Politik

Kandidaten-Check Wer könnte Wulff ablösen?

Christian Wulffs Leben ist in diesen Tagen nicht immer so lustig.

Christian Wulffs Leben ist in diesen Tagen nicht immer so lustig.

(Foto: REUTERS)

Christian Wulff ist noch immer Bundespräsident dieses Landes. Doch selbst Unionspolitiker fordern bereits seinen Rücktritt. Und was kommt dann? Merkel dementiert, schon über eine Alternative nachzudenken. Wer's glaubt, wird selig. Aber was geht in den Köpfen der Strategen im Kanzleramt vor sich?

Nach außen gibt sich Kanzlerin Angela Merkel loyal. Nach ihrer Haltung zum taumelnden Staatsoberhaupt Christian Wulff gefragt, lässt sie stets ausrichten, sie schätze die Arbeit des Bundespräsidenten. Ein Rücktritt sei angesichts der Medien- und Kreditaffäre Wulffs nicht notwendig, Gedanken über eine Nachfolge deswegen überflüssig.

Doch hinter den Kulissen bröckelt der Rückhalt. Viele in der Koalition wünschen sich, dass Wulff endlich für echte Transparenz sorgt. Und erste Unionspolitiker wenden sich offen von Wulff ab und fordern den Abschied des Bundespräsidenten aus dem Amt.

Allen Dementis zum Trotz: Im Kanzleramt bereiten sich die Strategen auf den Fall des Falles vor. Wenn Wulff entgegen seiner Ankündigung dann doch das Handtuch wirft, will Merkel nicht unvorbereitet sein. Mit ihren Beratern ist sie sicherlich schon den einen oder anderen Namen durch gegangen und hat das Für und Wider abgewogen.

Dabei muss Merkel die aktuellen Mehrheiten in der Bundesversammlung berücksichtigen. Dort bleibt Union und FDP bis zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein im Mai lediglich eine Mehrheit von vier Stimmen. 2010 hatte ein weitaus komfortablerer Puffer Wulffs Wahl spannend gemacht – er erhielt die nötige Mehrheit erst im dritten Wahlgang. Doch wer könnte es unter diesen Voraussetzungen richten?

Merkel könnte Kabinettsmitglied "befördern"

In verschiedenen Medien wird darüber spekuliert, ob ein Mitglied des aktuellen Kabinett Merkel aufrücken könnte, sollte Wulff doch noch das Handtuch werfen. Immer wieder genannt wird dabei Wolfgang Schäuble. Für das Unions-Urgestein spricht, dass er mit rund 40 Jahren Bundespolitik über die nötige Erfahrung verfügt, das Amt auszufüllen.

Angela Merkel und ihr Krisenmanager Wolfgang Schäuble

Angela Merkel und ihr Krisenmanager Wolfgang Schäuble

(Foto: picture alliance / dpa)

Allerdings gilt Schäuble als alles andere als feinfühlig und diplomatisch - eine Eigenschaft, die bei Bundespräsidenten jedoch gefragt ist. Außerdem ist Schäuble durch die CDU-Spendenaffäre noch immer mit einem moralischen Makel behaftet. Als hartleibiger Krisenmanager der Euro-Krise dürfte Schäuble zudem für Merkel als unverzichtbar angesehen werden.

In der Union soll laut "Frankfurter Allgemeiner Zeitung" über einen weiteren aktiven Minister als Wulff-Nachfolger nachgedacht werden: Thomas de Maizière. Vorteil für den Verteidigungsminister: Auch für die Opposition wäre der 58-Jährige wählbar, er genießt sowohl bei der SPD als auch bei Bürgern hohes Ansehen.

Doch genau das macht de Maizière eher unwahrscheinlich: Merkel braucht den beliebten, aber auch fleißigen und loyalen Minister. Zudem ist de Maizière derzeit damit beschäftigt, das Mammutprojekt Bundeswehrreform abzuarbeiten. Ein Personalwechsel in dieser Situation wäre nicht ideal.

Ursula von der Leyen könnte, will aber wohl lieber Kanzlerin werden.

Ursula von der Leyen könnte, will aber wohl lieber Kanzlerin werden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Bliebe an Regierungsmitgliedern noch die ewige Ursula von der Leyen. Die Arbeitsministerin galt schon im Vorfeld der Wahl Christian Wulffs als favorisierte Kandidatin, bis sich Schwarz-Gelb für viele überraschend anders entschied. Wäre es damit jetzt nicht angebracht, die damals Unterlegene ins Amt zu hieven?

In aktuellen Umfragen landet von der Leyen allerdings abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Zudem wird die siebenfache Mutter aus Niedersachsen zu stolz sein, als zweite Wahl ins Rennen geschickt zu werden. Nicht zuletzt werden von der Leyen ganz andere Ambitionen nachgesagt: Sie soll perspektivisch die Kanzlerschaft im Visier haben. Und eine Präsidentschaft stand bisher stets am Ende einer Politikerkarriere.

Grüner Kandidat würde als Koalitionsaussage gedeutet

Präsidiales Format bringt der Unionsmann und langjährige Bundestagspräsident Norbert Lammert mit. Seit 2005 tritt er als Wächter der parlamentarischen Demokratie auf und ist stets um Überparteilichkeit bemüht.

