Politik

Fragen und Antworten Was die Festnahme bedeutet

Strauss-Kahn befindet sich in den Händen der US-Justiz.

Strauss-Kahn befindet sich in den Händen der US-Justiz.

(Foto: AP)

Die internationale Finanzwelt schaut mit Erstaunen und Schrecken auf den Fall Dominique Strauss-Kahn. Der Chef des IWF sitzt in US-amerikanischer Haft. Welche Folgen hat die Festnahme? n-tv.de beantwortet die wichtigsten Fragen.

Was ist passiert?

Einen "kriminellen Akt" in Form einer "versuchten Vergewaltigung" soll IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn begangen haben. So lauten die Vorwürfe der Polizei gegen ihn. Dahinter steckt: Der 62-jährige Franzose soll in der 3000-Dollar-Luxus-Suite eines New Yorker Hotels nackt über ein Zimmermädchen hergefallen sein. Er habe versucht, die Frau zum Oralverkehr zu zwingen. Sie habe sich jedoch befreit und aus dem Zimmer flüchten können. Die 32-Jährige identifiziert später Strauss-Kahn als Täter. Die Polizei setzt nun auf eine DNA-Untersuchung: Möglicherweise befinden sich Spuren der Frau am Körper des Finanzexperten. Sollte Strauss-Kahn in einem Prozess schuldig gesprochen werden, droht ihm eine jahrelange Haft.

Was sagt der Beschuldigte?

Anwalt Brafman gilt als Experte für schwierige Promi-Fälle.

Anwalt Brafman gilt als Experte für schwierige Promi-Fälle.

(Foto: AP)

Nach Angaben seiner Anwälte will er auf "nicht schuldig" plädieren. Es heißt, Strauss-Kahn wolle sich mit aller Kraft gegen die Vorwürfe wehren. Vertreten wird er von den Anwälten William Taylor und Benjamin Brafman. Brafman ist ein sehr erfahrener Strafverteidiger, der bereits einige Prominente verteidigt hat - darunter Michael Jackson, Footballstar Plaxio Burress oder den Rapper Sean Combs. Er ist berühmt dafür, seine Mandanten entweder rauszupauken oder günstige Deals auszuhandeln. Der 62-jähriger Jurist strotzt vor Selbstbewusstsein und betrachtet sich als Mann für aussichtslose Fälle. "Die meisten, die zu mir kommen, sind in einer sehr, sehr verzweifelten Lage."

Was sagt die Frau von Strauss-Kahn?

Anne Sinclair, Frau von Kahn-Strauss.

Anne Sinclair, Frau von Kahn-Strauss.

(Foto: dpa)

Anne Sinclair hält es für ausgeschlossen, dass ihr Gatte ein Zimmermädchen vergewaltigen wollte. "Ich glaube nicht eine einzige Sekunde an die Anschuldigungen, die gegen meinen Mann erhoben werden", sagte sie. Alle Beteiligten sollten Anstand und Zurückhaltung wahren. Sie sei überzeugt, dass die Unschuld ihres Mannes bewiesen werde. Die in den USA geborene Sinclair ist die dritte Ehefrau von Strauss-Kahn. Die beiden sind seit knapp 20 Jahren verheiratet. Bereits nach einem Seitensprung Anfang 2008 stand die 62-Jährige zu ihrem Mann. Damals hatte er kurz nach dem Beginn seiner Amtszeit in Washington eine Affäre mit einer Mitarbeiterin.

Wer führt nun den Internationalen Währungsfonds (IWF)?

John Lipsky nimmt als Strauss-Kahns Stellvertreter zunächst vorübergehend den Spitzenposten ein. Die stellvertretende geschäftsführende Direktorin Nemat Shafik vertritt den IWF beim Treffen der Eurogruppe in Brüssel. Dort geht es um die Schuldenländer Griechenland und Portugal, an deren Rettung der IWF maßgeblich beteiligt ist. Viele Experten bescheinigen: Der IWF ist weiter voll arbeitsfähig. Dieser Meinung ist auch Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Wer ist John Lipsky?

John Lipsky übernimmt vorübergehend die Führung des IWF.

John Lipsky übernimmt vorübergehend die Führung des IWF.

