtagswahlen nicht gelungen, einen Aufbruch auch für die Bundestagswahl zu erzeugen. "Deshalb werde ich persönlich natürlich auch politisch dafür die notwendige Verantwortung übernehmen."
Auch FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle zeigte sich vor enttäuschten FDP-Anhängern betroffen über "das schlechteste Ergebnis, das wir je erreicht haben". Zwar stünden viele Menschen der liberalen Idee positiv gegenüber, aber "wir haben sie nicht erreicht". Brüderle äußerte zugleich Hoffnung, dass sich das Ergebnis von 4,7 Prozent in den Hochrechnungen im Verlauf des Abends noch verbessern könnte. "Fünf Prozent sind durchaus noch drin", sagte er. Sollte die FDP die Fünf-Prozent-Hürde verpassen, wäre sie erstmals seit Bestehen der Bundesrepublik nicht im Bundestag vertreten.
Der eurokritische FDP-Finanzexperte Frank Schäffler forderte personelle Konsequenzen. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte der Bundestagsabgeordnete, die FDP müsse sich jetzt personell und inhaltlich neu ausrichten.
Grüne vor "schonungsloser" Analyse
Von den baden-württembergischen Grünen kam harte Kritik am Kurs des Spitzenkandidaten Jürgen Trittin. "Wir können nicht alles richtig gemacht haben nach einem solchen Wahlergebnis", sagte Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann. Man werde "schonungslos analysieren". Als einen möglichen Grund für den Absturz der Grünen nannte er das Steuerkonzept. Dieses hat Trittin federführend verantwortet.
Baden-Württembergs Verbraucherminister Alexander Bonde nannte die Strategie der Bundesgrünen "falsch". Sie hätten im Wahlkampf nicht konsequent auf den erfolgreichen grünen Markenkern Energiewende und ökologisches Wirtschaften gesetzt. "Stattdessen hat man versucht, die SPD links zu überholen." Das habe Mittelstand und gesellschaftliche Mitte verunsichert und abgeschreckt.
Für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour ist das Ergebnis für seine Partei "zutiefst enttäuschend". Jetzt gehe es nicht um Koalitionsspekulationen wie etwa Schwarz-Grün, nötig sei zunächst eine Fehleranalyse. "Wir müssen dringend darüber reden, was wir falsch gemacht haben."
Gysi freut sich, Lucke jubelt
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi freute sich trotz der Verluste über das Wahlergebnis. "Wer hätte das 1990 gedacht, dass diese Partei die drittstärkste politische Kraft der Bundesrepublik Deutschland wird?", rief er Anhängern zu.
Der Parteichef der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD), Bernd Lucke, hat nach den ersten Hochrechnungen von einem "ganz starken Ergebnis" gesprochen. "Wir haben die Demokratie in Deutschland reicher gemacht", sagte er vor jubelnden Anhängern. Er hoffe auf den Einzug in den Bundestag. "Aber auch 4,9 Prozent wären ein großartiger Erfolg", sagte er. Im Wahlkampf hatte Lucke sich stets sicher gezeigt, dass seine Partei deutlich über 5 Prozent liegen werde.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP