Politik

Steht der Kurdenkonflikt vor dem Ende? Was Öcalans Angebot bedeutet

Es wird schwer, alle PKK-Kämpfer vom bewaffneten Kampf abzubringen, so Experte Udo Steinbach.

Es wird schwer, alle PKK-Kämpfer vom bewaffneten Kampf abzubringen, so Experte Udo Steinbach.

(Foto: REUTERS)

Waffenruhe, Aussicht auf Frieden, eine Ende des fast 30-jährigen Kampfes der PKK - wenn sich Kurdenführer Öcalan heute an die Öffentlichkeit wendet, stehen große Hoffnungen im Raum. Doch für allzu viel Optimismus besteht kein Anlass. Noch ist die Situation mit zu vielen Unwägbarkeiten verbunden.

Darum geht es beim Kurdenkonflikt

Der Kurdenkonflikt nimmt seinen Anfang mit dem Zerfall des Osmanischen Reichs. Die neuen Grenzen verlaufen seither quer durch die Gebiete der Kurden, die Volksgruppe ist auf dem Boden der heutigen Türkei, des Irak, des Iran, Armeniens und Syriens zuhause. Das "Volk ohne Land" sieht sich fortan Repressionen ausgesetzt.

Kemal Atatürks türkische Republik fordert ein nationalistisches Bekenntnis von seinen Bürgern. Traditionen, Sprache und Kultur der Kurden werden unterdrückt. In den anderen Staaten mit kurdischer Bevölkerung ist die Lage kaum besser.

Ende der 70er Jahre gründet sich die linksgerichtete PKK, die einen eigenen Staat für die Kurden fordert.  Mit Abdullah Öcalan an der Spitze der Bewegung beginnt die PKK im August 1984 mit dem bewaffneten Kampf. In den folgenden Jahren sterben Zehntausende Menschen in dem Konflikt. Die PKK bedient sich terroristischer Mittel: Entführungen, Überfälle, Morde und Selbstmordattentate sind Teil ihres Repertoires.

1999 wird Öcalan in Kenia festgenommen und in der Türkei zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Seit Kurzem verfolgt die Regierungspartei AKP unter Recep Tayyip Erdogan einen Annäherungskurs an die PKK. Erstmals ist von einem "Kurdenproblem" und nicht nur von einem "Terrorproblem" die Rede.

Der Kurdenkonflikt steht vor einer womöglich historischen Wende. PKK-Chef Abdullah Öcalan, der sich seit 1999 in der Türkei in Haft befindet, will heute, am kurdischen Neujahrsfest Newroz, eine Waffenruhe ausrufen. Damit könnte der fast 30 Jahre währende bewaffnete Kampf der militanten Kurden ein Ende finden. Seit Ende des vergangenen Jahres hatte Öcalan mit Vertretern des türkischen Geheimdiensts über die Feuerpause verhandelt. Wie dauerhaft der Frieden sein wird ist ebenso unklar wie Art und Umfang der Zugeständnisse, die die türkische Regierung im Gegenzug machen musste.

Von einer "verfassungsrechtlich verankerten Garantie der politischen und sozialen Rechte der Kurden" ist die Rede. Doch die Bandbreite dessen, was die PKK seit Jahren fordert, ist groß. In den Augen von Türkei-Experte Udo Steinbach ist "zweifelhaft", ob sich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auf die weitreichendsten Ziele der Kurden einlässt. Gehe es um die Zulassung der kurdischen Sprache in Ämtern und vor Gerichten, dann "könnte die türkische Regierung das noch akzeptieren", sagte er n-tv.de. Forderungen, "die eine staatsähnliche Struktur des kurdischen Ostens ins Auge fassen", seien dagegen kaum zu erfüllen.

Als unwahrscheinlich gilt auch, dass am Ende der Verhandlungen eine Freilassung von Öcalan steht, wie sie seit Jahren von PKK-Aktivisten, aber auch sonstigen Stimmen aus der kurdischen Bevölkerung angestrebt wird. Steinbach erklärt: "Er gilt nun einmal als Terrorist. Er ist rechtkräftig verurteilt, er steht für den terroristischen Aspekt der kurdischen Frage, viele Tausend Menschen - Türken wie Kurden - sind gestorben, weil Öcalan den bewaffneten Kampf geführt hat." Eine Freilassung werde heute und morgen nicht möglich sein.

Konfrontation wird schärfer

Eine weitere offene Frage ist, ob Abdullah Öcalan mit seinem Bekenntnis zur Gewaltfreiheit für alle PKK-Kämpfer spricht. Steinbach befürchtet, "dass es Zellen gibt, die wir im Augenblick noch nicht identifizieren können, die den bewaffneten Kampf fortsetzen wollen". Ein Grund dafür könnte sein, dass sich die Kurden derzeit "im Aufwind" fühlten, so Steinbach: "Sie haben sehr viel in der Türkei erreicht, sie sind fast unabhängig im nördlichen Irak, werden immer unabhängiger in Syrien. Im Iran wird die Konfrontation mit der Regierung immer schärfer. In einer solchen Situation liegt es nahe, dass sich bestimmte Kräfte derart stark fühlen, dass sie schon gar nicht mehr über einen Kompromiss nachdenken.

Ungewiss ist auch, ob sich die türkischen Sicherheitskräfte im Osten des Landes an die neue Situation anpassen werden. In der Vergangenheit hätten oft Provokationen von staatlicher Seite zu Auseinandersetzungen zwischen PKK und Sicherheitskräften geführt, erläutert Steinbach. Die möglichen Folgen könnten fatal sein. Sollten die Kämpfe zwischen türkischen Sicherheitskräften und PKK trotz der Ankündigung Öcalans anhalten, würde das zeigen, "dass es eine friedliche Lösung der kurdischen Frage womöglich nicht gibt", so Steinbach.

Quelle: ntv.de

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