Mit seinen moralischen Zwischenrufen soll er in Unionskreisen allerdings nicht immer auf Gegenliebe stoßen. In der Unionsfraktion heißt es, Lammert benehme sich jetzt schon, als sei er "geschäftsführender Bundespräsident", schrieb die FAZ. Falls er Bundespräsident wäre, träte er als "geschäftsführender Bundeskanzler" auf. Und einen Nebenkanzler wird sich Merkel wohl kaum ins Schloss Bellevue setzen wollen.

Für weite Teile der Opposition sicherlich tragbar wäre Ex-Bundesumweltminister und CDU-Mann Klaus Töpfer. Auch sein Name ist nach dem Rücktritt von Horst Köhler schon im Gespräch gewesen. Er leitete das Umweltprogramm der Uno in Nairobi und gilt als das grüne Gewissen der Union. Und das macht ihn parteiübergreifend zu einem geachteten Politiker.

Klaus Töpfer ist ein Unionsmann, den auch Grüne mögen.

Klaus Töpfer ist ein Unionsmann, den auch Grüne mögen.

(Foto: picture alliance / dpa)

In Unionskreisen gilt Töpfer allerdings nur als "Notnagel". Er ist bei den Menschen eher unbekannt. Oft wird auch sein mit 74 recht hohes Alter als Gegenargument ins Feld geführt. Zwar haben in der Vergangenheit schon viele betagtere Politiker den Sprung ins Amt geschafft. Doch die FDP lehnt Töpfer offen ab. Beim Dreikönigstreffen in Stuttgart wetterte Parteichef Philipp Rösler noch über den "konservativen Weltverbesserer". Zudem fürchtet die FDP, dass seine Wahl als Vorbote eines schwarz-grünen Bündnisses in der Zukunft interpretiert werden könnte.

Aus denselben Gründen aussichtslos sind wohl zwei weitere grüne Politiker, die im Gespräch sind: Winfried Kretschmann ist als erster grüner Ministerpräsident gerade erst vor wenigen Monaten in Baden-Württemberg angetreten. Katrin Göring-Eckhardt genießt als Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland zwar hohes Ansehen auch in den Koalitionsfraktionen. Sie ist während der Krise um Christian Wulff schon ziemlich früh als potenzielle Kandidatin genannt worden. Doch auch die Bundestagsvizepräsidentin ist weiten Teilen der Bevölkerung nicht bekannt.

Überparteilicher Anwärter ist gefragt

Um die Opposition zur Zustimmung zu bewegen, könnte die Union auch einen Kandidaten von der SPD nennen – etwa einen der Politiker, mit denen sie in der Großen Koalition zusammengearbeitet hat. Franz Müntefering etwa verfügt über die nötige Bürgernähe. Zudem spielt er in der Bundespolitik kaum mehr eine Rolle, hat sich damit in der näheren Vergangenheit politisch nicht offen gegen Schwarz-Gelb gestellt. Für den häufig ins Spiel gebrachte Frank-Walter Steinmeier gilt das nicht. Er schießt als Teil der SPD-Troika regelmäßig gegen Merkels Regierung. Ihn nun mit einem Mal als Kandidat für das Präsidentenamt zu hofieren, wäre unglaubwürdig.

Das macht wiederum einen parteilosen Kandidaten wahrscheinlicher. In Umfragen taucht da stets die Ex-Ratspräsidentin der EKD Margot Käßmann auf. Durch ihren konsequenten Umgang mit ihrer Alkoholfahrt hat sie sich viel Respekt verdient. Ihr Rücktritt gilt vielen als Blaupause für ein gewünschtes Verhalten von Christian Wulff. In politischen Kreisen selbst spielt Käßmann als Kandidatin allerdings wohl keine Rolle.

Bliebe Joachim Gauck. Er ist der Kandidat, den die meisten Deutschen befürworten würden. Laut einer Forsa-Umfrage sprechen sich 31 Prozent der Befragten für den früheren DDR-Bürgerrechtler und Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde aus. Auch in anderen Befragungen liegt Gauck weit vorne.

Gauck ist noch immer der "Bundespräsident der Herzen".

Gauck ist noch immer der "Bundespräsident der Herzen".

(Foto: picture alliance / dpa)

Für Merkel wäre Gauck allerdings eine doppelte Niederlage. Nicht nur, dass sie sich im Fall einer Neuwahl des Bundespräsidenten auf einen Kompromiss mit der Opposition einlassen müsste. Dass es dann ausgerechnet der Mann richten soll, der Christian Wulff, ihren Kandidaten bei seiner Wahl 2010, fast hatte scheitern lassen, ließe sie als Verliererin dastehen.

Dennoch: Gegen Gauck sprechen die wenigsten Argumente. Er ist als Verfechter von Freiheit und Rechtstaatlichkeit für breite Bevölkerungsschichten akzeptabel. Mit diesen Themen vertritt er auch Kerninhalte der FDP. Und auf deren Zustimmung ist Merkel angewiesen. Denn an der Präsidentenfrage will sie die Koalition sicher nicht zerbrechen lassen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen