Die Stunde der Einflüsterer "Verhandlungen sind Lobby-Schlacht"
29.11.2013, 11:01 Uhr
Angela Merkel und ihre Kollegen stecken in der längsten Regierungsbildung der bundesdeutschen Geschichte.
(Foto: picture alliance / dpa)
In zwei Arbeitsgruppen war der CDU-Abgeordnete Peter Tauber an den Koalitionsverhandlungen beteiligt. Und erfuhr dabei am eigenen Leib, wie Lobbyisten versuchen, Einfluss auf Abgeordnete zu nehmen. Einige von ihnen versuchen, eigene Formulierungen im Koalitionsvertrag zu platzieren.
n-tv.de: In Ihrem Blog haben Sie geschrieben, Sie hätten noch nie so viele E-Mails bekommen wie in der Zeit der Koalitionsverhandlungen. Sie waren Mitglied der Arbeitsgruppe Kultur und Medien sowie der Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda - wer hat Ihnen denn die vielen Mails geschickt?

Peter Tauber widmet sich als CDU-Abgeordneter vor allem der digitalen Gesellschaft.
(Foto: © Tobias Koch / www.tobiaskoch.net)
Peter Tauber: Das waren die, die sonst auch im Verlauf einer Legislaturperiode rund um den Politikbetrieb arbeiten: Verbände, Unternehmen, Gewerkschaften, auch zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich hier in Berlin so tummeln. Man sagt, dass auf einen Bundestagsabgeordneten acht Lobbyisten kommen. Die schreiben alle fleißig E-Mails.
Und was wollten die von Ihnen?
Da geht es immer um die Bereiche, an denen ein Abgeordneter gerade arbeitet. Bei mir ging es um die Themen der beiden Arbeitsgruppen, in denen ich Mitglied war. Eine große Rolle hat das Thema Open Source gespielt, auch der von uns abgelehnte Routerzwang, freies WLAN, der geplante Breitbandausbau. Da wird man mit Anliegen, guten Ratschlägen, Wünschen und Kritik bombardiert. Was ja per se nichts Schlechtes ist.
Auf Twitter haben Sie geschrieben, wenn Sie nicht zu viel zu tun hätten, würden Sie einen gefälschten Koalitionsvertrag leaken "und den Lobbyisten bei der Schnappatmung zuschauen".
Mich hat nicht gestört, dass ich Infos zugeschickt bekommen habe - ich bin ja auf diese Informationen teilweise angewiesen. Niemand kann mir sagen, wie gerade der Breitbandausbau von einem bestimmten Unternehmen gehandhabt wird, außer das Unternehmen selbst oder der Verband, in dem es organisiert ist. Die Frage ist immer nur, wie die Lobbyisten ihre Rolle verstehen. Sehen die sich als Informationslieferanten? Oder versuchen sie ganz dreist, konkrete Formulierungen in den Koalitionsvertrag hineinzubringen oder daraus streichen zu lassen? Da gibt es eben solche und solche.
Gelegentlich wird berichtet, dass Lobbyisten ganze Passagen für Gesetzentwürfe schreiben, die dann auch tatsächlich übernommen werden. Warum akzeptieren Abgeordnete das?
In unseren Arbeitsgruppen gab es kein Copy and Paste. In der Sache ist es aber natürlich unvermeidlich, dass es Überschneidungen gibt. Es gibt immer Übereinstimmungen mit der Position eines Verbandes oder einer zivilgesellschaftlichen Gruppe. Grundsätzlich bin ich aber schon der Meinung, dass es nicht sein kann, dass Außenstehende Abgeordneten ihre Texte vorgeben. Ich habe dann auch entsprechend reagiert, wenn ein entsprechender Vorschlag an mich herangetragen wurde.
Im Wahlkampf hat die Organisation Lobbycontrol kritisiert, dass das Thema Lobbyismus im Wahlprogramm der Union keine Rolle spielt. Die SPD hatte dagegen einige Forderungen dazu im Programm, und auch die angekündigte Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung geht wohl auf das Konto der Sozialdemokraten. Hat die Union hier Nachholbedarf?
Ich glaube nicht, dass die CDU hier Nachholbedarf hat. Unsere Abgeordneten sind genauso sensibel wie die der anderen Fraktionen.
Was halten Sie von der Forderung, dass die rund um den Bundestag tätigen Lobbyisten sich registrieren lassen müssen?
Ich glaube nicht, dass ein Lobbyregister etwas ändern würde. Viel stärker kommt es darauf an, welches Selbstverständnis die Lobbyisten haben und welches Selbstbewusstsein ein Abgeordneter hat. Endgültig lösen können wird man diesen Konflikt nicht, auch nicht durch ein technisches Instrument wie ein Register. Diese Systemgläubigkeit verwundert mich. Am Ende arbeiten Menschen, die neigen dazu, auch einmal Fehler zu machen.
Lobbycontrol vermutete, bei den Koalitionsverhandlungen sei "eine der größten Lobbyschlachten der letzten Jahre ausgetragen" worden. Wie viel Lobbyismus, glauben Sie, steckt im Koalitionsvertrag von Union und SPD?
Vielleicht drehe ich den Spieß mal um: Ich bin ja auch Lobbyist. Ich bin Lobbyist für die Menschen in meinem Wahlkreis. Was meinem Wahlkreis nutzt, das mache ich, da kenne weder Freund noch Feind. So gesehen sind Koalitionsverhandlungen immer eine massive Lobbyschlacht von Interessengruppen. Ob Verbände dieses Mal besonders intensiv versucht haben, Vorschläge in die Koalitionsverhandlungen einzubringen, kann ich nicht beurteilen, weil es meine ersten Koalitionsverhandlungen waren.
Mit Peter Tauber sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de