Konjunkturpaket II Union steuert vereint
13.12.2008, 13:55 UhrDie angedrohte "Brandrede" des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Horst Seehofer im Steuerstreit mit der christdemokratischen Schwester konnte am Freitag getrost ausfallen und in einer wundersamen Wandlung zum "Schulterschluss" mit Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel werden, denn: Die Bundesregierung arbeitet längst an einem zweiten Konjunkturprogramm mit einem Volumen von mindestens 30 Milliarden Euro. Kernpunkte des Programms sollen unter anderem von der CSU geforderte Steuererleichterungen sein.
Merkel wolle das Programm nach Amtseinführung des US-Präsidenten Barack Obama vorstellen, schreibt die "Wirtschaftswoche" unter Berufung auf die Bundesregierung und die Unionsfraktion im Bundestag. Obama tritt am 20. Januar 2009 sein Amt an.
Kalte Progression soll weg
Kernpunkte des Programms seien die Beseitigung der sogenannten kalten Progression, die bislang dazu führt, dass Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen durch Inflation und Gehaltserhöhung immer stärker besteuert werden. Genau das ist auch eine Forderung von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos. Der CSU-Politiker befürwortet eine rasche Reform der Einkommensteuer, wobei vor allem der Verlauf des Steuer-Tarifs verändert werden soll. Es soll ein streng linearer Steuertarif eingeführt werden, der bewirkt, dass Steuermehrbelastungen bei Einkommenserhöhungen weniger stark ausfallen als derzeit. Durch die kalte Progression nämlich rutschen Arbeitnehmer in immer höhere Steuerstufen. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer bezifferte diese "heimliche Steuererhöhung" auf 18 Milliarden Euro für die Jahre 2006 bis 2009.
Senkung der Kassenbeiträge
Laut "Wirtschaftswoche" plant die Bundesregierung außerdem eine Senkung der Krankenversicherungsbeiträge durch einen Zuschuss zum Gesundheitsfonds, damit Arbeitnehmer und Unternehmen gleichzeitig und schnell entlastet werden.
Steuerschecks für sozial Schwache
Darüber hinaus solle es ein zweites Infrastrukturprogramm sowie Steuerschecks für sozial Schwache als Einmal-Zahlung und zur Ankurbelung des privaten Konsums geben. Da das Programm vor allem über höhere Schulden finanziert sei, werde gleichzeitig in der Regierung eine verbindliche Schuldenabbau-Zusage diskutiert. In der Unionsfraktion werde das Festschreiben einer Schuldenbremse im Grundgesetz befürwortet.
Komödienstadl – und alle gehen hin
Seehofer war in seinem medienwirksam als "Brandrede" angedrohten Auftritt in der bayerischen Landesvertretung in Berlin im Gegenteil auf Merkel zugegangen und hatte erklärt: "Wir haben kein Interesse am Konflikt." Die CSU möchte "Schulter an Schulter" mit der CDU Finanzkrise und Rezession meistern. Seehofer pochte allerdings darauf, dass ein Element eines neuen Konjunkturpakets aus "kräftigen Steuererleichterungen" bestehe. Konnte er getrost auch, denn da war das mit dem Konjunkturpaket Nr. 2 hinter den Kulissen längst klar. "Gestalten wäre ein Stück zu wenig, wir wollen schon bestimmen", so der Bayern-Chef. Als Kompromiss bot Seehofer an, die Entlastungen schrittweise einzuführen. Aber: Im zweistelligen Milliardenbereich solle das Geld schon ankommen beim Bürger!
Offensichtlich genoss Seehofer es, dass in der Bundeshauptstadt schon wieder mit einer gewissen Spannung die Querschüsse aus München registriert werden. In den vergangenen Tagen hatte er nicht nur die Autorität von Merkel als Krisenmanagerin anzukratzen versucht, er hatte die CSU auch als eine Art Oppositionspartei in der Großen Koalition profiliert. Höhepunkt war seine Androhung, am 5. Januar nicht zum Koalitionsausschuss mit CDU und SPD zu erscheinen.
Beim Happyend wird abgeblend '
Beim Festakt zu der am längsten seit der Wiedervereinigung bestehenden Repräsentanz eines Bundeslandes in Berlin war von diesem Konfrontationskurs kaum noch etwas übrig. Seehofer zitierte vielmehr Franz Josef Strauß mit den Worten: "Notfalls werden die Bayern die letzten Preußen sein." Und er verwies auf eine ganz besondere Gabe der CSU, die das Kunststück beherrsche, bei ein- und demselben Thema dafür und dagegen zu sein. "Das ist eine sehr komfortable politische Situation."
