Interview mit Paul Kengor "Viele Konservative haben Angst vor Trump"
14.06.2016, 10:33 Uhr
(Foto: imago/UPI Photo)
Donald Trump sei eigentlich gar kein Konservativer, sagt der US-Politologe Paul Kengor. Viele Konservative in den USA hätten derzeit große Angst, dass Trump den Konservatismus umdefiniert, dass er ihn ausländerfeindlich und ultranationalistisch macht.
n-tv.de: In Deutschland erinnert man sich an Ronald Reagan zumeist als Kalten Krieger, der kein Problem damit hatte, einen Dritten Weltkrieg zu riskieren, und der nicht sehr klug war. Das klingt ein bisschen nach Donald Trump, oder?

Paul Kengor unterrichtet Politikwissenschaften am Grove City College. Er hat das Buch "Eleven Principles of a Reagan Conservative" geschrieben. Im Mai erschien sein Artikel "Trump is the Anti-Reagan".
(Foto: Grove City College)
Paul Kengor: Und es ist einer der Gründe, warum Trump-Unterstützer ihn mit Ronald Reagan vergleichen. Ich glaube nicht, dass Trump einen Dritten Weltkrieg anfangen wird, aber er weiß ganz offensichtlich nicht besonders gut Bescheid. Er hat große Lücken bei politischen Detailkenntnissen. Mit Blick auf Intellekt und Überzeugungen dürfte er zu den am schlechtesten informierten Präsidentschaftskandidaten gehören, die wir je hatten.
Das sehen Sie aber nicht als Parallele zu Reagan.
Bei Reagan war diese Wahrnehmung nicht gerechtfertigt. Hauptsächlich wurde dieses Bild von Linken verbreitet, die seine Politik und seine Überzeugungen ablehnten. Das war bedauerlich, denn es stimmte nicht. Wenn man sich allein die vielen Reden anschaut, die Reagan schrieb und hielt, bevor er Präsident wurde, dann sieht man ohne jeden Zweifel, dass er sehr klug war, dass er ein tiefes Verständnis von Politik hatte. Auch liberale Historiker und Politikwissenschaftler bestätigen das heute.
Und bei Trump?
Bei Trump gibt es keinerlei Hinweise dieser Art. Wenn Trump heute dafür kritisiert wird, keinen politischen Hintergrund zu haben, dann kommt das nicht nur von Linken, sondern auch von Konservativen, von Reagan-Konservativen, die sich einfach die Fakten anschauen. Bei den Fernsehdebatten der republikanischen Bewerber zeigten die anderen Kandidaten wie Marco Rubio, Ted Cruz und Jeb Bush, dass sie extrem gut informiert sind. Donald Trump wusste überhaupt nicht gut Bescheid.
Stellt Trump sich selbst als zweiter Reagan dar oder ist das mehr ein Etikett, das ihm von Anhängern gegeben wird?
Soweit ich das sehe, kommt das mehr von seinen Anhängern. Ich habe viele Mails von Trump-Anhängern bekommen, in denen es hieß, Trump sei der neue Reagan. Er benutzt allerdings diesen reaganesken Slogan: Make America Great Again. Das ist ein Satz, den auch Reagan im Wahlkampf 1980 benutzt hat.
Und: Ist Trump ein neuer Reagan?
Das ist einfach lächerlich, absolut lächerlich. Einige Trump-Anhänger stellen Vergleiche an wie: Trump wird unterschätzt, er wird als politisches Leichtgewicht abgestempelt, er wird als dumm oder schlecht informiert dargestellt. Nun, okay, es stimmt, das wurde auch über Reagan gesagt. Aber bei Reagan waren diese Vorwürfe unfair und falsch. Bei Trump stimmt viel davon. Ihm fehlt ein Verständnis davon, wie Politik funktioniert.
Trump will, wie Reagan, Amerika "wieder groß" machen.
Diese Ähnlichkeit teilen sie. Aber viele Leute würden diesem Slogan zustimmen: Ted Cruz, Marco Rubio – die meisten Republikaner. Es ist eine Ähnlichkeit, aber keine schwerwiegende Ähnlichkeit.
Was hätte Reagan zu Trumps Ankündigung gesagt, eine Mauer an der mexikanischen Grenze errichten zu wollen? Oder zu seiner Forderung, keine Muslime mehr in die USA einreisen zu lassen?
Reagan war sehr patriotisch, aber er war kein Ultranationalist. Er war niemand, dem es darum ging, Grenzen zu schließen. Sehen Sie sich seine Abschiedsrede vom 11. Januar 1989 an. Darin gibt es diese wunderschöne Aussage [in der Reagan für die USA das Bild einer "strahlenden Stadt auf einem Hügel" nutzt]. Wenn es Stadtmauern geben muss, sagt Reagan, dann haben diese Mauern Türen, und die Türen sind für alle offen, die den Willen und das Herz haben, dorthin zu gelangen. Als Präsident hatte Ronald Reagan eine Amnestie für eine große Zahl [illegaler] mexikanischer Einwanderer erlassen. Natürlich glaubte Reagan nicht, dass man die Grenzen einfach für alle öffnen konnte – das macht kein Staat. Aber mit Blick auf Einwanderung und Einwanderer ist Trump sehr viel schärfer, als es Reagan je war.
