Anwälte greifen "New York Times" an Wen schlägt zurück
28.10.2012, 13:47 Uhr
Wen Jiabaos Familie besitzt laut der New York Times Unternehmensbeteiligungen im Wert von 2,1 Milliarden Euro. Der Baseballfan widerspricht.
(Foto: picture alliance / dpa)
Eine US-Tageszeitung wirft der Familie von Chinas Premierminister Wen vor, in seiner Amtszeit ein Milliardenvermögen gehortet zu haben. Der Verdacht der Vetternwirtschaft steht im Raum - zu einem völlig ungünstigen Zeitpunkt. Chinas Führungsriege ordnet sich gerade neu.
Der chinesische Premierminister Wen Jiabao hat Zeitungsberichten über ein angeblich riesiges Vermögen der Familie widersprochen. Die in Hongkong erscheinende "South China Morning Post" druckte ein Schreiben seiner Anwälte ab, in dem es heißt: "Die im Artikel der 'New York Times' genannten 'verborgenen Reichtümer' von Wen Jiabaos Familienmitgliedern existieren nicht." Seine Angehörigen hätten in keiner Weise von seiner Funktion als Regierungschef profitiert und auch keinen Einfluss auf seine Politik gehabt.
Das US-Blatt hatte am Freitag berichtet, Wens Familie verfüge über Vermögenswerte in Höhe von umgerechnet 2,1 Milliarden Euro. Den größten Teil davon trug die Familie demnach seit Wens Ernennung zum Vize-Premier 1998 zusammen. Er wurde 2003 Ministerpräsident. Laut dem Zeitungsartikel besitzt allein die 90 Jahre alte Mutter des Premierministers aufgrund einer komplizierten Struktur erhebliche Anteile an der Ping An Versicherung. 2007 seien diese rund 93 Millionen Euro wert gewesen. Das Blatt hatte Unternehmensdaten analysiert und offizielle Angaben ausgewertet.
Von Wens Anwälten hieß es nun: "Die Mutter Wen Jiabaos hat außer ihrem gesetzmäßigen Lohn oder ihrer Rente nie ein anderes Einkommen oder Vermögen besessen." Sie kündigten weitere "Klarstellungen" an und behielten sich rechtliche Schritte gegen die Zeitung vor. Auf die umfangreichen wirtschaftlichen Aktivitäten seiner Frau und seines Sohnes gehen die Anwälte in ihrer Stellungnahme nicht genauer ein.
Gesetzeslücke in chinesischer Justiz
Die "New York Times" hatte geschrieben, dass sie keine Beweise für ein ungesetzliches Verhalten des Premierministers gefunden habe. Vielmehr gäbe es in China Lücken im Gesetz, die es den Angehörigen hoher Beamter erlaubten, "mit ihrem Namen Geschäfte zu machen".
Der Zeitungsbericht sorgte für Wirbel in der Kommunistischen Partei Chinas. Er erschien zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. In wenigen Tagen beginnt der 18. Kongress der Kommunistischen Partei Chinas, bei dem Wen und Präsident Hu Jintao die Führung an die nächste Generation übergeben wollen. Dem Kongress gingen heftige Flügelkämpfe in den höchsten Führungszirkeln des chinesischen Machtapparats voraus. Die neue Linke um den gefallenen Günstling Bo Xilai rang mit den zusehends marktliberalen Kräften, zu denen auch Wen zählt, um Einfluss.
Der Bericht der "New York Times" steht nun dem Bild Wens entgegen, ein bescheidener Staatsdiener zu sein, der streng gegen Korruption und Vetternwirtschaft in der Volksrepublik vorgeht.
Zeitpunkt der Veröffentlichung kein Zufall
Vor diesem Hintergrund geht die "New York Times" nicht davon aus, dass die Informationen über das Vermögen der Familie von Wen ausgerechnet kurz vor dem Parteikongress an die Öffentlichkeit drangen. Das Blatt zitiert einen früheren Regierungskollegen des Premiers mit den Worten: "Seine Feinde wollen ihm bewusst etwas anhängen, indem sie das jetzt durchsickern lassen."
Die chinesischen Behörden reagierten mit einer massiven Internetzensur auf den Bericht. Experten gehen davon aus, dass nur 5 bis 10 Prozent der Internetnutzer in China je von den Vermögensverhältnissen der Familie Wens erfahren würden.
Quelle: ntv.de, ieh/dpa/rts