Politik

Nach Blutbad in Minsk Weißrussen befürchten Repressionen

Nach dem Blutbad in der Metro von Minsk droht der autoritäre weißrussische Staatschef Lukaschenko mit hartem Durchgreifen. Die von "Europas letztem Diktator" unterdrückte Opposition fürchtet ein weiteres Anziehen der Daumenschrauben.

Von Bodyguards umringt steht Lukaschenko (zweiter von rechts) am Tatort in Minsk.

Von Bodyguards umringt steht Lukaschenko (zweiter von rechts) am Tatort in Minsk.

(Foto: AP)

Nach dem Bombenanschlag mit zwölf Toten in der Metro von Minsk rechnen die Menschen im autoritären Weißrussland mit noch mehr politischem Druck. Zwar ist das Blutbad vom Montag mitten im Berufsverkehr und direkt am Präsidentenpalast im Zentrum offiziell nicht aufgeklärt. Doch der als "letzte Diktator Europas" kritisierte Staatschef Alexander Lukaschenko droht schon jetzt mit hartem Vorgehen gegen diejenigen, die in der Ex-Sowjetrepublik die Lage destabilisieren wollen. Das Land steckt aus Sicht von Beobachtern in einer schweren innenpolitischen Krise.

Am Tag nach der Explosion in der U-Bahn-Station Oktjabrskaja fragen viele Weißrussen, wem ein solcher Anschlag nütze. Es gibt kein Bekennerschreiben. Da habe entweder der Machtapparat selbst die Hände im Spiel oder ausländische Geheimdienste oder Oppositionskräfte, meint der Journalist Alexander Starikewitsch auf einer der wenigen noch nicht gesperrten unabhängigen Internetseiten www.gazetaby.com.

"Diktatorische Methoden"

Dass ein islamistischer Hintergrund in dem abgeschotteten Land unwahrscheinlich ist, bestätigen auch die Behörden. Als mögliche Täter nennt der Chef des noch sowjetisch organisierten Geheimdienstes KGB, Wadim Sajzew, etwa Anarchisten, Extremisten oder einen psychisch Kranken. "Es handelt sich um einen Versuch, Angst und Schrecken zu säen", betont Sajzew. Die Behörden berichten auch von ersten Festnahmen. Details nennen sie aber nicht.

Gegner des mit Sanktionen der EU und der USA belegten Lukaschenko-Regimes fürchten nun eine noch stärkere Gängelung Andersdenkender. Seit einem Anschlag im Juli 2008 am Rande eines Konzerts zum Tag der Unabhängigkeit lassen die weißrussischen Behörden etwa flächendeckend Fingerabdrücke ihrer Bürger erfassen. Doch aufgeklärt ist der Fall bis heute nicht.

Wem nützt der Anschlag?

Wem nützt der Anschlag?

(Foto: AP)

Viele Weißrussen trauen ihrer Führung traditionell auch "diktatorische Methoden" zu, um die eigene Bevölkerung weiter einzuschüchtern. Die meisten Menschen leben ohnehin in Angst, ihren Job in den oft noch von kommunistischer Kommandowirtschaft geprägten Staatsbetrieben zu verlieren.

Seit den gewaltsam niedergeschlagenen Protesten gegen Lukaschenko im vergangenen Dezember sitzen Dutzende Regierungsgegner im Gefängnis. Dass die Führung den Anschlag selbst inszeniert haben könnte, um von den schweren Problemen des Landes abzulenken, glauben deshalb nicht wenige in Minsk.

Drei Waffen: Angst, Überraschung, ruchlose Effizienz

"Die drei wichtigsten Waffen der Behörden von Belarus sind Angst, Überraschung und ruchlose Effizienz", meint die weißrussische Politikwissenschaftlerin Marina Rachlej. Das hoch verschuldete Land sei dringend auf russische Kredite und Staatshilfen angewiesen. Schon seit Wochen gebe es keine Euro und Dollar mehr zu kaufen. Aus Angst vor einem Rubelverfall würden viele Bürger Buchweizen, Speiseöl und Zucker, aber auch Gold horten.

"Der Anschlag nützt denen, die einen Ausnahmezustand im Land, ein Abrücken Weißrusslands vom Westen sowie die Opposition diskreditieren wollen", sagt etwa auch der oppositionelle Ex-Präsidentenkandidat Alexander Milinkewitsch. "Der Anschlag kann von Lukaschenko missbraucht werden, um die Opposition zu bekämpfen", meint der im tschechischen Asyl lebende Regimekritiker Ales Michalewitsch.

Das Porträt des Täters

Beweise für eine Beteiligung der weißrussischen Führung gibt es freilich nicht. Allerdings glaubt ohnehin in der von Lukaschenko seit mehr als 16 Jahren mit harter Hand geführten Republik kaum einer an eine Aufklärung dieser bisher schwersten politischen Bluttat. Hinter vorgehaltener Hand meinten weißrussische Regierungsgegner, dass das Porträt des Täters in jedem Beamtenbüro des Landes an der Wand hänge.

Quelle: ntv.de, Ulf Mauder, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen