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FDP sehnt sich nach Schwarz-Gelb Ja, ist denn heut' schon Wahlkampf?

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Djir-Sarai und Lindner fühlen sich in der Ampel nicht mehr wohl. Nur raus wollen sie auch nicht.

Djir-Sarai und Lindner fühlen sich in der Ampel nicht mehr wohl. Nur raus wollen sie auch nicht.

(Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress)

In einem Interview sagt FDP-Generalsekretär Djir-Sarai, er würde am liebsten mit der Union regieren. Auch CDU-Chef Merz sinniert über seine Optionen. Was ist da los? Dauert es nicht noch zwei Jahre bis zur nächsten Wahl?

Der FDP gefällt es offenbar immer weniger in der Ampelkoalition. Am Wochenende sorgte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai mit einem Interview für Aufsehen, in dem er sich ungewöhnlich deutlich von Grünen und SPD distanzierte - selbst für seine Verhältnisse. Der "Bild am Sonntag" sagte er, am liebsten würde er mit der Union koalieren. Mit CDU und CSU gebe es die größten Schnittmengen. Das war zwar einerseits keine Überraschung. Schließlich haben beide Parteien schon oft miteinander regiert, sei es auf Bundes- oder Landesebene. Andererseits ist die FDP nun einmal ein Bündnis mit SPD und Grünen eingegangen und formal besteht das noch fort.

Dass die Luft raus ist bei der Ampel, ist nichts Neues. Doch Äußerungen wie die von Djir-Sarai kann und muss man als Absetzbewegungen verstehen. Die Botschaft ist: Wir würden eigentlich auch lieber raus. Das deckt sich mit anderen Rechtfertigungen, die aus der FDP zu hören sind. So sagt Parteichef Christian Lindner mittlerweile offen, die Ampel gebe es nur wegen Markus Söder. Der habe nach der Wahl im Herbst 2021 unbedingt eine Kanzlerschaft Armin Laschets verhindern wollen, daher sei ein Bündnis mit der Union nicht möglich gewesen. Stattdessen habe man sich aus "staatspolitischer Verantwortung" auf die Ampelkoalition eingelassen. Das klang im Herbst 2021 freilich noch ganz anders. Damals war viel vom Zauber des Anfangs und Fortschritt die Rede.

Man könnte sich fragen, warum die FDP noch in der Ampel ist, wenn es ihr dort nicht gefällt. Die schnöde Antwort sind die Umfrageergebnisse. Ein Koalitionsbruch könnte zu Neuwahlen führen. Dabei wiederum drohte der FDP ein Debakel. Die für die FDP freundlichere Antwort: Deutschland kann sich gerade keine Regierungskrise erlauben und es wäre unbürgerlich, ein einmal eingegangenes Bündnis durch die Hintertür zu verlassen. So ist die FDP gewissermaßen im falschen Körper gefangen. Raus kann sie zwar nicht, aber dass sie es gerne würde, das sollen die Menschen im Land schon erfahren.

Keine Koalitionsaussage?

Auch Lindner sieht keine Zukunft mit SPD und Grünen mehr. Neulich sagte er im ZDF, viele Schwächen der FDP hingen damit zusammen, dass sie nicht als eigene Kraft gesehen werde, sondern nur als Teil der Ampel. "Das wird sich im Wahlkampf zum Glück von selbst erledigen." Zwar sagte Lindner direkt davor, die FDP gehe nicht mit einer Koalitionsaussage in die Partei. Doch diese Äußerung kam schon einer Absage an das bisherige Bündnis gleich. Oder warum sollte sie sich noch einmal auf Grüne und SPD einlassen, wenn ihr das nur Schwächen brächte? Spätestens mit Djir-Sarais Sehnsuchtsbekundungen in Richtung CDU und CSU kann man die angeblich nicht vorhandene Koalitionsaussage der FDP nicht mehr ernst nehmen.

