Die Tücken der Kronzeugenregelung Warum Zschäpe noch schweigt
25.11.2011, 12:15 UhrSagt sie aus oder nicht? Und wenn sie redet, welchen Preis verlangt sie dafür? Beate Zschäpe, die einzige Überlebende des Zwickauer Terror-Trios, spannt die Bundesanwaltschaft auf die Folter und stellt sie gleichzeitig vor schwierige Entscheidungen. Doch auch sie selbst muss sich festlegen, wie sie mit ihren Taten umgehen will.
Immer wieder ist die Rede davon, dass Beate Zschäpe ihr Wissen aus 13 Jahren Untergrund möglichst teuer verkaufen will, das heißt, nur wenn sie dafür in den Genuss der Kronzeugenregelung kommt. Doch Polizei und Staatsanwaltschaft können während der jetzt laufenden Vernehmungen lediglich zusagen, sich für eine Strafmilderung einzusetzen. Die eigentliche Entscheidung, ob die Kronzeugenregelung tatsächlich angewendet wird und wieviel Strafrabatt für Zschäpe dadurch herausspringt, wird erst während des Prozesses getroffen.
. "Bei zehn Morden tue ich mich furchtbar schwer, mit jemandem ernsthaft in Verhandlungen einzutreten", hat er den Abgeordneten im Bundestagsinnenausschuss laut "Süddeutscher Zeitung" gesagt.
Klare Voraussetzungen
Die Voraussetzungen für einen Strafnachlass sind in der Kronzeugenregelung seit 2009 eng gefasst. Zschäpe muss ihr Wissen "freiwillig" offenbaren und damit "wesentlich" dazu beitragen, schwere Straftaten aufzuklären oder zu verhindern. Freiwillig könnte Zschäpe sicher reden, wenn es ihr ihre Verteidiger raten oder sie selbst es für lohnenswert hält. Die zweite Voraussetzung ist schon schwerer zu erfüllen, . Sogar dann nicht, wenn Morde darunter sein sollten. Auch Bönhardt oder Mundlos zu belasten, bringt Zschäpe keine Rabattpunkte. Sie haben sich durch den Suizid der Strafverfolgung entzogen und können somit auch keine neuen Taten verüben.
Bleiben nur die bekannten oder noch unbekannten Unterstützer der NSU. Das heißt, Zschäpe müsste Holger G. oder Andre E. glaubwürdig belasten oder Unterstützer nennen, die die Ermittlungsbehörden bisher noch nicht identifizieren konnten. Diese neuen Informationen sollten "gerichtsverwertbar" sein, also zu Prozessen und Verurteilungen führen, die ohne diese Informationen nicht zustande gekommen wären. Ob Zschäpe allerdings bereit ist, Gesinnungsgenossen ans Messer zu liefern, darf wohl bezweifelt werden. Auch dass sie weitere Straftaten aufdeckt und sich damit möglicherweise selbst weiter belastet, scheint nicht sehr wahrscheinlich.
Wettlauf mit den Ermittlern
Für Zschäpe ist deshalb erheblich, wie weit die Behörden mit ihren Ermittlungen kommen. Davon hängt ab, wie die Anklage gegen sie lauten wird. Und das wiederum lässt das Strafmaß ahnen, um das Zschäpe feilschen könnte. Der Haftbefehl gegen sie wurde wegen des "dringenden Verdachts der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und des Verdachts der besonders schweren Brandstiftung" erlassen. Wegen der insgesamt zehn Morde an Migranten und einer Polizistin bestehe erst ein begründeter Anfangsverdacht, sagte die Generalbundesanwaltschaft n-tv.de. Dennoch gilt als wahrscheinlich, dass Zschäpe wegen Mordes angeklagt wird. Für eine Anklage und Verurteilung wegen Mordes genügt es, wenn sie etwa an der Planung und Vorbereitung der Mordanschläge maßgeblich beteiligt gewesen wäre. Paragraf 46 b der Strafprozessordnung bestimmt allerdings auch, dass eine drohende lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes auf nicht weniger als zehn Jahre Haft abgesenkt werden darf. Bei den RAF-Aussteigern war noch eine Absenkung von lebenslänglich auf drei Jahre möglich. Zehn Jahre müsste Zschäpe auch trotz Kronzeugenregelung absitzen.
Sollte sie bei keinem der zehn vermuteten Morde selbst die tödlichen Schüsse abgegeben haben, könnte sie im strafrechtlichen Sinn aber auch nur Mittäterin sein. Mit weniger Haft als zehn Jahren könnte Zschäpe rechnen, wenn ihr nur Beihilfe statt Mittäterschaft nachgewiesen würde. Beihilfe liegt vor, wenn sie an Vorbereitungshandlungen nicht beteiligt war und Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nur durch psychischen Druck bestärkt hätte, die Morde zu begehen. Auf Beihilfe zum Mord stehen drei bis fünfzehn Jahre - minus Kronzeugenrabatt.
Pakt mit dem Teufel
Ob Zschäpe am Ende in den Genuss der Kronzeugenregelung kommt, hängt von zwei Faktoren ab: zum einen von der Qualität der Ermittlungsarbeit und zum anderen von ihrer eigenen Entscheidung. Kommen die Ermittler zu dem Schluss, alle offenen Fragen nach Unterstützern, Geldflüssen und Täterschaften selbst beantworten zu können, würden Zschäpes Aussagen allenfalls zur Bestätigung dienen. Der Prozess gegen sie aber würde mit handfesten Beweisen bestritten, die Verurteilung zu einer hohen Haftstrafe wäre wahrscheinlich. Als angenehmen Nebeneffekt könnten die jetzt so vielgescholtenen Polizisten, Kriminalisten und Verfassungsschützer endlich wieder ihre Kompetenz unter Beweis stellen.
Man könnte allerdings auf Zschäpes Aussagen angewiesen sein, um auch die letzte Frage nach Versäumnissen und Verwicklungen der Geheimdienste beantworten zu können. Der Vorsitzende des Geheimdienstkontrollgremiums des Bundestages, Thomas Oppermann (SPD), sprach bereits von einem herausragenden öffentlichen Interesse, "die Struktur und Helfer der Gruppe" genau aufzuklären. Dafür könnte sich der Pakt mit dem Teufel als einziges Mittel erweisen.
Bis zum Mittwoch hatten Zschäpes Anwälte, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl, noch keine Einsicht in die Ermittlungsakten nehmen können. Deshalb haben sie Zschäpe abgeraten, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Allerdings drängt die Zeit. Über die Anwendung der Kronzeugenregelung muss entschieden werden, bevor das Gericht über die Zulassung einer Anklage entschieden hat und die Hauptverhandlung damit eröffnet ist.
Quelle: ntv.de