Wie ist es mit der Wirtschaftspolitik? Frühere wirtschaftspolitische Berater von Ronald Reagan gehören jetzt zum Beraterstab von Donald Trump. Ist das kein Hinweis, dass er einen Reagan-Ansatz wählen würde, wenn er gewählt würde?
Viele Reagan-Konservative und traditionelle Republikaner versuchen, Trump in eine positive Richtung zu beeinflussen, nachdem jetzt sicher ist, dass er der Präsidentschaftskandidat wird – in eine Richtung, die mehr Reagan und dem klassischen amerikanischen Konservatismus entspricht und eher auf der Linie der Republikanischen Partei liegt. Das wird noch zunehmen. Aber das heißt nicht, dass Trumps Prinzipien etwas mit denen von Reagan zu tun haben.
Sie meinen, dass Trump nur so tut, als sei er konservativ?
Trump nimmt für sich in Anspruch, ein Konservativer zu sein. Aber darauf gibt es eigentlich keine Hinweise. Trump stellt sich nur als Konservativen dar, um konservative Wähler anzuziehen. Um fair zu sein: Ich habe mir Trumps Vorstellungen angesehen, die Einkommensteuer zu senken. Das scheint ein Bereich zu sein, in dem er Reagan ähnelt. Aber: Trump hat in den vergangenen Wochen mit Blick auf einige Steuersenkungen schon Rückzieher gemacht. Ich weiß nicht, ob er an seiner ursprünglichen Vision, die Steuern zu senken, festhalten wird. Reagan hielt stets daran fest, Einkommensteuersätze zu senken. Reagan hat Steuern erhöht, aber den Kern seines Wirtschaftsprogramms – niedrigere Einkommensteuern – hat er nie revidiert. Ich fürchte, dass Trump schon jetzt bei diesem Thema einen Zickzack-Kurs verfolgt. Reagan hielt acht Jahre an dieser Politik fest. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass Trump das auch so macht. Anders als Reagan ist Trump kein Politiker mit Prinzipien.
Was sind die Grundzüge des amerikanischen Konservatismus?
Amerikanische Konservative identifizieren sich mit den Ideen der Gründerväter. Konservative in den USA sprechen über die Prinzipien von 1776 [dem Jahr der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung] – mit John Adams, Thomas Jefferson, James Madison. Sie sprechen über die zeitlosen Wahrheiten und Prinzipien, die bei der Gründung der Vereinigten Staaten entwickelt wurden, "Leben, Freiheit und das Streben nach Glück", wie es in der Unabhängigkeitserklärung heißt. Amerikanische Konservative glauben, dass der Staat beschränkt sein sollte, die Steuern niedrig, das Recht auf Eigentum gesichert. Sehr wichtig, auch wenn dies häufig anders gesehen wird: Amerikanische Konservative sind keine Ultranationalisten. Sie sind nicht ausländerfeindlich, sie sind nicht rassistisch. Das sind unfaire Karikaturen des amerikanischen Konservatismus. Viele Konservative in den USA haben derzeit große Angst, dass Donald Trump versuchen wird, den amerikanischen Konservatismus umzudefinieren, dass er ihn eben doch ausländerfeindlich und ultranationalistisch macht. Sie haben Angst, dass Trump den Konservatismus kapert.
Im November werden Konservative sich entscheiden müssen, ob sie für Hillary Clinton stimmen oder für Donald Trump. Was machen Sie?
Ich werde nicht Donald Trump wählen. Ich werde auch Hillary Clinton nicht wählen. Mir ist klar, dass es Hillary Clinton hilft, wenn ich nicht für Trump stimme. Das ist der Grund, aus dem viele Konservative Donald Trump wählen werden – einfach, um Hillary Clinton zu verhindern. Ich kann die politische Überlegung dahinter respektieren. Aber ich persönlich kann mich nicht überwinden, einen der beiden zu wählen.
Gibt es etwas, das Trump machen könnte, damit Sie Ihre Meinung ändern?
Ich glaube nicht. Donald Trump könnte Dinge versprechen und sich mit Beratern umgeben, die Reagan-Konservative sind, er könnte versprechen, nach Art von Ronald Reagan zu regieren. Aber wenn er dies täte, wäre es nur der Versuch, konservative Wähler zu beruhigen. Ich glaube nicht, dass er es ernst meinen würde. Ich fürchte, dass er emotional und vom Temperament her nicht für das Amt des US-Präsidenten qualifiziert ist.
Robert Kagan hat in der "Washington Post" geschrieben, Trump sei die Art, wie der Faschismus nach Amerika kommt.
Viele Leute haben mich darauf angesprochen. Ich würde raten, sehr vorsichtig mit solchen Etiketten umzugehen. Faschismus ist eine sehr extreme Ideologie. Viele Linke nennen Donald Trump einen Rassisten oder einen Faschisten. Man braucht klare Beweise, bevor man so etwas sagt. Ich kann sagen: Sein Temperament, sein Verhalten und die Art, wie er mit Leuten und über Leute spricht – all diese Dinge sind sehr beunruhigend. Aber ich bin nicht bereit, ihn einen Faschisten, einen Rassisten oder dergleichen zu nennen.
Mit Paul Kengor sprach Hubertus Volmer
Quelle: ntv.de