Dass die FDP nun gewissermaßen zurück in die Zukunft will, ist keine Sensation. Schwarz-Gelb, das war lange das natürliche Gegenstück zu Rot-Grün. Dass die FDP der alten Liebe nachtrauert, ist so gesehen verständlich. Zwar endete das letzte gemeinsame Bündnis auf Bundesebene in einem Fiasko. Die Union holte 2013 satte 41 Prozent, die FDP flog aus dem Bundestag und stand vor dem Ruin. Auch damals gab es viel Streit, die Außenwirkung war gar nicht so anders als jetzt in der Ampel. Doch mittlerweile ist die Union eine andere. Statt Angela Merkel steht Friedrich Merz an der Spitze. Mit ihm und Generalsekretär Carsten Linnemann kommt sie so wirtschaftsfreundlich daher wie nie in den 16 Jahren Merkels. Der FDP gefällt das. So weit, so normal.

Interessanter daran ist etwas anderes: Nämlich, dass es schon lange aussichtslos erscheint, dass Union und FDP noch einmal gemeinsam eine Mehrheit bekommen könnten. Selbst wenn die FDP ihr starkes Ergebnis von 2021, 11,5 Prozent, wiederholen würde, kämen wohl nicht genug Stimmen zusammen. Zumindest wenn die anderen Parteien in etwa so abschneiden, wie es die Umfragen jetzt nahelegen. Damals profitierten die Liberalen auch von der Schwäche von CDU und CSU. Dass aber FDP und Union beide stark sind, ist zumindest selten.

Die Avancen an die Union wirken wie ein Hilferuf. Der stößt durchaus auf offene Ohren in der Union. Vor zwei Wochen forderte Merz die FDP schon mehr oder weniger unverblümt zu einem Koalitionsbruch auf. Kehre die FDP zu ihren "liberalen marktwirtschaftlichen Grundüberzeugungen" zurück, sei eine Mehrheit der Mandate im Bundestag möglich, schrieb er in einem Newsletter. Dafür müsse sie sich rechtzeitig aus der "Umklammerung der Ampel" lösen. Es gebe keine "strukturelle linke Mehrheit" in Deutschland, lockte Merz. Das Potenzial für eine schwarz-gelbe Mehrheit sei "ohne Zweifel" vorhanden.

Flucht nach vorn nicht mehr zu erwarten

Doch wie man in verkrachten Beziehungen gerne sagt: Es ist kompliziert. Denn auch wenn man beim Blick auf die Wirtschaft viel gemeinsam haben mag, die Union attackiert die FDP dennoch auf diesem Feld. Das Wachstumschancengesetz blockiert sie im Bundesrat und gerade erst legte sie einen Wirtschaftsplan vor, den das Finanzministerium als nicht gegenfinanziert zurückwies.

Hinzu kommt, dass beide Parteien in gesellschaftlichen Fragen ganz anders ticken. Die FDP hat den Paragraf 219a mit abgeschafft, der es Ärzten praktisch verbot, darüber zu informieren, dass sie Abtreibungen durchführen. Die FDP steht voll hinter der doppelten Staatsbürgerschaft und trägt die Cannabis-Legalisierung mit. Alles drei sind Themen, bei denen in der Union viele laut "Nein!" rufen. Folgerichtig warnt Merz in seinem Schreiben, eine "ausgesprochen linke Gesellschaftspolitik würde ihr Potenzial eher wieder begrenzen". Nachdem er das abgehandelt hat, geht Merz auf mögliche Koalitionen mit SPD und Grünen ein - und hält sie sich ausdrücklich offen.

Eine Flucht nach vorn, ein Neustart in der Ampel, daran glaubt wohl niemand mehr. Die Zeiten, in denen Ampel-Politiker sagen konnten: "Ja, wir streiten viel, aber die Ergebnisse sind gut", sind vorbei. Symptomatisch ist der Streit darüber, wie man die Wirtschaft wieder auf Trab bringen könnte. Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck sind sich einig, dass etwas passieren muss. Aber was? Da gehen die Meinungen auseinander. Habeck kann sich ein neues Sondervermögen mitsamt Subventionen vorstellen. Lindner will Steuern senken und Bürokratie abbauen. Darüber haben sich beide ausgiebig öffentlich ausgelassen. Was davon kommt, ist vollkommen unklar. Eine Entscheidung nicht in Sicht.

Fast könnte man meinen, es geht den Ministern nur noch darum, zu sagen, was sie machen würden, wenn sie denn könnten. Das aber ist das wesentliche Merkmal des Wahlkampfes. Für die FDP hat dieser anscheinend endgültig begonnen.

Quelle: ntv.de

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