(Foto: REUTERS)

Der promovierte Volkswirt Lipsky trat am 1. September 2006 beim IWF die Stelle als erster stellvertretender Chef nach langjähriger Tätigkeit als Investmentbanker an. Er kam direkt von der US-Bank JPMorgan, wo er zuletzt Vize-Chairman war. Zuvor war er dort sowie bei Salomon Brothers Chefvolkswirt.  Bereits vor seinem Wechsel in die Bankenbranche im Jahr 1984 war Lipsky zehn Jahre lang beim IWF. In dieser Zeit unter dem deutschen IWF-Chef Horst Köhler leitete Lipsky eine Aufsichtsgruppe für die Finanzbranche. Die Amtszeit Lipskys endet nach fünf Jahren am 31. August 2011. Er hatte Anfang des Monats angekündigt, den Posten zur Verfügung zu stellen. Allerdings hat Strauss-Kahn Lipsky gebeten, als Sonderbeauftragter auch nach Ablauf der Amtszeit für den IWF zu arbeiten. Lipsky gilt durch und durch als Mann des IWF mit guten Kontakten zur Wall Street. Dies qualifiziert ihn nicht nur für den Posten beim IWF, es hat ihn auch zu einem Garanten für Stabilität gemacht.  Es gilt auch als Lipskys Verdienst, dass das Profil des IWF vor allem während der Finanzkrise von 2007 bis 2009 geschärft wurde. Auch für seine Arbeit bei den Verhandlungen über Rettungspakete für Griechenland, Irland und Portugal im Zuge der europäischen Schuldenkrise erhielt er Bestnoten.

Was ist langfristig zu erwarten?

Strauss-Kahn galt bislang als charismatisch, entschlossen und reformfreudig. Er wollte Schwellenländern mehr Gewicht geben und Krisenstaaten besser unterstützen. Der IWF sollte sich vom harten Abstrafer zum kollegialen Partner wandeln. Die Entwicklung ist nun offen.

Was bedeutet die Festnahme für die Schuldenländer Griechenland, Portugal und Irland?

Frankreichs Präsident Sarkozy kann sich freuen: Einen Gegner ist er los.

Frankreichs Präsident Sarkozy kann sich freuen: Einen Gegner ist er los.

(Foto: REUTERS)

Strauss-Kahn gilt wegen seines politischen Hintergrunds als ein Mann, der sich gut mit den in Griechenland regierenden Sozialisten versteht. Nun sorgt man sich in Athen, dass der IWF die Zügel gegenüber Griechenland anzieht. Der IWF trägt ein Drittel der internationalen Milliarden-Hilfen für Portugal, Griechenland und Irland. Der Rest entfällt auf die europäischen Partner. Die Euro-Gruppe will an diesem Montag das Hilfspaket für Portugal im Umfang von 78 Milliarden Euro billigen. Auch die Lage in Griechenland, das vor einem Jahr Hilfen von 110 Milliarden Euro der europäischen Partner und des IWF erhielt, wird erörtert. Ein Beschluss über weitere Hilfen an Athen wird von dem Treffen der Euro-Minister aber nicht erwartet. Die Lösung der Probleme sei durch die Festnahme Strauss-Kahns nicht belastet, beruhigt Minister Schäuble. Andere sind da skeptischer: Der IWF sei ohne seinen Chef nicht voll arbeitsfähig, heißt es. Dieser Ansicht ist etwa der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin.

Was passiert innenpolitisch in Frankreich?

Strauss-Kahns Festnahme ist ein Donnerschlag. Der Sozialist hatte beste Chancen, den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy bei der Wahl 2012 abzulösen, lag in den Umfragen weit vorn. Seine offizielle  Bewerbung für die Vorwahlen im Herbst wurde spätestens Ende Juni  erwartet. Auch unter den Anwärtern bei den Sozialisten hatte er die besten Karten. Sarkozy ist nun seinen schärfsten Konkurrenten losgeworden, was Verschwörungstheorien nährt. Frankreichs Medien und Politikexperten erinnern zwar an die Unschuldsvermutung, sind sich aber übergreifend einig, dass Strauss-Kahn keine Chancen mehr hat, Präsident zu werden. Die Wahl ist wieder offen.

Wie reagieren die Märkte?

Die Finanzmärkte reagieren kaum auf den Skandal. Sowohl an den Devisen- als auch an den Anleihen- und Aktienmärkten können Marktbeobachter keine unmittelbare Belastung feststellen. Die Schwankungsanfällig des Euro entsteht eher durch die Schuldenproblematik an sich. Die deutschen Staatsanleihen tendieren nahezu unverändert. Der deutsche Aktienmarkt startet indes schwächer in den Handel. Marktbeobacheter nennen aber zumeist andere Gründe als die Verhaftung Strauss-Kahns.

Quelle: ntv.de, jmü/dpa/rts/AFP

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