"Ermunternde Anrufe"
Bis zum 5. Januar wird die CDU auf den Kurs der bayerischen Schwester eingeschwenkt sein. Schon in den vergangenen Tagen gab es laut Ramsauer "aus allen Ecken und Enden der CDU bis hin zur Kanzlerin" Zeichen, dass es ein gemeinsames Steuerentlastungsmodell geben wird. Die CSU habe aus der CDU etliche "ermunternde Anrufe" erhalten, so Seehofer. Als namhafter Unterstützer meldete sich CDU-Wirtschaftsexperte Laurenz Meyer zu Wort. Er begrüßte nicht nur die Forderung von Glos nach Steuerentlastungen in Höhe von 25 Milliarden Euro - er schloss sich auch der Forderung nach einem schnellen Handeln an. "Ich bin davon überzeugt, dass wir Anfang des Jahres zusätzliche Maßnahmen beschließen müssen", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion dem "Münchner Merkur".
Wer hat den Schwarzen Peter?
CDU-Mittelstandspolitiker Michael Fuchs unterstrich, das Problem für die Durchsetzung von Steuerentlastungen sehe er nicht bei der Union. "Steuererleichterungen sind notwendig. Doch das scheitert an der Verweigerungshaltung der SPD", sagte Fuchs zu Reuters. Er bleibe zudem bei seinem Vorschlag, die steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 2010 auf 2009 vorzuziehen. Die SPD lehnt Steuersenkungen ab und fordert vor allem mehr Investitionen in den Kommunen. Die Parteilinke will zudem Konsumgutscheine.
Jetzt geht es eigentlich nur noch um den Zeitpunkt; das ist laut Seehofer "der einzige Dissens". Wer allerdings wie CDU-Vize Roland Koch oder Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) behauptet, Steuerentlastungen hätten kurzfristig gar keinen Effekt für die Bürger, liege falsch. Ein höherer Grundfreibetrag könne sofort geltend gemacht werden. Nach den Vorstellungen der CSU soll dieser von 7664 auf 8000 Euro erhöht werden.
Forderungen nach Abschaffung des Solidaritätszuschlags zur Konjunkturankurbelung hat Bundesfinanzminister Peer Steinbrück eine Absage erteilt. Das helfe in der jetzigen Phase nicht, sagte der SPD-Politiker der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Sehr viele Menschen in Deutschland zahlten gar keine Steuern und damit auch keinen Soli. Dessen Abbau würde vor allem diejenigen entlasten, die das Geld aufs Sparbuch trügen.
Zuhören ist schon was
Für Sonntag nun hat die Kanzlerin zu einem Krisengipfel ins Kanzleramt geladen. Die 32 Teilnehmer - zahlreiche Minister, Banker, Verbandschefs, Gewerkschafter und Wirtschaftswissenschaftler, die Präsidenten der Bundesbank und der Bundesagentur für Arbeit - sollen der Regierung bei der Krisenanalyse helfen und Lösungswege aufzeigen. "Wir bringen alle Zeit mit und wollen einander zuhören", sagte Vize-Regierungssprecher Thomas Steg. Beschlüsse werden nämlich nicht erwartet. Die Runde will lediglich Vor- und Nachteile zusätzlicher Konjunkturmaßnahmen und die schleppende Kreditvergabe beraten.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ist mehr für Klotzen statt Kleckern und fordert von der Bundesregierung ein 100-Milliarden-Programm gegen die Wirtschaftskrise. "Das rot-schwarze Kleckern ist fahrlässig. Die Kosten der Rezession werden uns erdrücken", so DGB-Vorstand Claus Matecki. Die FDP plädiert laut "Handelsblatt" für Steuersenkungen im Umfang von 30 Milliarden Euro, darunter eine Absenkung des Eingangssteuersatzes von 15 auf 13 Prozent. Die Mehrwertsteuer auf Strom, Gas und Benzin soll von 19 auf 7 Prozent sinken, und die Krankenversicherungsbeiträge sollen nach den Plänen der Liberalen bereits ab 2009 absetzbar sein.
Quelle: ntv.de, mit dpa, Reuters, AFP