Politik

Crew fühlt sich "alleine gelassen" Untersuchung hat begonnen

Erst im Mai wird die "Gorch Fock" wieder in Deutschland erwartet. Bereits jetzt läuft die Befragung der Stammbesatzung. Ihr wird vorgeworfen, die Kadetten schikaniert zu haben. Doch die Stammcrew wehrt sich. In einem Brief an Minister Guttenberg schreibt sie, ihr fehle "der Rückhalt unserer übergeordneten Dienststellen".

Konteradmiral Horst-Dieter Kolletschke im Hafen von Ushuaia.

Konteradmiral Horst-Dieter Kolletschke im Hafen von Ushuaia.

(Foto: REUTERS)

Die Marine möchte das Segelschulschiff "Gorch Fock" trotz der aktuellen Vorwürfe weiter als Segelschulschiff nutzen. "Die Marine plant, Mitte nächsten Jahres wieder Kadetten an Bord dieses Schiffes auszubilden", sagte der Leiter der Untersuchungskommission, Konteradmiral Horst-Dieter Kolletschke, in der argentinischen Hafenstadt Ushuaia. Dort liegt die Dreimast-Bark derzeit vor Anker.

Endgültig soll über die Zukunft der "Gorch Fock" nach Abschluss der Untersuchungen entschieden werden. Etliche Abgeordnete des Wehrausschusses haben bereits dafür geworben, die Ausbildung auf dem Schiff fortzusetzen.

Die "Gorch Fock" soll in den kommenden Tagen Vorräte aufnehmen und dann die Rückreise in ihren Heimathafen Kiel antreten. "Wir planen, dass wir hier noch bunkern und circa am 30. Januar auslaufen, die Rückreise antreten über Valparaiso und dann weiter nach Deutschland", sagte Kolletschke, der Chef des Marineamtes. Valparaiso ist eine Hafenstadt in Chile an der Pazifik-Küste . Ushuaia liegt an der südlichen Spitze Argentiniens in Feuerland.

Stammcrew fühlt sich "sehr alleine gelassen"

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(Foto: REUTERS)

Die Stammbesatzung der "Gorch Fock" beklagte in einem offenen Brief an Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der vom Blog "Spiegelfechter" veröffentlicht wurde, fehlenden Rückhalt in der Bundeswehr. Die vorläufige Absetzung von Kapitän Norbert Schatz durch Guttenberg wird in dem Schreiben als "Abservierung" kritisiert.

"Wir, die Stammbesatzung der 'Gorch Fock', fühlen uns sehr alleine gelassen", heißt es in dem Brief. "Auch fehlte uns der Rückhalt unserer übergeordneten Dienststellen, welche sich zu keiner Zeit vor uns stellten oder sich nach unserem Befinden erkundigt haben."

Das Bundesverteidigungsministerium bestätigte zunächst nur die Existenz des Briefs. "So lange wir nicht wissen, wer den Brief geschrieben hat, können wir aber nichts über dessen Echtheit sagen", sagte ein Ministeriumssprecher. Der Blogger des "Spiegelfechter", Jens Berger, erklärt, der Brief sei ihm "auf einem vertrauenswürdigen Weg" zugespielt worden.

Ankunft in Deutschland im Mai

Die Rückfahrt werde bis Anfang Mai dauern. Dann falle die Entscheidung, wie es mit der Ausbildung weitergehe. "Wir planen, im nächsten Jahr die Offizierausbildung an Bord dieses Schulschiffes fortzusetzen mit der neuen Crew", fügte Kolletschke hinzu.

Die Befragung der ersten Soldaten habe bereits begonnen. Die Ermittler wollten mit allen Besatzungsmitgliedern an Bord sprechen und mit den Kadetten, die inzwischen wieder in Deutschland sind. "Wir glauben dann, dass wir ein umfassendes Bild haben", sagte der Konteradmiral. Die Besatzungsmitglieder seien betroffen über die Vorwürfe, aber bereit, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Niemand verweigere die Auskunft. In etwa zwei Wochen sollten die Ermittlungen beendet sein. "Anschließend werde ich dem Inspekteur der deutschen Marine einen Bericht vorlegen", kündigte Kolletschke an.

Der Chef des Marineamtes wies darauf hin, dass seine Kommission nicht den tödlichen Sturz einer Kadettin aus der Takelage der "Gorch Fock" im November untersuche. Damit befasse sich die Staatsanwaltschaft. Es gehe vielmehr um die anderen Vorwürfe, die erhoben worden seien.

Mitarbeiter von Königshaus auch dabei

Mit im Team Kolletschkes sind drei Juristen des Marineamtes sowie zwei Mitarbeiter des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus, der die Vorgänge auf der "Gorch Fock" bekanntgemacht hatte. Gemeinsam mit den Ermittlern war auch Kapitän Michael Brühn in Feuerland eingetroffen, der vorübergehend das Kommando auf der "Gorch Fock" übernehmen und sie in ihren Heimathafen Kiel zurückbringen soll. Den Kapitän des Schiffes, Norbert Schatz, hatte Verteidigungsminister Guttenberg bis zur Klärung der Vorwürfe vom Dienst suspendiert.

Kadetten des Schiffes hatten sich über Schikanen, Alkoholexzesse an Bord und sexuelle Nötigung beklagt. Sie seien trotz Höhenangst unter Drohungen mit beruflichen Konsequenzen zum Aufentern in die höchsten Segel in bis zu 45 Metern Höhe genötigt worden, berichteten Offiziersanwärter den Mitarbeitern des Wehrbeauftragten Königshaus. Eskaliert war die Lage nach dem tödlichen Sturz einer Kadettin aus der Takelage Anfang November. Bereits wenige Tage danach hätten viele Vorgesetzte wieder mit Alkohol laut gefeiert und am 11. November - vier Tage nach dem Unfall - eine Party veranstaltet.

Guttenberg war von der Opposition kritisiert worden, weil er zunächst vor Vorverurteilungen gewarnt, dann jedoch nur wenige Stunden später den Kapitän der "Gorch Fock" suspendiert hatte. Vor dem Wehrausschuss verteidigte der Minister sein Vorgehen.

Ob die "Gorch Fock" jemals wieder als Segelschulschiff in See stechen wird, ist derzeit offen. Nur wenige Tage vor Bekanntwerden der Vorwürfe hatte sie erstmals das berüchtigte Kap Hoorn umsegelt, der Höhepunkt ihrer Karriere seit der Indienststellung 1958. Auf dem Segelschulschiff wurden über 14.500 Offiziers- und Unteroffiziersanwärter ausgebildet, während es rund 750.000 Seemeilen zurücklegte, was beinahe 35 Erdumrundungen entspricht.

Quelle: ntv.de, hvo/rts/dpa/AFP

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